VG Hamburg

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Zitieren als:
VG Hamburg, Urteil vom 21.08.2008 - 10 K 3195/07 - asyl.net: M13938
https://www.asyl.net/rsdb/M13938
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Niederlassungserlaubnis, Erlöschen, Feststellung, Verwaltungsakt, Anfechtungsklage, Ausreise, Auslandsaufenthalt, Lebensunterhalt, Beurteilungszeitpunkt, Krankenversicherung
Normen: AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 7; AufenthG § 51 Abs. 2; AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1
Auszüge:

Soweit der Kläger die Aufhebung der Verfügung vom 20.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2007 begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist insoweit als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, und zwar nicht nur hinsichtlich der Abschiebungsandrohung, sondern auch hinsichtlich der Feststellung des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis. Denn auch bei der Feststellung des Erlöschens handelt es sich im vorliegenden Fall um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 HmbVwVfG, dessen Aufhebung gemäß § 42 Abs. 1 VwGO mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann. Zwar wird die Feststellung des Erlöschens in der Regel nur Ausdruck der Rechtsauffassung der Behörde sein, dass der Aufenthaltstitel von Gesetzes wegen erloschen ist (vgl. auch VG München, Urt. v. 27.11.2007, M 4 K 07.3681, juris). Die Feststellung kann aber auch durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn das Erlöschen zwischen den Beteiligten gerade streitig ist (vgl. Renner , Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 51 AufenthG Rn. 5; vgl. zum Charakter der Erlöschensfeststellung auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Anh. § 42 Rn. 5 m.w.N.). Letzteres war hier der Fall. Zudem sprechen auch weitere Umstände für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes, insbesondere das als "Anhörung gemäß § 28 HmbVwVfG" bezeichnete Schreiben der Beklagten, nach dem die Feststellung des Erlöschens der Aufenthaltsgenehmigung beabsichtigt sei, sowie das äußere Erscheinungsbild der Verfügung vom 20.02.2007. Bereits in der Überschrift heißt es nämlich "Verfügung (Erlöschen feststellen)" und auch die Gestaltung des Bescheids im Übrigen lässt den Schluss zu, dass die Beklagte die Feststellung in Form eines Verwaltungsaktes treffen wollte.

2. Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid vom 20.02.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Sowohl die Feststellung des Erlöschens (dazu a) als auch die Abschiebungsandrohung (dazu b) sind rechtmäßig.

a) Die Beklagte hat zu Recht das Erlöschen der dem Kläger am 14.05.1993 erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG festgestellt. Die Aufenthaltserlaubnis des Klägers ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen, da dieser am 15.04.2005 aus dem Bundesgebiet ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten – also bis zum 15.10.2005 – wieder eingereist ist.

Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 51 Abs. 2 S. 1 AufenthG liegen nicht vor. Anzuwenden ist dabei die Fassung der Vorschrift vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 19.07.2007, so dass Ausweisungsgründe nicht zu prüfen sind. Nach dieser Vorschrift erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, wenn sein Lebensunterhalt gesichert ist. Der Kläger besaß zwar zum Zeitpunkt seiner Ausreise eine Niederlassungserlaubnis, denn die ihm am 14.05.1993 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis galt gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 AufenthG mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 01.01.2005 als Niederlassungserlaubnis fort. Zudem erfüllte der Kläger die Voraussetzung des mindestens 15 Jahre währenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet, da er sich von 1984 bis zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Jahre 2005 jeweils mit Aufenthaltserlaubnissen im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Jedoch war der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert, unabhängig davon, welcher Ansicht hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts zu folgen ist.

aa) Die Frage, auf welchen Zeitpunkt es für die Beurteilung der Lebensunterhaltssicherung ankommt, wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beantwortet. Laut Ziffer 51.2.1 der "vorläufigen Anwendungshinweise" zum Aufenthaltsgesetz müssen die in § 51 Abs. 2 AufenthG genannten Voraussetzungen bereits zum Zeitpunkt der Ausreise erfüllt sein. Das VG München sieht als maßgeblichen Zeitpunkt für die (nachträglich zu treffende) Prognose, dass der Lebensunterhalt nach einer späteren Wiedereinreise in das Bundesgebiet gesichert sein wird, ebenfalls den Zeitpunkt der Ausreise an (VG München, Urt. v. 27.11.2007, M 4 K 07.3681, juris). Teilweise wird auf den Eintritt der Erlöschensvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, also den Ablauf der Sechsmonatsfrist, abgestellt (in diesem Sinne z.B. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Febr. 2006, § 51 AufenthG Rn. 31; OVG NRW, Beschl. v. 16.01.2002, 18 B 732/01, juris, zur Vorgängervorschrift des § 44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AuslG 1990). In einigen Entscheidungen haben die Gerichte mangels Erheblichkeit im konkreten Fall ausdrücklich offen gelassen, ob es auf die Sicherung des Lebensunterhalts bei Ablauf der Frist von 6 Monaten nach Ausreise gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG oder bei Wiedereinreise ankommt (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 14.08.2006, 18 B 1392/06, juris; BayVGH, Beschl. v. 17.03.2008, 10 CS 08.397, 10 C 08.399, 10 C 08.429, juris).

Da das Gesetz das Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis an bestimmte Voraussetzungen knüpft, im Fall von § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG grundsätzlich an den Ablauf der Sechsmonatsfrist nach der Ausreise, liegt es nahe, auch das Vorliegen der Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 51 Abs. 2 AufenthG zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt zu prüfen. Gleichwohl spricht der Zweck des § 51 Abs. 2 AufenthG, nämlich eine Belastung der deutschen öffentlichen Haushalte durch die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu vermeiden (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Febr. 2006, § 51 AufenthG Rn. 31), dafür, jedenfalls auch zu verlangen, dass nach einer – nachträglich zu treffenden, aber auf den eben genannten Zeitpunkt bezogenen – Prognose der Lebensunterhalt für den weiteren Aufenthalt nach einer späteren Wiedereinreise in das Bundesgebiet gesichert ist (vgl. auch VG München, a.a.O., das aber eine Prognose auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Ausreise vorliegenden Umstände treffen will).

Letztlich ist im vorliegenden Fall aber unerheblich, ob auf den Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im April 2005 (so die Ansicht der Beklagten), auf den Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG im Oktober 2005 oder auf den Zeitpunkt der Wiedereinreise des Klägers im November 2006 abzustellen ist. Denn der Kläger hat für keinen dieser Zeitpunkte hinreichend belegt, dass sein Lebensunterhalt nach den folgenden Maßstäben gesichert war.

bb) Gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann.

Zum Lebensunterhalt gehört insbesondere auch ein ausreichender, aus eigenen Mitteln finanzierter Krankenversicherungsschutz, also eine gesetzliche Krankenversicherung oder Ersatzversicherung oder eine private Krankenversicherung mit dem Leistungsumfang, der zumindest demjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht (vgl. Funke-Kaiser , in: GK-AufenthG, Stand Jan. 2008, § 2 Rn. 52).

Nach diesen Kriterien hat der Kläger eine hinreichende Sicherung seines Lebensunterhalts nicht nachgewiesen. Denn es fehlt bereits an dem erforderlichen Krankenversicherungsschutz.