VG Berlin

Merkliste
Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 12.08.2008 - 38 V 26.08 - asyl.net: M13959
https://www.asyl.net/rsdb/M13959
Leitsatz:

Die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG tritt nicht ein, wenn der Verlängerungsantrag verspätet gestellt wird und daher die Aufenthaltserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bereits erloschen ist.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, verspäteter Antrag, Fortgeltungsfiktion, Erlöschen
Normen: AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 81 Abs. 4
Auszüge:

Die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG tritt nicht ein, wenn der Verlängerungsantrag verspätet gestellt wird und daher die Aufenthaltserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bereits erloschen ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Versagung des von der Klägerin begehrten Visums ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Soweit die Klägerin ausweislich ihrer Angaben im Visumantrag vom 9. März 2006 (Zweck des Aufenthalts: "Verheiratet") die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Ehegattennachzugs zu ihrem deutschen Ehemann begehrt, kann ihre Klage jedenfalls aus zweierlei Gründen keinen Erfolg haben: zum Einen (a) steht nach den eigenen Angaben der Klägerin fest, dass sie zumindest seit dem Jahre 2005 keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr mit ihrem deutschen Ehemann geführt hat, so dass sie sich auf Art. 6 Abs. 1 GG mangels Eheführungsabsicht jedenfalls ihres Ehemannes nicht mehr zu berufen vermag; zum Anderen (b) kommt auch keine Verlängerung der ihr zuletzt mit Gültigkeit bis zum 6. März 2006 erteilten Aufenthaltserlaubnis mehr in Betracht, weil im Zeitpunkt der Antragstellung am 9. März 2006 der von ihr angezogene Aufenthaltstitel vom 18. März 2004 bereits erloschen war.

(b) Es kommt darüber hinaus keine Verlängerung der der Klägerin am 18. Juni 2004 mit Gültigkeit bis zum 6. März 2006 erteilten Aufenthaltserlaubnis (mehr) in Betracht, da diese Aufenthaltserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit Ablauf der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels erloschen war. Zu Unrecht meint die Klägerin unter Bezugnahme auf den Beschluss des OVG NRW vom 23. März 2006 - 18 B 120/06 -, InfAuslR 2006, 448, sie könne sich angesichts der "geringfügigen Überschreitung" nach § 81 Abs. 4 AufenthG gleichwohl auf einen Fortbestand ihrer Aufenthaltserlaubnis berufen. Das Gericht vermag der angezogenen Rechtsprechung des OVG NRW nicht beizutreten, da sie dem Gesetzeswortlaut widerspricht und die dort für erforderlich erachtete und aus einer Folgenbetrachtung gewonnene Rechtsfortbildung allein dem Gesetzgeber zusteht.

Nach § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Nach der zitierten Rechtsprechung des OVG Münster greift diese Fortbestandsfiktion auch dann ein, wenn der Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels erst nach Ablauf der Geltungsdauer des Titels und damit verspätet gestellt wird, und wenn die Verspätung nur so geringfügig ist, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Ablauf der Geltungsdauer des Titels und dem Antrag gewahrt ist (so auch OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2007 – 18 B 2184/06 – und VG Darmstadt, Beschlüsse vom 29. August 2005 – 5 G 1234/05 – sowie vom 12. April 2006 – 8 G 309/06 –, alle bei juris; vgl. auch Dienelt, InfAuslR 2005, 136, und Benassi, InfAuslR 2006, 178). Demgegenüber kann jedoch nur ein noch bestehender, nicht aber ein bereits erloschener Aufenthaltstitel "verlängert" werden, so dass denknotwendig in den Fällen einer verspäteten Antragstellung vom Wortlaut des § 81 Abs. 4 AufenthG her kein Anknüpfungspunkt für eine Fortbestandsfiktion gegeben ist (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Februar 2008, Rn. 43 zu § 81). Wenn der zunächst erteilte Aufenthaltstitel erloschen ist, kommt folgerichtig nur die neue Ersterteilung eines Aufenthaltstitels in Betracht. Ferner bringt die Streichung der früher in § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG enthaltenen Worte "nach Ablauf der Geltungsdauer" durch das oben zitierte Gesetz vom 19. August 2007 den Willen des Gesetzgebers in den Fällen verspätet gestellter Anträge auf Verlängerung des Aufenthaltstitels zum Ausdruck, keine Fortbestandsfiktion eintreten zu lassen, was mit der die Antragspflicht konkretisierenden Pflicht zur Geltendmachung der eigenen Belange des Ausländers korrespondiert, zu der auch ein rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer gestellter Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels gehört (Albrecht, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, Rn. 21 zu § 81 unter Verweis auf BR-Drs. 224/07 S. 324 f.).