VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 29.08.2008 - 10 K 2563/07.A - asyl.net: M14114
https://www.asyl.net/rsdb/M14114
Leitsatz:

Abschiebungsverbot hinsichtlich Angolas wegen Erkrankung an Hepatitis C.

 

Schlagwörter: Angola, Sprachkenntnisse, Bakongo, Glaubwürdigkeit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Hepatitis C, medizinische Versorgung, allgemeine Gefahr
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Abschiebungsverbot hinsichtlich Angolas wegen Erkrankung an Hepatitis C.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Denn es lässt sich ohnehin nicht feststellen, dass ihr im Falle einer Rückkehr nach Angola mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Auf die Verhältnisse in Angola kommt es an, denn die Klägerin ist zur Überzeugung der Kammer Angehörige dieses Staates. Dass sie Lingala und Kikongo spricht (und kaum Portugiesisch), steht dem nicht entgegen, denn sie stammt nach eigener - ebenfalls glaubhafter - Darstellung aus ... Diese Stadt liegt in der Provinz Uige in Nord-Angola in der Nähe der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. Dort leben Angehörige der Ethnie Bakongo, die Lingala und Kikongo sprechen (vgl. Informationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von Juli 1999 (S. 28, 29); Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Braunschweig vom 12. September 2002).

Außerdem ist die Klägerin nach eigenen Angaben in der - heutigen - Demokratischen Republik Kongo zur Schule gegangen.

Der genannte Maßstab - Frage gerade nach der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer künftigen politischen Verfolgung - ist deshalb heranzuziehen, weil nicht erkennbar ist, dass die Klägerin in ihrer Heimat bereits einmal politisch verfolgt worden, also vorverfolgt ausgereist ist oder eine solche Verfolgung von ihr dort unmittelbar bevorstand. Dass es nicht möglich ist, eine entsprechende Feststellung zu treffen, ergibt sich daraus, dass sie unglaubwürdig und ihr Vorbringen unglaubhaft ist.

c) § 60 Abs. 2 - 6 AufenthG steht ihr ebenfalls nicht zur Seite.

Doch liegen die Voraussetzungen für eine unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

Eine Erkrankung, die der Abschiebung der Klägerin nach Angola in der unmittelbaren Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegensteht, liegt bei ihr vor. Sie leidet, wie u.a. aus einem Attest des Arztes für Innere Medizin/Gastroenterologie Dr. ... vom 12. Dezember 2007 folgt, an Hepatitis C. Patienten mit einer chronischen Hepatitis C haben ein erhöhtes Risiko für eine Leberzirrhose (Schrumpfung der Leber) sowie für ein Leberkarzinom (Leberkrebs). Leberkrebs und auch die Leberzirrhose sind lebensbedrohliche Erkrankungen. Sie können bis zum Leberversagen führen. Es bleibt dann nur noch die Lebertransplantation als einziger Ausweg. Die Klägerin muss sich deshalb aus medizinischen Gründen einer Interferon Ribavarin Therapie unterziehen, die im Januar/Februar 2008 begann und ca. 48 Wochen dauern wird. Die Kosten dafür werden von der Stadt ... übernommen. Eine solche Therapie vermögen in Angola weder das öffentliche Gesundheitswesen noch - derzeit - der private Sektor zu erbringen (vgl. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Luanda, Auskunft an das VG Minden vom 08.05.2008).

Daraus ergibt sich das Abschiebungsverbot.

Die Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird nicht durch § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gesperrt. Zielstaatsbezogene Krankheitsfolgen sind in der Regel - und auch hier - als individuelle Gefahren i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzusehen - (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2006 - 1 C 16/05).