VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29.09.2008 - 6 B 55/08 - asyl.net: M14004
https://www.asyl.net/rsdb/M14004
Leitsatz:

Es ist nicht Aufgabe der deutschen Rechtsprechung, im Einzelnen die Asylrechtsprechung sicherer Drittstaaten zu überprüfen und mit der deutschen Gesetzeslage und Rechtsprechung abzugleichen (hier: Dublin-Überstellung eines Yeziden aus Irak nach Schweden).

Schlagwörter: Verordnung Dublin II, Abschiebungsanordnung, Schweden (A), Jesiden, Irak, Verfahrensrecht, Drittstaatenregelung, Griechenland (A), Kettenabschiebung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Eilbedürftigkeit, Dublin II-VO, Dublinverfahren,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; GG Art. 16a Abs. 2; AsylVfG § 26a
Auszüge:

Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet.

Zwar liegt ein Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit, vor, weil der Antragsteller glaubhaft gemacht hat, dass seine Zurückschiebung nach Schweden für den 30.09.2008 vorgesehen ist.

Allerdings fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf die begehrte Regelung zusteht.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ein Sonderfall vorliegt, der nach der insoweit maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Drittstaatenregelung derartigen Rechtsschutz in Ausnahmefällen nach den allgemeinen Regeln möglich macht. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich bei den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG bzw. § 26 a AsylVfG handelt und dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention zum Schütz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist. Zudem beruht die Dublin II-Verordnung wie jede auf Art. 63 Satz 1 Nr. 1 EG-Vertrag gestützte gemeinschaftsrechtliche Maßnahme auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK sowie der EMRK in allen Mitgliedsstaaten gesichert ist (vgl. Begründungserwägung Nr. 2 und 12 der Dublin II-Verordnung und Art. 6 Abs. 2 sowie Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 lit. a EGV).

Eine Prüfung, ob der Zurückweisung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Urteil vom 14.05.1996, BVerfGE 94, 49 ff.) nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. Dabei sind an die Darlegung eines Sonderfalles strenge Anforderungen zu treffen (BVerfG, a.a.O., S. 100).

Zunächst ist es nicht Aufgabe, die Asylrechtsprechung sicherer Drittstaaten nochmals zu überprüfen und mit der dann entsprechenden deutschen Rechtsprechung bzw. deutschen Gesetzeslage "abzugleichen". Soweit der Antragsteller deshalb vorträgt, dass seine yezidische Abstammung in Schweden nicht hinreichend gewürdigt worden sei, begründet dieses Vorbringen keinen Ausnahmefall im Sinne der genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller in Schweden ein menschenrechtswidriges bzw. europäisches Recht verletzendes Verfahren droht.

Auch für eine sogenannte Kettenabschiebung nach Griechenland fehlen konkrete Anhaltspunkte. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass möglicherweise Schweden für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei oder auch Belgien. Eine Zurückschiebung von Schweden nach Griechenland wird lediglich für möglich gehalten. Dies reicht aber für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht aus. Der Antragsgegner hat auch in seiner Erwiderung vom 26.09.2008 darauf hingewiesen, dass nach Auskunft des schwedischen Liaisonbeamten vom 01.09.2008 jeder Asylbewerber die Möglichkeit habe, in Schweden einen Asylantrag zu stellen und das Asylverfahren zu durchlaufen. Nach der entsprechenden Antragstellung erfolge eine einzelfallbezogene Prüfung des jeweiligen Asylersuchens. Schweden respektiere als Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft die Non-Refoulemint-Regelungen uneingeschränkt.