VG Bayreuth

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Zitieren als:
VG Bayreuth, Urteil vom 12.08.2008 - B 3 K 07.30105 - asyl.net: M14146
https://www.asyl.net/rsdb/M14146
Leitsatz:

§ 28 Abs. 2 AsylVfG ist mit der Qualifikationsrichtlinie und der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Folgeantrag, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Konversion, Apostasie, Christen, Anerkennungsrichtlinie, Genfer Flüchtlingskonvention, non refoulement, Refoulementverbot, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; AsylVfG § 28 Abs. 1a; RL 2004/83/EG Art. 5; GFK Art. 33
Auszüge:

§ 28 Abs. 2 AsylVfG ist mit der Qualifikationsrichtlinie und der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger verfügt bereits über einen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG, den ihm die Beklagte wegen seiner Betätigung für den christlichen Glauben zuerkannt hat. Gegenstand der Klage ist lediglich die Nr. 2 des Bescheids der Beklagten vom 26.07.2007, mit der die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG abgelehnt wurde.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG, weil ihm gemäß § 28 Abs. 2 AsylVfG die Berufung auf den im Folgeverfahren geltend gemachten subjektiven Nachfluchtgrund der Konversion bzw. Religionsfreiheit verwehrt ist. Der Bescheid der Beklagten vom 26.07.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Daran ändert auch der ebenfalls durch das Umsetzungsgesetz vom 19.08.2007 in § 28 AsylVfG eingefügte Absatz 1 a nichts. Nach dieser Regelung kann eine Bedrohung nach § 60 Abs. 1 AsylVfG auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber Art. 5 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Qualifikationsrichtlinie - QRL) umsetzen und klarstellen, dass die Verfolgungsgefahr auch auf Ereignissen und Aktivitäten beruhen kann, die nach Ausreise aus dem Herkunftsland entstanden sind bzw. durchgeführt wurden. Mit dem Zusatz "insbesondere" hat der Gesetzgeber die zu § 28 Abs. 2 AsylVfG a.F. ergangene Rechtsprechung aufgegriffen, nach der eine Ausnahme vom Ausschlussgrund dann anerkannt wurde, wenn der Entschluss für die Nachfluchtaktivitäten einer festen, bereits im Herkunftsland "erkennbar betätigten Überzeugung" entsprach.

Der in § 28 Abs. 1 a AsylVfG geregelte Ausnahmefall findet hier keine Anwendung.

§ 28 Abs. 2 AsylVfG steht in Einklang mit der Qualifikationsrichtlinie. Diese regelt in Art. 5 QRL die Nachfluchtgründe und gibt in Abs. 3 den Mitgliedstaaten die Befugnis, "unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention" festzulegen, dass ein Antragsteller, der einen Folgeantrag stellt, in der Regel nicht als Flüchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Antragsteller nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat. Die Maßstäbe der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - sind im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 QRL bzw. des § 28 Abs. 2 AsylVfG einzuhalten. Als maßgebliche Norm ist Art. 33 GK heranzuziehen, der es den vertragsschließenden Staaten verbietet, einen Flüchtling auf irgendeine Weise über die Grenzen von Gebieten auszuweisen oder zurückzuweisen, in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde.

Nach Art. 33 GK muss sicher gestellt sein, dass ein Antragsteller nicht in einen Verfolgerstaat abgeschoben wird, die Regelung fordert aber nicht die Zuerkennung eines bestimmten ausländer- oder flüchtlingsrechtlichen Status. Der GK ist vielmehr bereits Genüge getan, wenn die Abschiebung oder Zurückweisung von Ausländern, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben, effektiv verhindert wird. Dies ist durch die Vorschriften des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gewährleistet (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.06.2008 - 14 ZB 08.30211). Subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG wurde dem Kläger aber bereits gewährt. Wenn § 28 Abs. 2 AufenthG die Zuerkennung des § 60 Abs. 1 AufenthG bei selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen ausschließt, verstößt dies nicht gegen Art. 5 Abs. 3 QRL und die Genfer Flüchtlingskonvention.

§ 28 Abs. 2 AsylVfG stellt allein auf Nachfluchtgründe ab, die der Ausländer "selbst geschaffen" hat, nicht auf Nachfluchtgründe, die er "missbräuchlich selbst geschaffen" hat. Auch Art. 5 Abs. 3 QRL enthält nicht das Tatbestandsmerkmal "missbräuchlich". Hätte der Richtliniengeber die Einschränkungsmöglichkeit nur auf missbräuchlich geschaffene Nachfluchtgründe anwenden wollen, hätte er der Vorschrift ohne weiteres die in Art. 20 Abs. 6 QRL verwendete Formulierung "um die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen" anfügen können.