VG Arnsberg

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Zitieren als:
VG Arnsberg, Urteil vom 15.08.2008 - 13 K 526/08.A - asyl.net: M14135
https://www.asyl.net/rsdb/M14135
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Folgeantrag, Änderung der Rechtslage, Anerkennungsrichtlinie, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Genfer Flüchtlingskonvention, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Sicherheitslage, Versorgungslage, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, bewaffneter Konflikt, ernsthafter Schaden
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 1 Bst. e; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c
Auszüge:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Diese besitzen keinen Anspruch auf Durchführung eines Folgeverfahrens mit einer Verpflichtung des Bundesamtes zur Asylanerkennung nach Art. 16a des Grundgesetzes und zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (vgl. Art. 15 Abs. 3 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl. I S. 1950, nunmehr in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Februar 2008 - BGBl. I S. 163, in der diverse EU-Richtlinien umgesetzt worden sind). Ferner hat die Klage mit dem auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gerichteten Hilfsantrag keinen Erfolg (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. Urteil vom 22. September 2007 in dem Verfahren 13 K1788/06. A) lässt sich auch aus der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes vom 29. April 2004 (Abs. L 304/12) - sogenannte Qualifikationsrichtlinie - eine Änderung der Rechtslage nicht herleiten. In dem hier interessierenden Zusammenhang stimmt die Richtlinie (Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e) mit der Genfer Konvention nämlich wörtlich überein. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts und des OVG NRW (vgl. Beschlüsse vom 7. November 2006 - 9 A 4600/05 A - und vom 18. Mai 2005 - 11 A 533/05.A -) geklärt, dass sich aus der Richtlinie diesbezüglich keine Besserstellung der von ihr erfassten Personen gegenüber der früheren Rechtslage ergibt. § 60 Abs. 1 AufenthG ist unter Beachtung der Qualifikationsrichtlinie nicht anders auszulegen als der bisherige § 51 Abs. 1 AuslG. Schließlich hat aus denselben Gründen das das Aufenthaltsgesetz novellierende Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19. August 2007, BGBl. I S. 1970, keine für die Kläger günstigere Rechtslage zur Folge.

Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AufenthG folgt nicht aus der angespannten Sicherheitslage im Irak. Gleiches gilt im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Situation im Nachkriegsirak. Mit diesen Umständen im Zusammenhang stehende Gefahren sind solche, denen die gesamte irakische Bevölkerung ausgesetzt ist. Als allgemeine Gefahren unterfallen sie der Sperrklausel des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die bei Entscheidungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG - Ermessensentscheidung über die Aussetzung von Abschiebungen durch die oberste Landesbehörde - berücksichtigt werden. Solche Gefahren können nur dann, wenn durch die Abschiebung der Ausländer extremen bzw. hochgradigen Gefahren ausgesetzt ist, dieser gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wird, in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ein Abschiebungsverbot begründen. Das ist hier nach wie vor nicht der Fall, sodass auch in diesem Zusammenhang ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht in Frage kommt.

Schließlich drohen den Klägern im Fall der Rückkehr auch keine Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Danach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung setzt die Vorgabe des Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 c) der Qualifikationsrichtlinie um. Aus Erwägungsgrund 26 zur RL folgt indes, dass Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden im Sinne von Art. 15 c) RL zu beurteilen wären. Damit entspricht die Regelung über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 c) RL der Richtlinie - bei der Abgrenzung einer individuellen Gefahrenlage für den Ausländer von allgemeinen Gefahren, denen die Bevölkerung eines Landes mehr oder weniger gleichartig ausgesetzt sind - im Kern der bisherigen Rechtslage nach § 60 Abs. 7 AufenthG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. August 2007 - A 2 S 229/07 -, Asylmagazin 10/2007, S. 21 m.w.N).

Es muss sich somit in der Regel um individuelle, gerade im Einzelfall bestehende Gefahrensituationen auf Grund der Auswirkungen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts handeln, denen die Bevölkerung des Landes oder die Mitglieder der Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, nicht oder nicht in diesem Maße unterworfen ist (Vgl. VG Kassel, Urteil vom 23. November 2006 - 1 E 1213/05.A -, Asylmagazin 1-2/2007, S. 41).