VG Wiesbaden

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Zitieren als:
VG Wiesbaden, Urteil vom 12.06.2008 - 4 K 360/08.WI - asyl.net: M13927
https://www.asyl.net/rsdb/M13927
Leitsatz:

Keine ordnungsgemäße Beschäftigung bei nur fingiertem Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 4 AufenthG.

 

Schlagwörter: D (A), Feststellungsklage, Verlängerung, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Fortgeltungsfiktion, Türken, Assoziationsratsbeschluss EWG/Türkei, Arbeitnehmer, ordnungsgemäße Beschäftigung, Suspensiveffekt, Assoziationsberechtigte
Normen: VwGO § 43; ARB Nr. 1/80 Art. 6 Abs. 1; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 84 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 4 Abs. 5
Auszüge:

Keine ordnungsgemäße Beschäftigung bei nur fingiertem Aufenthaltsrecht nach § 81 Abs. 4 AufenthG.

(Amtlicher Leitsatz)

 

Die am 04.04.2008 rechtzeitig erhobene Verpflichtungsklage (Klageantrag zu 3.) ist zulässig.

Auch die mit dem Klageantrag zu 2. erhobene Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist zulässig, denn zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob der erhobenen Verpflichtungsklage aufschiebende Wirkung zukommt und angesichts der gesetzten Ausreisefrist hat der Kläger auch ein Feststellungsinteresse. Die Möglichkeit diese Frage durch Gestaltungsoder Leistungsklage zu klären besteht nicht (§ 43 Abs. 2 VwGO).

Die Klagen sind jedoch insgesamt unbegründet.

Was das Verpflichtungsbegehren angeht, besteht kein Anspruch des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, so dass die Beklagte seinen Verlängerungsantrag mit der angefochtenen Verfügung vom 05.03.2008 zu Recht versagt hat. Der Kläger hat aufgrund seiner Beschäftigung bei der Firma D seit dem 01.01.2006 kein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich ARB Nr. 1/80 erworben. Nach dieser Vorschrift hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft angehört nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung bei dem selben Arbeitgeber einen Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis für den selben Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt. Aus diesem Beschäftigungsrecht folgt ein eigenständiges Aufenthaltsrecht (BVerwG, 97, 301 ff). Der Kläger war aber zu keinem Zeitpunkt mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bei ein und demselben Arbeitgeber ordnungsgemäß beschäftigt. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung setzt nämlich voraus, dass der Arbeitnehmer im Besitz eines in seinem Bestand unbestrittenen, gesicherten Aufenthaltsrechts ist. Im Besitz eines solchen Aufenthaltsrechts war der Kläger jedoch nur für die Dauer seiner befristeten Aufenthaltserlaubnis vom 12.08.2005 bis 25.05.2006. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung bestand deshalb lediglich für knapp fünf Monate vom 01.01.2006 bis 25.05.2006. Die folgenden Zeiten des durch den Verlängerungsantrag ausgelösten fingierten Aufenthaltsrechts aus § 81 Abs. 4 AufenthG bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Verlängerungsantrags stellen kein unbestrittenes Aufenthaltsrecht dar. Die aus § 81 Abs. 4 AufenthG folgende vorläufige Fortgeltung des Aufenthaltstitels inklusive aller Nebenentscheidungen begründet nämlich kein gesichertes Aufenthaltsrecht, sondern ist lediglich eine vorläufige verfahrensrechtliche Fiktion, deren Fortgeltung gerade nicht gesichert ist. Ein gesichertes Aufenthaltsrecht entsteht erst nach abschließender Prüfung und positiver Entscheidung über den gestellten Verlängerungsantrag. Daran fehlt es aber vorliegend, denn der Verlängerungsantrag wurde - zu Recht - abgelehnt (ebenso vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2008, 11 S 2765/07 - zitiert nach juris; Hess. VGH, ZAR 2007, 413ff.).

Da auch die Abschiebungsandrohung in der angefochtenen Verfügung rechtlich nicht zu beanstanden ist, bleibt das Anfechtungsbegehren insgesamt erfolglos.

Die mit dem Klageantrag zu 2. erhobene Feststellungsklage ist unbegründet, denn § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gilt auch für die Ablehnung des Antrags eines türkischen Staatsangehörigen auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG (GK zum AufenthG, § 84, Rn. 14, Haibronner AufenthG, § 84 Rn 21, wie hier auch OVG Nordrhein-Westfalen, zitiert nach juris; a.A. Hamburgisches OVG, NVwZ-RR 2008, 60-61 und VG Karlsruhe, NVwZ-RR 2007, 202). Danach ist für Aufenthaltserlaubnisse türkischer Staatsangehöriger § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG anzuwenden, wonach Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis keine aufschiebende Wirkung haben. Es gibt auch keinen Grund, diese Vorschrift auf den deklaratorischen Aufenthaltstitel des § 4 Abs. 5 AufenthG nicht anzuwenden. Dies fordern weder der Gesetzeszweck noch eine assoziationsrechtskonforme Auslegung. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG macht nämlich eine bestehende Ausreisepflicht nicht vollziehbar. Er bewirkt lediglich, dass die nach §§ 50 und 58 Abs. 2 AufenthG, die nicht zwischen konstitutiven oder deklaratorischen Aufenthaltstiteln unterscheiden, bestehende Vollziehbarkeit erhalten bleibt.