Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Burundi wegen paranoider Schizophrenie.
Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Burundi wegen paranoider Schizophrenie.
(Leitsatz der Redaktion)
Die verbleibende Klage des Klägers hat Erfolg.
Der Kläger hat Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Burundi aufgrund seiner in Deutschland festgestellten Erkrankung.
Auf der Grundlage der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ergibt sich, dass der Kläger an einer paranoiden Schizophrenie mit dem ICD-10 Code F 20.0 leidet.
Das Gericht hat keinen Anlass, den nachvollziehbaren Stellungnahmen der fachkundigen behandelnden Ärzte nicht zu folgen. Entgegen der von der Beklagten geäußerten Zweifel sind die ärztlichen Bescheinigungen und der Arztbericht ausreichend. Insbesondere bestand keine Veranlassung für die behandelnden Ärzte, Näheres zum Grund der Erkrankung in ihren Bescheinigungen darzulegen. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass seine Erkrankung nicht auf erlittenen Traumata basieren müsse - wie es etwa bei einer posttraumatischen Belastungsstörung der Fall wäre -, sondern ohne weiteres genetischen oder sonstigen Ursprungs sein könne. Das Gericht legt daher zu Grunde, dass der Kläger, sofern er nicht in eine vergleichbare Situation geraten will, wie es zum Zeitpunkt seiner Einweisung in die ...-Klinik der Fall war, auf die regelmäßige Einnahme des Medikaments Zyprexa und daneben - wie sich aus dem ärztlichen Attest des Neurologen ... vom 17. März 2008 ergibt - des Medikamentes Akineton zur Vermeidung der durch das Medikament Zyprexa hervorgerufenen Nebenwirkungen angewiesen ist.
Das danach benötigte Medikament Olanzapin (z.B. Zyprexa) steht dem Kläger ebenso wenig wie eine begleitende medizinische (neurologische bzw. psychiatrische) Behandlung in Burundi zur Verfügung. Bei einer Bevölkerung von 7,8 Millionen Einwohnern (Website des Auswärtigen Amtes, Länderinformation Burundi) gibt es lediglich 200 Ärzte und 76 Apotheker im ganzen Land (WHO-Statistik zur Gesundheitsversorgung in Burundi; siehe Website der WHO im Internet). Dem Mental Health Atlas 2005 der WHO (siehe Website der WHO im Internet) ist zu entnehmen, dass die Behandlungsmöglichkeiten für psychische Erkrankungen in Burundi desolat sind. So steht - statistisch gesehen - pro 10.000 Einwohner nur ein "Bettenanteil" von 0,1 zur Verfügung. Die Zahl der Psychiater je 100.000 Einwohner wird mit 0,02 angegeben. Letzteres bestätigt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31. Mai 1999 zu Burundi, wonach dort nur ein niedergelassener Psychiater tätig sein soll. Die allgemeine Krankenversorgung in Burundi steht ebenfalls auf niedrigstem Standard und ist - neben der äußerst geringen Zahl an Heilkundigen - durch Mangel an Medikamenten und Geräten geprägt (vgl. nur www.ka-news.de/burundi: "Wir brauchen ein deutsches Krankenhaus" vom 24. Juni 2007 und "Ein Krankenhaus für Bujumbura" vom 10. Juni 2007). Nicht selten steht für die Versorgung von 200.000 Menschen nur ein Arzt zur Verfügung (siehe MISEREOR Aktuell Nr. 2/2007 Seite 8).
Die medizinische Behandlung und die Versorgung mit Medikamenten ist in Burundi generell nicht kostenlos, sondern muss von dem Patienten bzw. dessen Angehörigen getragen werden (vgl. Mental Health Atlas 2005 der WHO; Deutsche Botschaft in Kenia vom 23. Juli 2003 an das Bundesamt und die vorzitierten Erkenntnisse). Dass das hier in Rede stehende Medikament Zyprexa in Burundi allgemein zugänglich ist, ist fraglich, weil dessen Wirkstoff Olanzapin nicht in der Liste der zur Behandlung von psychischen Erkrankungen in Burundi erhältlichen therapeutischen Medikamente aufgeführt ist, die die WHO aufgestellt hat (vgl. Mental Health Atlas 2005). Unabhängig davon wird sich der Kläger neben der erforderlichen ärztlichen Betreuung dieses Medikament im Fall seiner Rückkehr nach Burundi nicht leisten können und damit jedenfalls keine ausreichende medikamentöse Behandlung seiner Erkrankung erhalten können. Schon für das Medikament Zyprexa sind in Deutschland derzeit rund 200 Euro zu zahlen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in der Lage wäre, diese erheblichen Kosten und die für das weiter benötigte Medikament Akineton aufzubringen. Zwar hat der Vater den Angaben des Klägers zufolge auf Grund seiner Arbeit als Fischer den Unterhalt der Familie sichern können. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, dass 80 - 90 % der Bevölkerung Burundis mit weniger als 1 USD in der Woche auskommen muss und dass 2/3 der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt; Burundi gilt als eines der ärmsten Länder der Erde (vgl. Länderinformationen des Auswärtigen Amtes unter www.auswaertiges-amt.de).
Nach den vorzitierten Erkenntnissen lebt 70 % der Bevölkerung von der Landwirtschaft, Daraus mag sich zwar erklären, dass der unmittelbare Lebensunterhalt des Klägers seinerzeit gesichert war. Dem Gericht erscheint es aber angesichts der im Übrigen in Burundi bestehenden Armut als aussichtslos, dass der Kläger die nach allem für burundische Verhältnisse extrem hohen Kosten von 200 Euro (= 313 US Dollar) - neben weiteren Kosten für das ebenfalls benötigte Medikament Akineton - für das Medikament Zyprexa wird aufbringen können. Gleiches gilt für die Kosten der ärztlichen Betreuung, sofern eine solche im psychiatrischen bzw. neurologischen Bereich in Burundi überhaupt gefunden werden könnte. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger unter der Therapie arbeitsfähig ist. Angesichts der weitreichenden Arbeitslosigkeit und der mangelnden Möglichkeiten, in Burundi Arbeit zu finden, erscheint es ausgeschlossen, dass der Kläger insoweit auch selbst in der Lage wäre, neben seinem Lebensunterhalt die Kosten der Behandlung seiner Erkrankung zu erwirtschaften.
Dass dem Kläger ohne die erforderliche Behandlung, insbesondere der medikamentösen Therapie, alsbald eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes drohen würde, ist offenbar. Dies weist schon sein Zustand bei Einlieferung in die ...-Klinik aus, währenddessen er hochgradig erregt, ängstlich und nicht in der Lage war, auch nur halbwegs kontrolliert der Öffentlichkeit gegenüber zu treten. Insoweit muss bereits eine Selbstgefährdung durch unkontrollierte Handlungen - wie sie etwa die Polizeiwache VI beschrieben hat - in Erwägung gezogen werden. In diesem Zustand dürfte der Kläger auch unter keinen Umständen in der Lage sein, selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen zu können. Zu Recht hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Kläger dann Gefahr liefe, etwa Hungers zu sterben.