VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 21.08.2008 - AN 18 K 08.30201 - asyl.net: M14124
https://www.asyl.net/rsdb/M14124
Leitsatz:

Kein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Irans wegen bisexueller Neigungen.

 

Schlagwörter: Iran, Homosexuelle, Bisexuelle, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, menschenrechtswidrige Behandlung, soziale Gruppe
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5; GFK Art. 1 A Nr. 2; RL 2004/83/EG Art. 10 Abs. 1 Bst. d
Auszüge:

Kein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Irans wegen bisexueller Neigungen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. April 2008 ist rechtmäßig und dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Auch wenn in Folge der nach § 60 Abs. 11 AufenthG gebotenen Anwendung der Qualifikationsrichtlinie im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG die zur Asylerheblichkeit der Homosexualität ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere das Erfordernis der "Unentrinnbarkeit", möglicherweise nicht mehr uneingeschränkt anwendbar ist, so ist jedenfalls für die Zuordnung des Klägers zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GK i.V.m. Art. 10 Abs. 1 d der Qualifikationsrichtlinie eine Identitätsprägung durch seine Homosexualität nötig, die die Kammer vorliegend jedoch nicht im gebotenen Umfange zu erkennen vermag.

Nach Artikel 10 Abs. 1 d der Qualifikationsrichtlinie gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben, oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und wenn die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Das Merkmal der sozialen Gruppe ist damit durch identitätsprägende gemeinsame Merkmale gekennzeichnet, die so grundlegend sind, dass niemand gezwungen werden darf, sie aufzugeben, sofern es sich nicht ohnehin um unveränderliche Merkmale handelt (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand Oktober 2007, RdNr. 48 zu § 60 AufenthG).

Beim Kläger fehlt es nach Überzeugung der Kammer an einer Identitätsprägung in diesem Sinne, denn seinem eigenen Vorbringen zufolge war seine Homosexualität auch nach Abschluss der Pubertät, dem Zeitpunkt, zudem nach heutigem Wissenschaftsstand spätestens eine schicksalhafte Festlegung auf homosexuelles Verhalten vorliegt, nicht mehr als eine bloße Neigung neben der von ihm auch gelebten Heterosexualität.

Eine seine Identität gravierend beeinflussende Sexualausrichtung hin zu gleichgeschlechtlichen Kontakten mit Männern vermag die Kammer bereits im Hinblick darauf nicht zu erkennen, dass der Kläger im vorliegenden Asylfolgeantragsverfahren erklärt hat, seine Homosexualität sei nicht eindeutig und irreversibel, aber er neige mehr zu Männern als zu Frauen.

Auch die in Holland von ihm mit einer Frau geschlossenen Ehe und die Existenz eines aus dieser Ehe hervorgegangenen Kindes zeigen deutlich, dass der Kläger eben nicht in erforderlichem Umfange durch seine - möglicherweise neben der Heterosexualität vorhandene - Homosexualität in einem die Zuordnung zu einer "bestimmten sozialen Gruppe" im Sinne des Art. 10 Abs. 1 d der Qualifikationsrichtlinie fordernden Maße geprägt ist.

Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass ein homosexueller Mann im Iran dann, wenn er sexuelle Beziehungen zu anderen Männern hat, nach den geltenden iranischen Strafbestimmungen mit Bestrafung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen hat.

Jedoch zieht alleine das Bekanntwerden einer homosexuellen Neigung kein Strafverfahren nach sich.

Auf den Fall des Klägers bezogen bedeutet dies, dass er, dessen geltend gemachter Anspruch nach § 60 Abs. 5 AufenthG bereits daran scheitert, dass er auf Grund der nicht identitätsprägenden Wirkung seiner Homosexualität nicht der Gruppe der homosexuellen iranischen Staatsangehörigen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 d der Qualifikationsrichtlinie unterfällt, auch im Falle seiner Rückkehr nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit menschenrechtswidriger Behandlung zu rechnen hat, denn weder vor seiner Ausreise hatte der Kläger, obwohl angeblich fast alle Männer seiner Heimatstadt von seiner Homosexualität gewusst hätten, deswegen asylerhebliche Probleme gehabt, noch muss er - so die Auffassung der Kammer unter Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen - infolge seiner bloßen Neigung, die ihn (wie sein bisheriges Leben gezeigt hat) nicht zu sich der Gefahr der Entdeckung aussetzender Ausübung seiner Homosexualität zwingt, bei einer Rückkehr in den Iran mit im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG beachtlichen Gefahren rechnen.