VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 26.08.2008 - 22 K 469/07.A - asyl.net: M14065
https://www.asyl.net/rsdb/M14065
Leitsatz:

Verfolgungsgefahr im Iran wegen Konversion zum Christentum in Deutschland; beruht die Durchführung eines Folgeverfahrens auf einer Änderung der Rechtslage (hier: Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie), steht § 28 Abs. 2 AsylVfG der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen.

 

Schlagwörter: Iran, Folgeantrag, Änderung der Rechtslage, Anerkennungsrichtlinie, Umsetzung, religiös motivierte Verfolgung, Religion, religiöses Existenzminimum, Konversion, Apostasie, Christen, Missionierung, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 71 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. b; AsylVfG § 28 Abs. 1a; AsylVfG § 28 Abs. 2
Auszüge:

Verfolgungsgefahr im Iran wegen Konversion zum Christentum in Deutschland; beruht die Durchführung eines Folgeverfahrens auf einer Änderung der Rechtslage (hier: Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie), steht § 28 Abs. 2 AsylVfG der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes vom 29. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG abgelehnt worden ist (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO).

Entgegen der Ansicht der Beklagten liegen zunächst die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines werteren Asylverfahrens vor. Die Möglichkeit einer die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der heute geltenden Fassung feststellenden Entscheidung ergibt sich auf Grund einer Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. VwVfG. Nach Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens fand die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EG Nr. L 304 S. 12 vom 30 September 2004, im Folgenden: Richtlinie) wegen ihrer (damaligen) Nichtumsetzung in nationales Recht seit dem 11. Oktober 2006 im Bundesgebiet unmittelbar Anwendung. Durch Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), wurde die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. So sind nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in der seit dem 28. August 2007 geltenden Fassung für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, nunmehr Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 der Richtlinie ergänzend anzuwenden. Hiernach hat sich die Rechtslage nachträglich zu Gunsten des zum Christentum konvertierten Klägers geändert, da der Schutzbereich der Religionsausübung weiter gefasst ist als noch im Urteil des erkennenden Gerichts vom 14. Juli 2004 - 5 K 1338/04.A - zu Grunde gelegt. So erfasst der Religionsbegriff des Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie über den häuslich-privaten und nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich hinaus auch etwa die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich. Diese neue Rechtslage eröffnet gerade auch für den Kläger die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung, weil ihm - wie näher auszuführen sein wird - im Falle einer religiösen Betätigung im Iran Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie drohen.

Nach dieser neuen Rechtslage hat der Kläger Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. 60 Abs. 1 AufenthG, weil ihm im Falle einer Rückkehr in den Iran wegen seines christlichen Glaubens politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dieser Prüfungsmaßstab ist zu Grunde zu legen, weil der Kläger nach den nicht erneut angegriffenen Feststellungen des Urteils des erkennenden Gerichts vom 14 Juli 2004 - 1338/04.A - seinen Heimatstaat uriverfolgt verlassen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 1992, 9 C 21.92 -, NVwZ 1993, S. 486 m.w.N. sowie BVerwG, Urteil vom 20. März 2007 - 1 C 21.96 -).

Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie maßgebend. Hiernach umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigung oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter religiösen Riten die in einer Religionsgemeinschaft üblichen oder geregelten Praktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiösen Lebensführung dienen, insbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiöse Feste (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20. November 2007 - 10 AS 70/06 - InfAuslR 2008; OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007 - 1 A 222/07 -, InfAuslR 2008, 183).

Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie umfasst somit nicht nur das offene, nicht nur an die Mitglieder der eigenen Religionsgemeinschaft gewandte Bekenntnis der persönlichen religiösen Überzeugung, sondern auch die Darstellung ihrer Verheißungen und damit auch missionarische Betätigung (vgl. Bayr. VGH, Urteil vom 23. Oktober 2007 - 14 B 06.30315 -, InfAuslR 2008, 101).

Die Vorschrift geht damit ihrem eindeutigen Wortlaut nach über den Schutz hinaus, der nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Begriff des "religiösen Existenzminimums" zuerkannt wurde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143, 158 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1995 - 9 C 279.94 -, NVwZ 1996, 82 sowie Urteil vom 20. Januar 2004 - 1 C 9/03, BVerwGE 120, 16 ff. = NVwZ 2004, 1000 ff.)

Die Garantien des Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie gelten für Konvertiten, die ihren Glauben aus religiöser Überzeugung gewechselt haben, in gleichem Umfang wie für Gläubige, die ihre durch Geburt erworbene Religion beibehalten. Aufgrund des weitgehenden Schutzbereichs des Art. 10 Abs. 1 b der Richtlinie kann den Mitgliedern der jeweiligen Religionsgemeinschaft auch nicht angesonnen werden, öffentliche Glaubensbetätigungen bzw. Praktiken, die nach dem Verständnis der jeweiligen Religion bzw. Weltanschauung, aber auch nach dem des einzelnen Flüchtlings von grundlegender Bedeutung sind, zu unterlassen, um keine entsprechend vorgesehenen Sanktionen herauszufordern (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 20. November 2007 a.a.O., Bay. VGH, Urteil vom 23. Oktober 2007, a.a.O. sowie zu den vorstehenden Ausführungen insgesamt VG Stuttgart, Urteil vom 21. Januar 2006 - A 11 K 552/07 -, juris).

Aus der Notwendigkeit der gerichtlichen Überzeugungsbildung über eine geltend gemachte religiöse Verfolgungsgefährdung ist jedenfalls bei einem Konvertiten eine eingehende Prüfung der inneren, religiös-persönlichkeitsprägenden Beweggründe für einen vorgenommenen Glaubenswechsel erforderlich. Nur wenn verlässlich festgestellt werden kann, dass die Konversion auf einer glaubhaften Zuwendung zum christlichen Glauben im Sinne einer ernsthaften Gewissensentscheidung auf einen ernstgemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung und nicht lediglich bloßen Opportunitätsgründen beruht, kann davon ausgegangen werden, dass ein Verschweigen, Verleugnen, oder die Aufgabe der neuen Glaubenszugehörigkeit zur Vermeidung staatlicher oder nichtstaatlicher Repressionen im Heimatland den Betroffenen grundsätzlich und in aller Regel unter Verletzung seiner Menschenwürde existentiell und in seiner sittlichen Person treffen würde und ihm deshalb nicht zugemutet werden kann. Nur bei einem in diesem Sinne ernsthaften Glaubenswechsel kann das Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass der schutzsuchende Ausländer bei einer Rückkehr in sein islamisches Heimatland von seiner neuen Glaubensüberzeugung nicht ablassen könnte (vgl. hierzu: OVG Saarland, Urteil vom 26. Juni 2007, a.a.O.).

Gemessen daran ist das Gericht davon überzeugt, dass die Konversion des Klägers zum evangelischen-lutherischen Glauben ernsthaft und dauerhaft ist. Die Hinwendung des Klägers zum Christentum ist das Ergebnis einer längeren Entwicklung, die zwei bis drei Monate nach seiner Einreise begann und im April 2004 in die Taufe mündete. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger lebensnah und überzeugend geschildert, wie er zufällig Kontakt zu einer Iranerin christlichen Glaubens bekam, die ihn als überzeugten Moslem gegen seine Überzeugung mit den Christentum bekannt machte und wie er anschließend durch den Kontakt mit mehrerer Pfarrern zu der Entscheidung kam, sich taufen zu lassen.

Aus den der Kammer vorliegenden einschlägigen Erkenntnissen sachverständiger Stellen ergibt sich, dass konvertierte Muslime seit über zwei Jahren öffentliche christliche Gottesdienste nicht mehr besuchen können, ohne sich der Gefahr auszusetzen, festgenommen und möglicherweise unter konstruierten Vorwürfen zu Haftstrafen verurteilt zu werden. Auch die Ausübung des Glaubens im privaten Bereich in Gemeinschaft mit anderen ist nicht mehr gefahrlos möglich (vgl. hierzu: Auskunft des Deutschen Orient-Institutes vom 24. Juni 2005 (279) an das VG Münster, Bundesamt (BA), Sonderbericht über die Situation christlicher Religionsgemeinschaften in der Islamischen Republik Iran von Januar 2005; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Themenpapier zu Christen und Christinnen im Iran, 18. Oktober 2005; Open Doors, Weltverfolgungsindex, Iran, www.opendoors.de.org, sowie die ausführliche Dokumentation von annnesty international vom 7. Januar 2008 an das VG Mainz über die Situation freikirchlich evangelikaler Christen in Iran seit 2004).

Zum Hintergrund dieser Entwicklung ist festzuhalten, dass die Hinwendung zum christlichen Glauben und die christliche Missionstätigkeit im Iran nicht deshalb verfolgt werden, weil die Ausübung der persönlichen Gewissensfreiheit und die rein persönliche, geistig-religiöse Entscheidung für einen anderen Glauben bekämpft werden sollen. Bekämpft werden soll die Apostasie vielmehr, soweit sie als Angriff auf den Bestand der Islamischen Republik Iran gewertet werden kann. Der politische Machtanspruch der im Iran herrschenden Mullahs ist absolut. Dieser Machtanspruch ist religiös fundiert. d.h. die iranischen Machthaber verstehen die Ausübung der politischen Macht als gleichsam natürliche Konsequenz ihrer Religion. Deshalb ist - weil dies den Gesetzen des Islam entspricht - religiöse Toleranz der jüdischen und christlichen Religionsgemeinschaften solange vorgesehen, wie deren Angehörige sich dem unbedingten religiösen und politischen Herrschaftsanspruch unterwerfen. Ein Ausbreiten dieser (Buch-) Religionsgemeinschaften in das "muslimische Staatsvolk" hinein kann demgegenüber den im Iran bestehenden Führungsanspruch der Mullahs in Frage stellen. Letztere differenzieren nämlich nicht zwischen Politik und Religion und übertragen diese Gleichsetzung auf andere Religionsgemeinschaften, denen sie unterstellen, ebenfalls Politik im religiösen Gewande zu betreiben (vgl. Deutsches Orient-Institut, Auskunft vom 6. Dezember 1996 an das Sächs. OVG; Auskunft vom 22. November 2004 an das VG Kassel; Auskunft vom 11. Dezember 2003 an das VG Wiesbaden; Auskunft vorn 20. Dezember 1996 an das VG Leipzig).

Dem Sonderbericht des Bundesamtes über die Situation christlicher Religionsgemeinschaften im Iran von Januar 2005 zufolge soll sich die Situation der "Assembly of God" nach der Ermordung von fünf Priestern zwischen 1990 und 1996 unter der Präsidentschaft Khatamis zwar zunächst deutlich entspannt haben. Seit 2001 sei sogar offen missioniert worden. Im Sommer 2004 wurden jedoch bei einem Treffen von Referenten und Priestern in Karaj 86 Personen festgenommen und inhaftiert. 78 Personen wurden nach kurzer Befragung am gleichen Tag entlassen, die restlichen zehn Personen wurden über 72 Stunden zu Zusammensetzung, Kreis der Angehörigen und Arbeitsweise der Gemeinde befragt. Unter den Inhaftierten war auch der Priester Pourmand, der weiter inhaftiert blieb. Seit diesem Ereignis werden keine Taufen von Muslimen vorgenommen und ehemalige Muslime besuchen keine Gottesdienste mehr. Hinzu kommt, dass im Mai 2004 die Familie des Pastors Yusefi in Chalous anlässlich eines privaten Treffens mit zwölf Gläubigen inhaftiert worden ist. Die Familie ist zwar nach zehn Tagen wieder entlassen worden, der christliche Hauskreis wurde aber aufgelöst, und Herr Yusefi musste seine Tätigkeit als Priester einstellen.

Diese Erkenntnisse werden durch die Angaben im Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Christen und Christinnen im Iran vom 18. Oktober 2005 bestätigt. Aus diesem Papier ergibt sich darüber hinaus, dass die Mitglieder evangelikaler Gemeinden gezwungen werden, Ausweise bei sich zu tragen. Zusammenkünfte sind nur sonntags erlaubt und teilweise werden die Anwesenden von Sicherheitskräften überprüft. Die Kirchenführer sollen vor jeder Aufnahme von Gläubigen das Informationsministerium und die islamische Führung benachrichtigen. Kirchenoffizielle müssen ferner Erklärungen unterschreiben, dass ihre Kirchen weder Muslime bekehren noch diesen Zugang in die Gottesdienste gewähren. Konvertiten müssen, sobald der Übertritt Behörden bekannt wird, zum Informationsministerium, wo sie scharf verwarnt werden. Durch diese Maßnahmen soll muslimischen Iranern der Zugang zu den evangelikalen Gruppierungen versperrt werden. Sollten Konvertiten jedoch weiter in der Öffentlichkeit auffallen, beispielsweise durch Besuche von Gottesdiensten, Missionsaktivitäten oder ähnlichem, können sie mit Hilfe konstruierter Vorwürfe wie Spionage, Aktivitäten illegaler Gruppen oder anderen Gründen vor Gericht gestellt werden. Als Beispiel solcher staatlicher Willkür wird der Fall des bereits 1980 konvertierten Moslems Pourmand angeführt. Er wurde, wie oben ausgeführt, anlässlich der Zusammenkunft in Karaj im Sommer 2004 verhaftet und später wegen Handlungen gegen die nationale Sicherheit und wegen Verschleierung der Religionszugehörigkeit angeklagt. Trotz entlastender Beweise wurde er zu drei Jahren Haft verurteilt. Verschiedene Gerichtsangestellte äußerten im Februar 2005, dass Pourmand Angehöriger einer Untergrundkirche sei. Der Sprecher der iranischen Justiz gab demgegenüber im Mai 2005 an, Pourmand werde wegen Mitgliedschaft in einer politischen Gruppierung während seiner Armeezeit bestraft.

Dem Themenpapier zufolge werden darüber hinaus in neuerer Zeit mehrfach protestantisch-freikirchliche Treffen aufgelöst mit der Begründung, es handle sich um politisch illegale Gruppierungen. Konvertiten seien ferner wegen der Vermutung einer regimekritischen Haltung in erhöhtem Maße gefährdet.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Auskunftslage die Verfolgungssituation der genannten protestantischen Gemeinden im Iran möglicherweise nur unvollständig wiedergibt. Einer Auskunft von amnesty international zufolge stehen die christlichen Gemeinden unter starkem Druck und geben keine genaue Auskunft über ihre Situation, um jede öffentliche Aufmerksamkeit zu vermeiden (vgl. Auskunft an das Sächs. OVG vom 21.07.2004).

Nach dem aktuellen "Weltverfolgungsindex" der Organisation "Open Doors" steht der Iran nunmehr auf Rang 3 der Länder, in denen eine Verfolgung von Christen festzustellen ist, nachdem der Iran in den früheren Jahren auf Rang 5 notiert wurde. Unter dem Stichwort Verfolgung führt die Organisation aus, nach der Wahl Ahmadinedschads zum Präsidenten im Juni 2005 habe es eine Welle der Christenverfolgung gegeben. Im November 2005 sei der Hausgemeindepfarrer Ghorban Dordi Tourani ermordet worden. Die örtlichen Behörden im Land seien angewiesen worden, gegen christliche Hausgemeinden hart vorzugehen. Ethnische Gemeinden zögen ihre Unterstützung für Glaubensbrüder muslimischer Herkunft zurück. Diese Gläubigen versammelten sich jetzt in geheimen Hausgemeinden.

Hinzu kommt, dass sich die Situation aktuell weiter verschärft. Das Kabinett unter Ahmadinejad hat einen inzwischen dem Parlament in Teheran vorliegenden Gesetzesentwurf beschlossen, der u.a. für die Apostasie eines Moslems, der in einer muslimischen Familie aufgewachsen ist, zwingend die Todesstrafe (Hadd-Strafe) ausweist (vgl. den Art. "Todesstrafe aus Apostasie?" in der FAZ vom 28. Februar 2008 und "Aktuelle Meldungen" der deutschen-evangelischen Allianz vom selben Tag, www.ead.de).

Hiernach ist es beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran nicht regelmäßig an religiösen Riten, wie z.B. öffentlichen Gottesdiensten teilnehmen könnte, ohne dass ihm die Festnahme und Inhaftierung drohte (so die Einschätzung der 22. Kammer des VG Düsseldorf seit dem Urteil von 15. August 2006 - 22 K 350/05.A -, juris-Dokumentation; ebenso VG Düsseldorf, Urteil vom 15. August 2006 - 2 K 2682/06.A- sowie vom 13. Mai 2008 - 2 K 1701/07.A -; vgl. auch Bayr. VGH, Urteil vom 23. Oktober 2007, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 21. Januar 2005, a.a.O.; m.w.N.; VG Karlsruhe, Urteil vom 19. Oktober 2006 - A 6 K 10335/04 -, juris-Dokumentation; ähnlich VG Frankfurt a.M., Urteil vom 11. Oktober 2006 - 7 E 3612/04.A (1) - und VG Neustadt a.d.W., Urteil vom 22. Mai 2006 - 3 K 22/06. NW -; a.A. VG Düsseldorf, Urteile vom 15. Oktober 2006 - 5 K 4335/06 A - und 8. Februar 2007 - 9 K 2279/06.A -).

Dies folgt umso mehr daraus, dass der Kläger, nachdem durch kirchliche Bescheinigungen in mehreren Fällen Missionierungsaktivitäten dokumentiert wurden, die das Gericht ihm auch auf Grund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung als Ausdruck seines tief empfundenen Bekenntnisses abnimmt, durch eine Fortführung dieser Tätigkeit gesteigert gefährdet sein dürfte.

Der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht entgegen, dass es sich beim Glaubenswechsel des Klägers um einen subjektiven Nachfluchtgrund handelt. § 28 Abs. 1 a AsylVfG stellt klar, dass die zur Anerkennung eines Abschiebungsschutzes gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG führende Verfolgungsgefahr grundsätzlich auf Ereignissen und Aktivitäten beruhen kann, die nach der Ausreise aus dem Herkunftsland entstanden bzw. durchgeführt worden sind (Begründung zu Art. 3 Nr. 21 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - EUAufhASYLRUG BT-Drs. 16/5065). Damit werden auch subjektive Nachfluchtgründe erfasst, die im Falle eines Folgeantrags gemäß § 28 Abs. 2 AsylVfG in der Regel die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht rechtfertigen (vgl. hierzu auch Bayr. VGH, Urteil vom 23. Oktober 2007, a.a.O.).

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier nicht vor, weil der Kläger den Umstand, auf den er seinen Folgeantrag stützt, die eingetretene Rechtsänderung, nicht nach unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrages selbst geschaffen hat.