VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Urteil vom 25.08.2008 - 6 K 1279/06.A - asyl.net: M14121
https://www.asyl.net/rsdb/M14121
Leitsatz:
Schlagwörter: Kosovo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Diabetes mellitus, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG zu.

Mit Blick auf den Gesundheitszustand der Klägerin ist auf der Grundlage der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen davon auszugehen, dass diese u.a. an einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus leidet, der mit Insulin behandelt werden muss. Hierzu wurde die Klägerin auf das Mischinsulin Insuman comb 25 eingestellt, mit dem die Behandlung über die gesamte Dauer dieses Verfahrens fortgeführt wurde. Von diesem Insulin bedarf sie morgens und abends jeweils zwischen ca. 32 und 44 Einheiten (IE), für die derzeit monatliche Kosten von rund 90,- Euro aufzuwenden sind. Im Kosovo belaufen sich die Kosten für eine Handelspackung mit (nur) 500 IE sogar auf 35,- Euro (Deutsches Verbindungsbüro, Auskunft vom 17. März 2005 an AB Leverkusen).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bei einer Rückkehr in ihr Heimatland Kosten in dieser Höhe aufbringen können wird, sind nicht ersichtlich.

Soweit im Kosovo grundsätzlich die auf der essential drug list 2006 für die primäre gesundheitliche Fürsorge ("Lista esenciale [...] Primär") stehenden Medikamente kostenfrei abgegeben werden, kann die Klägerin hierauf nicht verwiesen werden. Denn zum einen differenziert die Liste aus 2006 nur nach der Wirkdauer der Insuline (schnellwirkend, mittlere Wirkung und langwirkend), nennt aber keine Wirkstoffe, so dass nicht mehr nachgehalten werden kann, welcher konkrete Wirkstoff kostenfrei abgegeben wird sowie ob und ggf. auf welchen anderen Wirkstoff die Klägerin umgestellt werden könnte. Hinzu kommt, dass in der Vergangenheit zwar ein Mischinsulin, nämlich Mixtard (deutscher Handelsname: Actraphane), das denselben Wirkstoff enthält wie Insuman comb 25 (vgl. www.netdoktor.de/medikamente), auf der essentials drug list 2004 stand und deshalb kostenfrei abgegeben wurde, nunmehr aber Mischinsuline anscheinend nicht mehr auf der Liste stehen. Sofern mit der Bezeichnung "mittlere Wirkung" Mischinsuline gemeint sein sollen, kann die Klägerin hierauf jedoch schon deshalb nicht pauschal verwiesen werden, weil lediglich die schnellwirkenden Insuline den Zusatz "Humaninsulin" enthalten, und somit davon auszugehen ist, dass die anderen Insulingruppen tierischen Ursprungs sind. Hinzu kommt ferner, dass die finanzielle Situation des kosovarischen Gesundheitswesens problematisch ist, weshalb nicht zuletzt aus diesem Grunde Insulin im staatlichen Gesundheitswesen nicht immer in ausreichender Menge zur Verfügung steht und die betroffenen Patienten das benötigte Insulin auf eigene Kosten von privaten Apotheken im Kosovo oder aus dem benachbarten Ausland beschaffen müssen (Deutsches Verbindungsbüro, Auskünfte vom 26. April 2007 an das VG Minden und vom 21. November 2006 an das Bundesamt).