OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 15.09.2008 - 10 ME 328/08 - asyl.net: M14095
https://www.asyl.net/rsdb/M14095
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Schutz von Ehe und Familie, Vater, Schwangerschaft, beabsichtigte Eheschließung
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1; VwGO § 123
Auszüge:

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Mai 2008 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Abschiebung des Antragstellers auszusetzen.

Zunächst macht der Antragsteller geltend, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die besondere familiäre Situation und seiner Verlobten, die in der sechsten Woche schwanger sei. Da sein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen werde, sei ihm - dem Antragsteller - nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Dieser Einwand greift nicht durch. Dem Antragsteller kann derzeit eine Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt werden. Nach dieser Bestimmung ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen. Diese Voraussetzungen liegen hier - vor der Geburt des Kindes - nicht vor. Erst nach der Geburt des Kindes kann der Antragsteller die Personensorge tatsächlich ausüben. Allenfalls die Erteilung einer Duldung kommt in solchen Fällen in Frage (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Juni 2007 - 11 ME 214/07 -, n.v.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. April 2008 - 2 M 84/08 -, AuAS 2008, 137, m.w.N.; Sächs. OVG, Beschluss vom 15. September 2006 - 3 BS 189/06 -, InfAuslR 2006, 446; OVG Saarland, Beschluss vom 24. April 2008 - 2 B 199/08 -, juris).

Auch hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Antragsteller bis zur Eheschließung zu dulden, abgelehnt. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).

Zunächst steht die Absicht des Antragstellers, die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen C. D. schließen zu wollen, der Abschiebung nicht entgegen. Art. 6 Abs. 1 GG schützt die rechtswirksam zustande gekommene Ehe, verbietet allerdings auch nachteilige Einwirkungen staatlicher Stellen auf die Bereitschaft zur Eheschließung und garantiert damit den ungehinderten Zugang zur Ehe (BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1970 - 1 BvR 409/67 -, BVerfGE 29, 166, 175). Ein Duldungsanspruch wird daher in der Rechtsprechung anerkannt, wenn die Eheschließung tatsächlich ernsthaft beabsichtigt ist und unmittelbar bevorsteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 1995 - 1 B 223.94 - Buchholz 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr. 5; Senatsbeschluss vom 26. Juli 2007 - 10 ME 163/07 -, n.v.; Bay. VGH, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 19 CE 07.3454 -, juris und Beschluss vom 7. November 2007 - 24 CE 07.2969 -, juris). Hier steht die beabsichtigte Eheschließung nicht unmittelbar bevor. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts und verweist deshalb in Anwendung des § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO hierauf. Dem ist der Antragsteller mit seiner Beschwerde nicht entgegengetreten.

Auch aus dem Vorbringen des Antragstellers zur bevorstehenden Geburt seines Kindes lässt sich vorliegend ein rechtliches Ausreisehindernis nicht herleiten. Eine Vaterschaft des Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen Staatsangehörigen entfaltet für sich genommen noch keine aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen in Ansehung des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Nur wenn sich aus besonderen Umständen des Einzelfalles ergibt, dass die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des Ausreisepflichtigen eine Verletzung der Rechtspositionen der zurückbleibenden Mutter oder des ungeborenen Kindes konkret befürchten lässt, folgt hieraus zugunsten des Betroffenen ein zwingendes rechtliches Ausreisehindernis. Bestehen solche besonderen Umstände hingegen nicht, ist es dem Ausländer regelmäßig zuzumuten, seine beabsichtigte Eheschließung und eine spätere Herstellung der Lebensgemeinschaft mit dem noch nicht geborenen Kind vom Heimatland aus zu betreiben (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 24. April 2008, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. April 2008, a.a.O.). Mit seiner Beschwerde legt der Antragsteller besondere Umstände in Bezug auf die Schwangerschaft von Frau D. nicht dar, so dass ein zwingendes Ausreisehindernis nicht festgestellt werden kann.