Familienangehörige i.S.d. § 7 Abs. 1 AsylbLG sind nur Ehegatte und minderjährige Kinder des Leistungsberechtigten, so dass das Einkommen sonstiger Familienangehöriger (hier: Vormund) nicht angerechnet wird; ein Bescheid muss den Adressaten erkennen lassen; richtet sich der Bescheid an den gesetzlichen Vertreter, muss dies im Adressfeld zum Ausdruck gebracht werden.
Familienangehörige i.S.d. § 7 Abs. 1 AsylbLG sind nur Ehegatte und minderjährige Kinder des Leistungsberechtigten, so dass das Einkommen sonstiger Familienangehöriger (hier: Vormund) nicht angerechnet wird; ein Bescheid muss den Adressaten erkennen lassen; richtet sich der Bescheid an den gesetzlichen Vertreter, muss dies im Adressfeld zum Ausdruck gebracht werden.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Eilantrag ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet.
Zu Unrecht ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass die Einkünfte von Frau ... und ihrer Tochter nach dem SGB II als Einkommen anzusehen sind, das auf die Ansprüche des Antragstellers nach § 3 AsylbLG anzurechnen ist.
Nach § 7 Abs. 1 AsylbLG sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach dem AsylbLG aufzubrauchen.
Fraglich ist insoweit bereits, ob Frau ... und ihre Tochter Familienangehörige des Antragstellers im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind.
Der Begriff des Familienangehörigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ist streitig. Der insoweit vertretenen engen Auffassung zu Folge sind hiervon nur der Ehegatte und die minderjährigen Kinder des Leistungsberechtigten erfasst, während nach dem weiten Verständnis des Begriffes - über den Ehegatten und die minderjährigen Kinder hinaus - alle Verwandten und Verschwägerten der Leistungsberechtigten gleich welchen Grades erfasst sein sollen (vgl. zuletzt Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.06.2007, L 7 AY 80/06). Für den weiten Begriff des Familienangehörigen hat sich zunächst das Oberverwaltungsgericht NRW (Urteil vom 01.03.2004, Az.: 12 A 3543/01) ausgesprochen und zur Begründung ausgeführt, das AsylbLG definiere den Begriff des Familienangehörigen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nicht. Für die weite Auslegung, die über die Ehegatten oder minderjährigen Kinder hinaus auch weitere Angehörige des Leistungsberechtigten umfasse sprächen § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 und der 1998 eingefügte § 1 a AsylbLG. Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG 1993 bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG 1997 nur Ehegatten oder minderjährige Kinder eines leistungsberechtigten Ausländers nenne, könne nicht geschlossen werden, dass das AsylbLG generell nur diesen Personenkreis meine, wenn es von Familienangehörigen spreche. Wenn dem so wäre, hätte es des Zusatzes "im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 3" in § 2 Abs. 2 AsylbLG 1993 bzw. "nach § 1 Abs. 1 Nr. 6" in § 1 a AsylbLG 1998 nicht bedurft. Das der Gesetzgeber diesen Zusatz für erforderlich gehalten habe, zeige, dass er von einem weiter gefassten Begriffsverständnis des Angehörigen ausgegangen sei. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch würden als Familienangehörige auch Verwandte, wie die Großeltern oder Onkel und Tante sowie Schwager und Schwägerin bezeichnet, wenn auch unter Familie nicht selten die aus Eltern und ihren minderjährigen Kindern bestehende kleine Familie verstanden werde. Auch im Zusammenhang anderer gesetzlicher Bestimmungen werde der Begriff des Familienangehörigen im weiteren Sinne verstanden. Zudem müsste der Gesetzeszweck, Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Bundessozialhilfegesetz herabzustufen und strengeren Beschränkungen zu unterwerfen, auch bei der Auslegung des § 7 AsylbLG Rechnung getragen werden.
Diesen und weiteren Erwägungen des OVG Nordrhein-Westfalen ist das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom 19.06.2007 (L 11 AY 80/06) überzeugend entgegengetreten. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat insoweit maßgeblich auf die Entstehungsgeschichte des AsylbLG abgestellt. Es hat darauf hingewiesen, dass die Vorläuferregelungen zum AsylbLG in § 120 BSHG a. F. geregelt gewesen sei, so dass auch der dem BSHG zugrunde liegende Familienbegriff maßgebend sei. § 120 habe Leistungen für die aus den Eltern und ihren minderjährigen Kindern bestehende Bedarfsgemeinschaft vorgesehen, also den engen Familienbegriff zugrunde gelegt. Auch nach § 19 Abs. 1 SGB XII sei der Kreis der im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigenden Personen auf die nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und die zum Haushalt gehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder beschränkt. Volljährige Kinder oder sonstige Verwandte seien von dieser Regelung nicht erfasst. Der Gesetzgeber habe es unterlassen, durch die Formulierung im § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG oder durch tragfähige Ausführungen in den Gesetzesbegründungen hinreichend deutlich zu machen, dass er im Gegensatz zu den sozialhilferechtlichen Regelungen von einem weiten Begriff des Familienangehörigen in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG im Rahmen der Bedarfs- bzw. Einstandsgemeinschaft ausgehen wolle. Der enge Begriff der Familienangehörigen widerspreche auch nicht den mit dem AsylbLG verfolgten Zweck, etwa den Anreiz zur Einreise von Ausländern aus wirtschaftlichen Gründen zu verringern, ein eigenes Konzept zur Sicherung des Lebensbedarfs zu entwickeln und Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen. Die deutlich unter das Sozialhilfeniveau abgesenkten Leistungen, der Vorrang von Sachleistungen im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach § 3, die weitgehend ungeschützte Anrechnung von Einkommen und Vermögen nach dem AsylbLG unterschieden sich auch dann noch erheblich von den Regelungen des Sozialhilferechts, wenn der Gesetzesanwendung des § 7 AsylbLG ein enger Familienbegriff zugrunde gelegt werde. Es sei daher nicht zutreffend, wenn das OVG NRW davon ausgehe, dass unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes eine weite Auslegung des Familienangehörigenbegriffes in § 7 geboten sei.
Dieser Auffassung schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung und Überzeugung an und gelangt im vorliegenden Fall zu der Schlussfolgerung, dass Frau ... nicht als Familienangehörige des Antragstellers im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 anzusehen ist. Das sie sich bereit erklärt hat, die Vormundschaft für den Antragsteller zu übernehmen, weil dessen Eltern mutmaßlich ums Leben gekommen sind, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Anderenfalls würde die Bereitschaft, für ein elternloses Kind die Vormundschaft zu übernehmen, in der hier vorliegenden Konstellation dazu führen, dass die Leistungen des Haushaltes vom Niveau der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für sämtliche Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft auf das Niveau der Asylbewerberleistungen nach § 3 herabgesenkt würden. Dies dürfte mit dem Gesetzeszweck der §§ 3 und 7 unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Vormundschaftsrechtes, das nicht zu einer Elternschaft führt, nicht vereinbar sein. Durch die Vormundschaft wird Frau ... den Eltern des Antragstellers nicht in vollem Umfang gleichgestellt. Dass sie bereit ist, sich eines minderjährigen Kindes anzunehmen, dessen Eltern mutmaßlich ums Leben gekommen sind, darf nicht dadurch sanktioniert werden, dass ihre Sozialleistungen auf das Niveau des AsylbLG herabgesetzt werden. Eine andere Auslegung würde die Gefahr heraufbeschwören, dass es zu der gesellschaftlich erwünschten Übernahme einer Vormundschaft erst gar nicht kommt bzw. eine solche abgebrochen wird. Ist Frau ... aber nicht Familienangehörige des Antragstellers im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 des AsylbLG, können ihre Einkünfte nach dem SGB II die Ansprüche des Antragstellers aus § 3 Abs. 1 AsylbLG nicht mindern.
Es liegt auch ein Anordnungsgrund im Sinne einer Eilbedürftigkeit vor, weil es dem Antragsteller mit dem ihm zuerkannten Betrag von 6,99 EUR monatlich nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass die von der Antragsgegnerin erlassenen Bescheide einschließlich des Widerspruchsbescheides unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitserfordernisses erheblichen rechtlichen Bedenken begegnen. Die Bescheide sind insofern unbestimmt, als sie hinsichtlich ihres Adressaten unklar und widersprüchlich abgefasst sind.
Sämtliche Bescheide sind an Frau ... gerichtet, ohne dass auch nur ansatzweise deutlich gemacht wird, dass sie in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers angesprochen wird. Sie selbst wird als Antragstellerin und Widerspruchsführerin bezeichnet, was sich unter Berücksichtigung des im Eilverfahren nachgeschobenen Vortrages der Antragsgegnerin, die Bescheide sollten sich an den Antragsteller, vertreten durch Frau ... richten, nicht vereinbar ist. Denn wenn dem Antragsteller Leistungen gewährt werden sollten, so ist dieses im Bescheid auch unbedingt so zu formulieren. Im Adressfeld ist zu dem deutlich zu machen, dass andere Personen in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreter und nicht als Antragsteller oder Widerspruchsführer angesprochen werden. Alles andere beschwört die Gefahr herauf, dass für die Bescheidempfänger nicht klar ist, ob sich die Leistungsbewilligung an sie selbst oder an Dritte richtet. Dies ist mit dem Erfordernis nicht vereinbar, dass behördliche Bescheide auch und gerade hinsichtlich ihres Adressatenkreises bestimmt abgefasst werden müssen.
Die Einlassung der Antragsgegnerin, dies könne mit den verwendeten EDV-Programmen nicht bewerkstelligt werden, muss mit Unverständnis und Erstaunen zur Kenntnis genommen werden. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, dass die heutzutage verwendeten EDV-Programme es nicht zulassen, im Adressfeld eine Eintragung dahingehend vorzunehmen, dass der Adressat in Gestalt seines gesetzlichen Vertreters angesprochen wird. Zum anderen wird nicht ernsthaft vertreten werden können, dass gesetzliche Anforderungen durch die Unzulänglichkeiten verwendeter EDV-Programme in Frage gestellt werden können. Notfalls wird eine manuelle Änderung erfolgen müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu genügen. Keinesfalls darf es aber bei der bisherigen Praxis bleiben.