Ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit erlittener Abschiebungshaft besteht auch dann, wenn das Gericht die Haftanordnung aufhebt; ein Verweis auf die Gründe des Aufhebungsbeschlusses genügt nicht (Änderung der Rspr. des Senats).
Ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit erlittener Abschiebungshaft besteht auch dann, wenn das Gericht die Haftanordnung aufhebt; ein Verweis auf die Gründe des Aufhebungsbeschlusses genügt nicht (Änderung der Rspr. des Senats).
(Leitsatz der Redaktion)
Denn der Feststellungsantrag des Betroffenen ist nicht unzulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor.
Allgemein anerkannt ist, dass gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels fortbestehen kann, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Dies kann der Fall sein bei einer Wiederholungsgefahr (BVerfG EuGRZ 2005, 639, BVerfGE 104, 220) oder bei einem Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen, z.B. bei diskriminierenden Verwaltungsakten (BVerfGE 110, 77), oder zur Vorbereitung der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche (BVerfGE 104, 220). Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gebietet darüber hinaus, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung auch in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der ein Betroffener eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (BVerfGE 96, 27). Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kommt insbesondere bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in Betracht und ist für den Fall einer Erledigung durch Entlassung aus der (vollzogenen) Abschiebungshaft ausdrücklich zu bejahen (BVerfGE 104, 220; st. Rspr. auch des Senats [etwa Beschluss vom 17. März 2006, 22 W 10/06]; weitere Nachweise bei Keidel/Kunze/Winker, FGG, 15. Aufl., § 19 Rdn. 86).
Aus dem Vorstehenden folgt aber nicht zwingend, dass in den Fällen, in denen eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung einer belastenden Maßnahme noch erfolgt, weil diese sich noch nicht erledigt hat, das Bedürfnis nach Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht bestehen kann. Denn insbesondere der Aufhebung der Anordnung einer Freiheitsentziehung ist für sich genommen nicht zu entnehmen, ob diese nur für die Zukunft erfolgt, weil deren Voraussetzungen weggefallen sind, oder ob sie auch in die Vergangenheit wirkt. Gerade dies kann aber für andere Verfahren, wenn es etwa um eine Haftentschädigung nach Art. 5 Abs. 5 MRK, um Verfahrensauslagen oder um Haftkosten geht, bedeutsam sein. Zwar werden sich diese Fragen in der Regel anhand der jeweiligen Entscheidungsgründe beantworten lassen. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass dies nicht immer der Fall ist oder zumindest mit Unsicherheiten behaftet ist, die nicht zu Lasten des Betroffenen gehen dürfen (vgl. Melchior, Rundbriefe zur Abschiebungshaft 23/2008).
Erst durch die Feststellungsentscheidung wird zu Gunsten des Betroffenen durch die hierfür zuständige Fachgerichtsbarkeit mit Rechtskraft auch für andere Verfahren und Gerichtsbarkeiten eine unanfechtbare Grundlage geschaffen (vgl. BGH InfAuslR 2006, 332). Sie wird daher nicht durch die bloße Aufhebung der Haftanordnung entbehrlich. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 12. August 2008 - 22 W 35/08 - die Ansicht vertreten hat, dass eine ausdrückliche Feststellung der Rechtswidrigkeit über die Aufhebung der Haftanordnung hinaus nicht erforderlich sei, hält er hieran nicht fest.