VG Wiesbaden

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Zitieren als:
VG Wiesbaden, Urteil vom 14.08.2008 - 2 E 1334/07.A - asyl.net: M14136
https://www.asyl.net/rsdb/M14136
Leitsatz:

Der Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung ist nur innerhalb der Jahresfrist des § 49 Abs. 2 S. 2, § 48 Abs. 4 VwVfG zulässig, es sei denn, es läuft die Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG.

 

Schlagwörter: Widerruf, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Verfahrensrecht, Jahresfrist, Kenntnis, Anhörung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; VwVfG § 49 Abs. 2 S. 2; VwVfG § 48 Abs. 4; AsylVfG § 73 Abs. 2a
Auszüge:

Der Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung ist nur innerhalb der Jahresfrist des § 49 Abs. 2 S. 2, § 48 Abs. 4 VwVfG zulässig, es sei denn, es läuft die Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Die formellen Voraussetzungen für einen Widerruf der Asylanerkennung liegen nicht vor.

Bereits in einer früheren Entscheidung hatte das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass die Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsrechts neben den spezialgesetzlichen Regelungen in § 73 AsylVfG anwendbar sind, soweit diese Raum dafür lassen (BVerwG, Urteil vom 19.09.2000 - Az.: 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80, 88). Dies gilt grundsätzlich auch für die in § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG normierte Jahresfrist (BVerwG, Urteil vom 12.06.2007 - Az.: 10 C 24.07 -, in AuAS 2007, 225, 226).

Nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG sind Rücknahme und Widerruf nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Nach der Rechtsprechung beginnt der Lauf der Jahresfrist frühestens nach einer Anhörung des Klägers mit angemessener Frist zur Stellungnahme (BVerwG, Urteil vom 20.03.2007 - Az.: 1 C 21.06 -, in AuAS 2007, 164, 166).

Hier ist es so, dass das Widerrufsverfahren bereits im September 2003 eingeleitet worden war. Die Anhörung fand im November 2003 statt; seinerzeit hatte sich der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18.11.2003 zu dem beabsichtigten Widerruf der Asylanerkennung geäußert. Eine Entscheidung des Bundesamtes über den Widerruf hätte damit binnen Jahresfrist, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats November 2004 ergehen müssen. Diese Frist ist jedoch vorliegend verstrichen. Tatsächlich ist die Widerrufsentscheidung erst am 05.11.2007 und damit verspätet getroffen worden. Dieser rechtlichen Bewertung des Sachverhalts steht auch die neuere Entscheidung des BVerwG vom 12.06.2007 (AuAS 2007, 225) nicht entgegen. Zwar hat das BVerwG in dieser Entscheidung dargelegt, dass die Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 VwVfG jedenfalls in den Fällen keine Anwendung findet, in denen die Anerkennung innerhalb der Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG widerrufen worden ist. Bereits früher hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Drei-Jahres-Frist bei sogenannten Altverfahren erst mit dem 01.01.2005 zu laufen beginnt.

Zur Begründung hatte das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Drei-Jahres-Frist nach § 73 Abs. 2a AsylVfG zum 1. Januar 2005 eine bereichsspezifische Regelung für den Widerruf und die Rücknahme von Asyl- und Flüchtlingsanerkennungen durch das Bundesamt getroffen hat, die die allgemeine Widerrufsfrist nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz verdrängt. Jedenfalls seit Einführung der Drei-Jahres-Frist, nach deren Ablauf das Bundesamt spätestens die Widerrufsvoraussetzungen prüfen und das Ergebnis der Ausländerbehörde mitteilen muss, ist für die zusätzliche Anwendung einer parallel laufenden Jahresfrist nach den allgemeinen Bestimmungen kein Raum mehr.

Im vorliegenden Fall war die Jahresfrist aber bereits vor Inkrafttreten des § 73 Abs. 2a AsylVfG abgelaufen, nämlich bereits im November 2004.