LG Berlin

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Zitieren als:
LG Berlin, Beschluss vom 04.09.2008 - 84 T 341/08 B - asyl.net: M14053
https://www.asyl.net/rsdb/M14053
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Antrag, Antragserfordernis, Ausländerbehörde, Nachholung, sofortige Wirksamkeit, Kostenerstattung, Entziehungsabsicht, Schlepper, Straftat
Normen: FEVG § 3; FEVG § 8 Abs. 1; FEVG § 16; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2 Nr. 5
Auszüge:

Die nach §§ 106 Abs. II AufenthG, 3 S. 2, 7 Abs. I und II FEVG, 21, 22 FGG zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. (a) Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil Abschiebehaft nicht über einen längeren Zeitraum als beantragt verhängt worden darf (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2002, 8 Wx 32/02).

In der Freiwilligen Gerichtsbarkeit besteht nur im sog. "Amtsverfahren" keine Bindung an Anträge. In Antragssachen jedoch, in denen die Einleitung des Verfahrens von der Stellung eines Antrags abhängt und eine Verfahrenseröffnung von Amts wegen ausgeschlossen ist, darf das Gericht ebenso wie in Streitsachen keine über den Antrag hinausgehende Entscheidung treffen. Das Gericht ist in Antragssachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ebenso wie im Zivilprozess an den Antrag gebunden (vgl. OLG Brandenburg a.a.O., m.w.N.).

Die Freiheitsentziehung nach § 3 FEVG setzt einen Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde voraus.

Auf den Antrag, Sicherungshaft für sechs Wochen, hilfsweise die einstweilige Freiheitsentziehung für denselben Zeitraum anzuordnen, durfte nicht Sicherungshaft für die Dauer von drei Monaten angeordnet werden.

(b) Der Haftantrag ist auch nicht erweitert und in der Beschwerdeinstanz insoweit nachgeholt worden, obwohl mit der Beschwerdegründung gerügt worden war, dass das Amtsgericht über den Haftantrag hinaus Haft angeordnet hat. Dies wäre zulässig gewesen (vgl. Bayerischen Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 14.08.1991 BReg 3 Z 122/91, für einen Fall, in dem ein im ersten Rechtszug unterbliebener Haftantrag erst im Beschwerdeverfahren gestellt wurde).

(c) Da die Haftanordnung vom Haftantrag nicht gedeckt ist, ist der Betroffene umgehend zu entlassen.

Nach § 8 Abs. 1 S. 2 FEVG war wegen der überragenden Bedeutung des geschützten Rechtsgutes der persönlichen Freiheit die sofortige Wirksamkeit anzuordnen.

2. Eine Kostenerstattung wird jedoch nicht angeordnet, da im Zeitpunkt der Antragstellung ein begründeter Anlass vorlag, § 16 FEVG entsprechend.

Es lagen Haftgründe vor.

Auch der Haftgrund des § 62 Absatz 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG ist gegeben.

Danach ist ein Ausländer in Sicherungshaft zu nehmen. wenn der begründete Verdacht besteht, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Dies ist der Fall, wenn aufgrund konkreter Äußerungen oder Verhaltensweisen des Betroffenen die Gefahr besteht, er werde seine Abschiebung in einer Weise behindern, welche nicht durch einfachen Zwang überwunden werden kann (vgl. KG NVwZ-Beilage 611995, 61). Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die Gefahr, dass der Betroffene sich verbergen wird, um sich der Abschiebung zu entziehen, besteht schon deshalb, weil er in der Bundesrepublik Deutschland keinen Wohnsitz und keine sozialen Bindungen hat (vgl. BayObLGZ 1991, 72/77, 1988, 382/384; BayObLG InfAuslR 1991, 345/346; KG NJW 1966, 1624). Die Entziehungsabsicht des Betroffenen folgt auch aus dem Umstand, dass dieser - nach eigenen Angaben - zum zweiten Mal unter Inanspruchnahme eines Schleppers in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (vgl. auch KG, Beschluss vom 21. Juni 1999 - 25 W 4981/99 - ; BayObLG, InfAuslR 7/8 / 2001, S. 343), das an den Schlepper gezahlte Geld wäre bei einer Ausreise für den Betroffenen verloren. Daraus folgt, dass der Betroffene nichts unversucht lassen wird, um diesen finanziellen Aufwand nicht als vergeblich erscheinen zu lassen. Der gesamte Aufwand wird von den geschleusten Personen in aller Regel betrieben, um einen dauernden, jedenfalls aber längeren Aufenthalt in Deutschland möglich zu machen. Auch seine illegale Wiedereinreise nach seiner freiwilligen Ausreise und seine zahlreichen alias-Personalien zeigen, dass er nichts unversucht lässt, um dauerhaft in Deutschland bleiben zu können.

Er ist auch bereits strafrechtlich u.a. wegen mittelbarer Falschbeurkundung und Vergehens gegen das AufenthG in Erscheinung getreten und zu einer Geldstrafe verurteilt worden und hat sich im Jahr 2008 nach seiner Entlassung aus Strafhaft vom 07.03.2008, wo er deswegen eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte, nicht an die Auflage der Ausländerbehörde gehalten, dort vorzusprechen und konnte nur zufällig in Berlin festgenommen worden.