VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 01.10.2008 - M 12 S 08.60064 - asyl.net: M14078
https://www.asyl.net/rsdb/M14078
Leitsatz:

Im Einzelfall eines Asylbewerbers, der sich bereits längere Zeit in Griechenland aufgehalten hat; kein Stopp der Überstellung im Dublin-Verfahren nach Griechenland.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Verordnung Dublin II, Griechenland (A), Abschiebung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Drittstaatenregelung, Aufnahmebedingungen, Verfahrensrichtlinie
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AsylVfG § 34a Abs. 2; AsylVfG § 27a; AsylVfG § 26a; GG Art. 16a Abs. 2
Auszüge:

Im Einzelfall eines Asylbewerbers, der sich bereits längere Zeit in Griechenland aufgehalten hat; kein Stopp der Überstellung im Dublin-Verfahren nach Griechenland.

(Leitsatz der Redaktion)

Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.

Einer gerichtlichen Entscheidung in dem vom Antragsteller begehrten Sinne steht die Vorschrift des § 34a Abs, 2 AsylVfG entgegen, wonach die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden darf.

In verfassungskonformer Auslegung dieser Bestimmung kommt ausnahmsweise die vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 80 Abs. 5 VwGO dann in Betracht, wenn der Ausländer Einwendungen zu einer individuellen Gefährdung im Drittstaat geltend macht, wobei an die Darlegung solcher Sonderfälle strenge Anforderungen zu stellen sind (BVerfG v. 14.5.1996, NVwZ 1996, 700).

Da es sich bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union um sichere Drittstaaten i.S.d. Art. 16a Abs. 2 GG bzw, § 26a AsylVfG handelt, ist schon aufgrund des diesen Vorschriften zugrundeliegenden normativen Vergewisserungskonzeptes davon auszugehen, dass dort die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sichergestellt ist. Zudem beruht die Dublin II-Verordnung auf der Prämisse, dass die zuverlässige Einhaltung der GFK sowie der EMRK in allen Mitgliedstaaten gesichert ist. Zwar mag ein zur Unanwendbarkeit des § 34a Abs. 2 AsylVfG führender Ausnahmefall auch dann vorliegen, wenn ein europäischer Drittstaat in feststellbarer Weise insbesondere weder die Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Anerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 einhält noch den Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten gem. der Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. 1.2003 Rechnung trägt (so VG Gießen, Beschluss vom 25.4.2008, 2 L 201/08.GI.A).

Dass dem Antragsteller in den genannten EU-Richtlinien im Einzelnen verbürgte Verfahrensrechte bei Rücküberstellung nach Griechenland in irreversibler Weise vorenthalten würden, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.

Der Hinweis darauf, dass in Griechenland die Asylzahlen in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind und viele unbearbeitet seien, begründet keine für den Antragsteller unzumutbare Sondersituation. Gleiches gilt für das Vorbringen, in Griechenland gäbe es eine unzureichende Unterbringung und ungünstige Rahmenbedingungen für die Durchführung des Asylverfahrens. Es wurde nicht vorgetragen, dass der Antragsteller wegen Minderjährigkeit oder Krankheit besonders schutzbedürftig ist und ihm schlechterdings unzumutbar sei, das Asylverfahren in Griechenland durchzuführen. Es mag sein, dass die Bedingungen zur Durchführung eines Asylverfahrens in Griechenland anders und möglicherweise ungünstiger sind als im Bundesgebiet. Das bedeutet aber nicht, dass die Mindestanforderungen an ein Asylverfahren nicht eingehalten werden.

Bei fallbezogener Betrachtung bedarf der Antragsteller keines Eilrechtsschutzes gegenüber einer Rücküberstellung nach Griechenland. Der Antragsteller hat sich nach eigenen Angaben bereits seit dem Jahr 2006 zunächst legal, dann illegal in Griechenland aufgehalten und hat dort auch gearbeitet hat. Er war offenbar in der Lage, sich in Griechenland mit Hilfe von Kontaktpersonen einen falschen Pass zu besorgen (vgl. Beschuldigtenvernehmung der Polizeiinspektion IM Flughafen München vom 17.7.2008). Dazu kommt, dass er in Griechenland eine Schwester hat, die sicher auch in der Lage ist, den Antragsteller bei Verfolgung seiner Rechte zu helfen.