LSG Bayern

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Zitieren als:
LSG Bayern, Urteil vom 11.04.2008 - L 8 AY 1/06 - asyl.net: M13970
https://www.asyl.net/rsdb/M13970
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Taschengeld, Mitwirkungspflichten, Vertretenmüssen, Zurechnung, Eltern, Kinder, gesetzlicher Vertreter
Normen: AsylbLG § 1a Nr. 2
Auszüge:

Die zulässigen Berufungen sind aber unbegründet, da das SG zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 12.01.2006 die Klagen abgewiesen hat, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind.

Denn die Beklagte war berechtigt, die Bewilligung von Taschengeld für Oktober 2004 in Höhe von 50 v.H. bzw. ab 01.11.2004 in Höhe von 100 v.H. zu kürzen.

Die am 15.08.1989 bzw. 19.06.1999 geborenen Kläger sind im Besitz von Duldungen nach § 56a AuslG. Sie zählen somit zum Personenkreis des § 1 Abs.1 Nr.4 AsylbLG. Sie zählen auch zum Personenkreis des § 1 Abs.1 Nr.5 AsylbLG, denn sie sind vollziehbar ausreisepflichtig, nachdem der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seit 22.07.2004 bestandskräftig ist. Ihre Ausreise war jedoch nicht möglich, da die Eltern dem Ausländeramt der Beklagten weder einen gültigen Pass noch einen Passersatz vorgelegt haben. Das Verhalten der gesetzlichen Vertreter der Kläger in Bezug auf die Weigerung, bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten mitzuwirken, ist auch den Klägern zuzurechnen. Denn insoweit gilt der Grundsatz, dass das Verhalten des Vertreters prinzipiell dem Vertretenen zuzurechnen ist. Die durch ein missbräuchliches Verhalten der gesetzlichen Vertreter ausgelöste Anspruchseinschränkung muss in einem Familienverbund mit minderjährigen Kindern jeden, also auch die Kinder, gleich treffen. Trotz der eigenen Leistungsberechtigung der Kinder auf Grund der erteilten eigenständigen Duldung sind sie nicht losgelöst vom Familienverbund zu sehen. In Bezug auf die 1999 geborene Klägerin zu 2) ist schon auf Grund ihres Alters offensichtlich, dass sie nicht eigenständig gegenüber der Aserbaidschanischen Botschaft zur Erlangung eines Passes bzw. eines Passersatzes und zur Identitätsklärung handeln kann. Bei dem erst während des Verfahrensablaufs volljährig gewordenen Kläger zu 1) konnte während seiner Minderjährigkeit keine eigenständige Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung erwartet werden. Daraus folgt, dass es den beiden seinerzeit minderjährigen Kindern gar nicht möglich war, selbständig dafür Sorge zu tragen, dass zumindest ihnen gegenüber aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen werden, sondern sie teilen auch bei einer eigenen Leistungsberechtigung auf Grund einer eigenständigen Duldung das Schicksal des Familienverbunds, das durch das Handeln und den Willen der Sorgungsberechtigten bestimmt wurde.

Im Übrigen entspricht es bislang der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass sich minderjährige Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG das Verhalten ihrer gesetzlichen Vertreter insoweit zurechnen lassen müssen, als Art und Umfang ihres Hilfeanspruches betroffen sind (vgl. dazu VGH BW vom 14.09.1994 FEVS 46, 27; BayVGH vom 06.12.2004 Az.: 12 CE 04.3015 und vom 27.02.2002 Az.: 12 CE 01.2945; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, AsylbLG, SGB II und BKGG, 3. Auflage 2005 § 1a AsylbLG Rdnr.15 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelfall ein Missbrauch des Sorgerechts vorliegt, oder dass hier allein höchstpersönliche Mitwirkungspflichten der minderjährigen Kläger inmitten standen (vgl. dazu GK-AsylbLG, § 1a Rdnr.36), sind weder ersichtlich noch dargetan. Insbesondere ergeben sich solche auch nicht aus der Berufungsschrift vom 27.01.2006. Darauf, dass es sich bei den Leistungen nach dem AsylbLG um Individualansprüche handelt, kommt es nicht an, denn die zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen erforderliche Mitwirkungspflichten sind nicht höchstpersönlicher Natur.

Darüber hinaus ist eine vorgenommene Kürzung bzw. Einstellung der Bewilligung des Geldbetrages zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens auch schon deshalb nicht unverhältnismäßig angesichts des dauerhaften Verweigerns der Mitwirkung der Eltern am Vollzug aufenthaltsbeendigender Maßnahmen nach § 1a Nr.2 AsylbLG, weil das Taschengeld nicht vom verfassungsrechtlichen Existenzminimum umfasst ist.