VG Freiburg

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Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 12.08.2008 - A 1 K 553/08 - asyl.net: M14028
https://www.asyl.net/rsdb/M14028
Leitsatz:

Es ist einem Asylsuchenden nicht zumutbar, Schutz bei den Behörden seines Heimatstaates vor Gefahren durch nichtstaatliche Akteure zu suchen, wenn er mit Repressalien seitens der Behörden zu rechnen hat (hier: abtrünniges Mitglied einer kriminellen Bande); Art. 17 der Qualifikationsrichtlinie schließt Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nicht aus.

 

Schlagwörter: Nigeria, Kriminalität, Banden, Racheakte, Red Vultures, politische Überzeugung, Verfolgungsgrund, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Folter, menschenrechtswidrige Behandlung, ernsthafter Schaden, Anerkennungsrichtlinie, nichtstaatliche Verfolgung, Schutzbereitschaft, Zumutbarkeit, Haftbedingungen, interner Schutz, Existenzminimum, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Glaubwürdigkeit, Ausschlussgründe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 2; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. b; RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 4; RL 2004/83/EG Art. 7; RL 2004/83/EG Art. 8; RL 2004/83/EG Art. 17
Auszüge:

Es ist einem Asylsuchenden nicht zumutbar, Schutz bei den Behörden seines Heimatstaates vor Gefahren durch nichtstaatliche Akteure zu suchen, wenn er mit Repressalien seitens der Behörden zu rechnen hat (hier: abtrünniges Mitglied einer kriminellen Bande); Art. 17 der Qualifikationsrichtlinie schließt Feststellung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nicht aus.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Der mit der Klage im Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf (deklaratorische) Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 Abs. 4 AsylVfG, § 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG) steht dem Kläger allerdings nicht zu.

Die Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG zu Gunsten des Klägers scheitert zwar nicht schon daran, dass ihm Verfolgung durch eine kriminelle Bande droht. § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG bestimmt nämlich ausdrücklich, dass eine Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen kann. Selbst wenn man einen gewissen Organisationsgrad der privaten Akteure fordert (in diesem Sinn: Wenger, in: Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 60 Rdnr. 8; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 60 AufenthG/zu Abs. 1 - Verfolgungssubjekte 02/2005 Nr. 3.3, der beispielhaft von Familien, Clans oder Stämmen spricht), was allerdings wohl abzulehnen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.7.2006 - 1 C 15/05 - InfAuslR 2007, 33: § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c) AufenthG erfasst "alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere Einschränkung, namentlich also auch Einzelpersonen"), so wäre dies hier erfüllt. Nach dem, was der Kläger zu den "Red Vultures" angegeben hat, handelt es sich bei dieser Gruppe nämlich um eine im Niger-Delta operierende, organisierte und durch einen despotischen Anführer zusammengehaltene Bande, die in verschiedenste kriminelle Machenschaften bis hin zu politischen Machtkämpfen verstrickt ist.

Eine Verfolgung, die ihn zum Flüchtling nach der GFK macht, scheidet beim Kläger jedoch deshalb aus, weil die ihm durch die "Red Vultures" wegen des Versagens bei zwei Aktionen sowie dem anschließenden eigenmächtigen Lossagen von der Gruppe drohenden Verfolgungshandlungen nicht mit (flüchtlingsrechtlich relevanten) Verfolgungsgründen der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zusammenhängen. Diese auch in Art. 9 Abs. 3 QRL (i.V.m. Art. 2 c) QRL) betonte Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund wird durch kriminelle, nicht auf solche persönlichen Merkmale abzielende Akte privater Akteure nicht erfüllt. Die Vergeltungsabsichten der "Red Vultures" auslösende Entscheidung des Klägers, den Auftrag zu Jahresbeginn 2007 (Störung einer Wahlkampagne in Warri) nicht auszuführen und sich ferner von der Bande zu lösen, kann auch nicht als "politische Überzeugung" angesehen werden. Art. 10 Abs. 1 e) QRL definiert diese als eine vom Schutzsuchenden vertretene Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung in einer Angelegenheit, die die in Artikel 6 QRL genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft. Damit ist ersichtlich nicht die Meinungsverschiedenheit unter Kriminellen bzw. die Entzweiung von der Bande und einzelnen ihrer Mitglieder/Mitläufer gemeint. Schutz vor ungezielten oder zumindest willkürlichen, allgemeinen Folgen (Kriminalität, Gewalt, Hunger, Plünderungen) der Auflösung einer Staatsgewalt bzw. eines generellen Zustandes der Anarchie oder eines (Bürger-)Krieges oder sonstigen bewaffneten Konflikts bietet auch der neue § 60 Abs.1 AufenthG nicht.

II. Erfolgreich ist hingegen der Hilfsantrag des Klägers. In den Fällen, in denen Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausscheidet, kommt den Vorschriften über den gemeinschaftsrechtlichen subsidiären Schutz (Art. 15 QRL i.V.m. § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG) und den nationalen subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. EMRK, § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) selbstständige Bedeutung zu (vgl. allgemein Marx, a.a.O., Rdnrn. 125 und 126; Wenger, a.a.O., Rdnrn. 18 ff.; Armbruster, in: HTK-AuslR / § 60 AufenthG / Subsidiärer Schutz 04/2008 Nr. 1).

Der Schutzanspruch des Klägers ergibt sich aus § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 15b) QRL. Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, einen ernsthaften Schaden dadurch zu erleiden, dass er Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen wird. Für das Verfahren zur Feststellung der Voraussetzungen gelten gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 QRL und die Art. 6 bis 8 QRL. Wegen des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs sowie den insoweit bei Anträgen auf internationalen Schutz normierten Mindestnormen finden allerdings auch Absätze 1 bis 3 und 5 des Art. 4 QRL Anwendung (Marx, a.a.O., Rdnr. 125).

1.) Es besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne eines ernsthaften Risikos, dass der Kläger einen ernsthaften Schaden erleidet. Diese Repressionen drohen ihm in Gestalt von mehrtägiger Freiheitsbeschränkung, Stockschlägen, mehrtägigem Nahrungsentzug sowie schließlich Bedrohung mit dem Tod. Eine solche Behandlung hatten der Kläger und 4 weitere Bandenmitglieder bereits einmal im Dezember 2006 erlitten, nachdem sie den vom Anführer A. erhaltenen Auftrag, eine Wahlkampagne in Yenagoa gewaltsam zu stören, wegen massiver Präsenz von Sicherheitskräften nicht ausgeführt hatten. Diese Tatsache stellt überdies zugleich gemäß Art. 4 Abs. 4 QRL den ernsthaften Hinweis darauf dar, dass der Kläger tatsächlich Gefahr läuft, bei Rückkehr einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Ihm kommt folglich ein herabgestufter Prognosemaßstab (vgl. auch insoweit die zuvor zitierten obergerichtlichen Entscheidungen sowie Kommentarstelle) bzw. eine Regelvermutung für Verfolgungswiederholung zugute.

Stichhaltige Gründe, die gegen eine erneute Bedrohung sprechen, gibt es nicht.

2.) Es gibt ferner auch keine weiteren stichhaltigen Gründe, die dagegen sprechen, dass dem Kläger ein ernsthafter Schaden droht.

a.) Schutz durch den nigerianischen Staat konnte und kann der Kläger nicht in einer Art. 6 c) und 7 QRL entsprechenden Weise erlangen. Das insbesondere in Art. 7 Abs. 2 QRL genannte Erfordernis eines "Zugangs zum Schutz" macht deutlich, dass hier ein konkreter individueller Maßstab anzulegen ist. In den Blick zu nehmen ist hier insbesondere auch die Zumutbarkeit des Schutzgesuchs. Unzumutbar kann die Anbringung eines Schutzgesuchs im Einzelfall etwa sein, wenn die Gefahr besteht, dass es seinerseits Repressalien, Nötigungen, Schikanen oder Diskriminierungen durch staatliche Stellen auslöst. Gerade hiervon aber muss im Falle des Klägers ausgegangen werden. Eine Nachsuche um Schutz, die schon aus Gründen der Effektivität nur bei nigerianischen Polizeidienststellen in Betracht gekommen wäre, hätte vorausgesetzt, dass der Kläger wesentliche Einzelheiten seiner Mitwirkung bei den "Red Vultures" offenlegte, um sich als bedrohte Person zu erkennen zu geben. Damit aber hätte er zugleich heraufbeschworen, als Mitglied einer kriminellen, u.a. für Raub und Anzapfen von Ölpipelines verantwortlichen Bande festgenommen und - somit "vom Regen in die Traufe" geratend - unter den menschenrechtswidrigen Haftbedingungen eines nigerianischen Gefängnisses (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2007, Seite 22; sehr ausführlich ferner: Länderbericht des britischen Innenministeriums vom November 2007, Seiten 54 bis 56) der hohen Gefahr für Gesundheit oder gar Leben ausgesetzt zu werden. Entsprechendes gilt für den Fall einer heutigen Rückkehr, sodass vom nigerianischen Staat erwiesenermaßen kein Schutz zu erlangen war oder sein wird.

b.) Der Kläger bedarf schließlich des internationalen Schutzes auch heute weiterhin, weil ihm, obwohl "nur" Ziel der Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure, gleichwohl in Nigeria kein interner Schutz i.S.v. Art. 8 QRL zur Verfügung steht. Für die Rückkehrprognose ist entscheidend, ob ein Schutzsuchender internen Schutz finden kann. Die Anwendung der offenen Umsetzungsnorm des § 8 QRL (vgl. Abs. 1: "… können die Mitgliedstaaten feststellen …") ist durch § 60 Abs. 11 AufenthG verbindlich bestimmt worden. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL benötigt ein Antragsteller dann keinen internationalen Schutz, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL kommt es für diese Prüfung auf die am Ort des internen Schutzes bestehenden "allgemeinen Gegebenheiten" und zusätzlich auch auf die "persönlichen Umstände" des Schutzsuchenden im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an. Zur Interpretation des Begriffs der persönlichen Umstände ist auf Art. 4 Abs. 3 c) QRL zurückzugreifen, wonach die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter, bei der Entscheidung zugrunde zu legen sind. Zu fragen ist sodann auf der Grundlage dieses gemischt objektiv-individuellen Maßstabs, ob von einem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich am Ort der internen Fluchtalternative aufhält (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.10.2006 - A 3 S 46/06 -, juris). Für den Fall einer Rückkehr des Klägers in seine Heimatgegend, das Niger-Delta bzw. die Region um Warri (Bundesstaat Delta) und Yenagoa (Bundesstaat Bayelsa), liegt ein fehlender interner Schutz ganz besonders auf der Hand. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte muss nämlich davon ausgegangen werden, dass die "Red Vultures" dort im wesentlichen unverändert aktiv sind. Der Kläger war fast zwei Jahre Mitglied dieser Bande, sodass gleichfalls nichts dafür spricht, man werde ihn bei einem (zufälligen) Zusammentreffen nicht mehr wiedererkennen.

Der Kläger kann aber auch nicht darauf verwiesen werden, an einem anderen Ort innerhalb der Bundesstaaten Delta oder Bayelsa oder in einem anderen der übrigen 34 nigerianischen Bundesstaaten Zuflucht zu suchen. Es ist zwar überaus unwahrscheinlich, dass er dort von den "Red Vultures", die nach seinen Angaben etwa 30 bis 40 Mitglieder umfassen, entdeckt werden könnte; es spricht nämlich nichts dafür, dass diese Gruppe auch außerhalb des Niger-Deltas aktiv ist. Gleichwohl ist ein Aufenthalt auch in anderen Landesteilen dem Kläger nicht zumutbar. Im Rahmen des Art. 8 Abs. 2 QRL sind nicht nur die allgemeinen Gegebenheiten sondern auch die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung zu berücksichtigen. Das Gericht ist der Überzeugung, dass diese letztgenannte Umstände es dem Kläger unmöglich machen, in Nigeria Fuß zu fassen. Auch wenn er die Schule besucht hat, so war es ihm in der Vergangenheit nicht möglich, seinen Lebensunterhalt durch eine legale Tätigkeit zu bestreiten.

Dass diese allgemeinen Gegebenheiten und insbesondere persönlichen Umstände des Klägers so im wesentlichen auch am Herkunftsort bestünden, ist unerheblich. Art. 8 QRL mutet dem Antragsteller nur dann die Vorenthaltung internationalen Schutzes zu, wenn vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in einem anderen Teil seines Herkunftslandes aufhält, wo ihm (keine Gefahr eines ernsthaften Schadens und) keine existenzielle Gefährdung droht. Für die Gewährung von internationalem Schutz unerheblich ist, ob diese Gefährdung an seinem Herkunftsort in gleicher Weise besteht (so jetzt ausdrücklich BVerwG, Urteile vom 29.5.2008 - 10 C 10.07, 10 C 11.07 und 10 C 12.07 – bislang nur Pressemeldung auf der Homepage des BVerwG).

3.) Der den zuvor dargestellten rechtlichen Erwägungen zu Grunde gelegte Sachverhalt ist das Ergebnis einer am Maßstab des Art. 4 QRL erfolgten individuellen Prüfung der Ereignisse und Umstände.

a.) Soweit das Gericht dabei die eigenen Angaben des Klägers zugrunde gelegt hat, waren diese i.S.v. Art. 4 Abs. 5 QRL substantiiert, kohärent und plausibel sowie ohne wesentliche Widersprüche; ferner bestehen an der Glaubwürdigkeit des Klägers keine Zweifel.

Der Bewertung der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Klägers legt das Gericht auch seine ausführlichen Angaben im Rahmen der therapeutischen Behandlung durch die Psychologische Psychotherapeutin des Deutschen Roten Kreuzes, Frau S., zu Grunde (vgl. den im Rahmen einer "Narrative Exposure Therapy" – NET - erstellten ausführlichen Lebenslauf, GAS. 95 bis 112). An der Diagnose einer PTBS hegt das Gericht keine Zweifel. Traumabedingte Störungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen können auch mit jahrelanger Latenz auftreten (vgl. ausführlich: VG Stuttgart, Urt. v. 14.1.2008 - A 11 K 4941/07 -, juris), so dass die in der Stellungnahme von Frau S. vom 10.4.2008 (GAS. 33 ff.) erfolgte diagnostische Feststellung, der Kläger habe bereits im Frühjahr 2003 (Unruhen im Heimatdorf und Tod der Mutter) ein Trauma erlitten, welches später durch Erlebnisse in der kriminellen Gang reaktualisiert worden sei, keinen Bedenken begegnet. Das, was der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt, im Rahmen der therapeutischen Gespräche sowie schließlich gegenüber dem Gericht in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, ist im wesentlichen konstant geblieben und hat stets die Kernerlebnisse erkennen lassen. Soweit im Rahmen der Therapie erhebliche Details hinzugekommen sind, stellt das keine schädliche Steigerung dar, sondern es erklärt sich aus dem zeitlich und persönlich weitaus intensiveren Ausmaß dieser Gespräche beim Deutschen Roten Kreuz. Auf das Gericht hat der Kläger in jedem Moment den Eindruck eines Menschen gemacht, der das, was er berichtet, auch erlebt hat.

An dieser Würdigung der individuellen Schilderung ändert sich auch nichts dadurch, dass gewisse Widersprüche aufgetreten sind. Was die Unstimmigkeit von Daten angeht (Einstieg bei den "Red Vultures" im Jahr 2005 [Angabe beim Bundesamt] oder im Dezember 2004 [Angabe in der Therapie]; Störungsaktion in Warri Ende Januar 2007 [Angaben beim Bundesamt und vor Gericht] oder Februar 2007 [Angabe in der Therapie]), kann dies angesichts geringfügigem Abweichen, vor allem aber wegen der bei Datumsangaben nicht unüblichen Erinnerungsschwierigkeiten dem Kläger nicht entgegengehalten werden. Aber auch der an sich erheblichste Widerspruch im Zusammenhang mit der Ausreise aus Nigeria beeinträchtigt die Glaubhaftigkeit seiner Angaben oder gar die generelle Glaubwürdigkeit des Klägers nicht. Im Gegenteil reiht sich die überaus detaillierte Darstellung, die er in der Therapie und dann vor dem Gericht gegeben hat – anders als die Aussage beim Bundesamt, alles sei von einem unbekannten Helfer organisiert worden, ohne dass er (der Kläger) etwas habe zahlen müssen - plausibel in seine übrigen Darstellungen ein. Danach traf er bei seiner Flucht im Raum Yenagoa auf Schlepper, die ihn nur gegen Geld Hilfe beim Verlassen des Landes anboten. Geld aber – aufbewahrt bei einer Bekannten – hatte der Kläger aus der Zeit seiner Mitwirkung bei den "Red Vultures".

b.) Das Schicksal des Klägers und die Rückkehrprognose fügen sich schließlich auch plausibel in die mit Nigeria "verbundenen Tatsachen" (vgl. Art. 4 Abs. 3 a) QRL) ein.

4.) Es liegen schließlich auch keine Gründe vor, die den Kläger von der Gewährung von Abschiebungsschutz ausschließen würden. Der Anspruch nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wird nicht vom Ausschlussgrund in § 60 Abs. 8 und 9 AufenthG erfasst. Auch Art. 17 QRL steht der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht entgegen. Art. 17 Abs. 1 QRL ist vom Gesetzgeber nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden und gehört auch nicht zu den Vorschriften der Qualifikationsrichtlinie, die nach § 60 Abs. 11 AufenthG auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG anwendbar sind. Eine unmittelbare Anwendbarkeit der Qualifikationsrichtlinie zu Lasten eines Schutzsuchenden ist nicht möglich (vgl. zum Vorstehenden: Armbruster, a.a.O., Nr. 8. m.w.N.). Im übrigen würde der Kläger aber auch keinen der Tatbestände des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen.