VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Beschluss vom 10.09.2008 - 2 L 830/08 - asyl.net: M14245
https://www.asyl.net/rsdb/M14245
Leitsatz:
Schlagwörter: Verfahrensrecht, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Abänderungsantrag, Verordnung Dublin II, Griechenland, Überstellung, Asylantrag, EURODAC, Glaubwürdigkeit, Wiederaufnahme, Selbsteintrittsrecht
Normen: VwGO § 80 Abs. 7; VwGO § 123 Abs. 1; VO EG/407/2002 Art. 2 Abs. 3; VO EG/343/2003 Art. 16 Abs. 1; VO EG/343/2003 Art. 3 Abs. 2
Auszüge:

Nach § 80 Abs. 7 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach Abs. 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Diese Vorschrift ist analog auf die Abänderung von Beschlüssen nach § 123 VwGO anwendbar (vgl. Kopp, VwGO, 15. Auflage § 123 Rdnr. 35).

Der Antragsteller hat auch vorliegend keine Umstände glaubhaft gemacht, die das Gericht zu einer Abänderung des unter dem 23.07.2008 in dem Verfahren 2 L 476/08 ergangenen Beschlusses veranlassen könnten; die vorläufige Untersagung einer Überstellung des Antragstellers nach Griechenland kommt auch weiterhin nicht in Betracht (vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 08.08.2008 – 2 L 730/08 –, ebenfalls einen Abänderungsantrag betreffend).

Zwar trifft es zu, dass der Antragsteller nach Lage der Dinge bereits am 24.01.2005 in Griechenland einen Asylantrag gestellt haben dürfte; dieser Umstand gibt jedoch keine Veranlassung, dem Antragsbegehren nunmehr zu entsprechen.

Richtig ist, dass die in dem Vordruck "Einheitliches Formular für Wiederaufnahmegesuche" (Bl. 47 f. der Asylakte, überwiegend in griechischer Sprache) aufgeführte Nr. "GR 14803/8/25828" mit Gewicht darauf hindeutet, dass der Antragsteller seinerzeit in Griechenland tatsächlich einen Asylantrag gestellt hat. Nach der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11.12.2000 über die Errichtung von "Eurodac" und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen – Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28.02.2002 – ist zum einen davon auszugehen, dass dem Antragsteller in Griechenland Fingerabdrücke abgenommen wurden und dies zum andern im Zusammenhang mit einem Asylantrag erfolgte. Nach Art. 2 Abs. 3 Satz 4 der Durchführungsbestimmungen werden Daten von Asylbewerbern nämlich mit "1" gekennzeichnet. Die Einlassung des Antragstellers zu diesem Befund, es sei ihm aufgrund der Vorgehensweise der griechischen Asylbehörden nicht bewusst gewesen, dass ein Asylverfahren in Griechenland anhängig gewesen sei, hält die Kammer allerdings für eine Schutzbehauptung. Der Antragsteller muss sich entgegenhalten lassen, dass er mit eidesstattlichen Versicherungen vom 29.04. und 26.05.2008 – Blatt 8 und 110 der Akte 2 L 446/08 – ausdrücklich erklärt hat, in Griechenland keine Gelegenheit des Zugangs zum Asylverfahren gehabt zu haben. Er sei von Landsleuten immer wieder davor gewarnt worden, Kontakt mit den griechischen Behörden zwecks Stellung eines Asylantrages aufzunehmen. Dieser erneute Widerspruch im Vorbringen des Klägers veranlasst die Kammer zu der Feststellung, dass die Glaubwürdigkeit des Antragstellers mehr und mehr in Frage zu stellen ist, zumal der Antragsteller seinen Vortrag den im Verfahren gewonnenen Erkenntnissen offenbar anzupassen versucht.

Davon abgesehen kann in der Sache dahinstehen, ob – so die Vermutung des Sachbearbeiters bei dem "Dublin-Referat" der Antragsgegnerin in Dortmund – der 2005 gestellte Asylantrag des Antragstellers in Griechenland (wohl mit Blick auf die lange Verfahrenslaufzeit) zwischenzeitlich abgelehnt worden ist oder noch geprüft wird. Im ersteren Fall ist Griechenland nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 - Dublin II-Verordnung – verpflichtet, den Antragsteller als Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag in Griechenland abgelehnt wurde und der sich unerlaubt des Hoheitsgebiets eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen; gleiches gilt nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) im anderen Fall, in dem sich der Antragsteller während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält. In dem auch dem Antragsteller bekannten Bescheidentwurf der Antragsgegnerin vom 30.07.2008 – Bl. 142 f. der Asylakte – ist zudem zutreffend ausgeführt, dass das Übernahmeersuchen an Griechenland als angenommen gilt.

Dafür, dass der Antragsteller gegenüber einer Rücküberstellung nach Griechenland keines Eilrechtsschutzes im Sinne einer vorläufigen Untersagung der Überstellung bedarf, kann auf die Gründe des Beschlusses vom 23.07.2008 – 2 L 446/08 – zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden; sie beanspruchen Geltung auch für den Fall, dass der Antragsteller in Griechenland ein weiteres Asylgesuch anzubringen hat. Fallbezogen ist insbesondere dem Bescheidentwurf der Antragsgegnerin vom 30.07.2008 zuzustimmen, wonach außergewöhnliche humanitäre Gründe, die dazu Anlass geben könnten, das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben, nicht ersichtlich seien und nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei, dass der Antragsteller in Griechenland nicht die Möglichkeit erhalten werde, ein Asylverfahren durchzuführen, in dem auch sein geltend gemachtes Verfolgungsschicksal ausreichend gewürdigt werde. Dabei weist die Antragsgegnerin zu Recht daraufhin, dass eine günstigere Entscheidungspraxis keinen Anlass bietet, von einer Überstellung abzusehen.

Hervorzuheben ist, dass das griechische Dublin-Büro mit Rundschreiben vom 18.01.2007 an alle Dublin-Büros der Mitgliedstaaten mitgeteilt hat, dass die sogenannte Abbruchpraxis, wonach keine inhaltliche Prüfung des Asylantrags von Antragstellern, die nach Griechenland rücküberstellt worden seien, erfolge, seit dem 08.06.2006 nicht mehr praktiziert werde (vgl. so die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke u. a. – Bundestagsdrucksache 16/8861 vom 22.04.2008 S. 5). Im Übrigen geht die Kammer weiter davon aus, dass dem nicht zu dem Kreis schutzbedürftiger Personen (bei denen von einer Überstellung nach Griechenland im Zweifel abgesehen wird) gehörenden Antragsteller, irreversible Nachteile in einem (weiteren) Asylverfahren auch deshalb nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit drohen, weil er nach eigenen Angaben über Kontakte zu christlichen Irakern und Griechen in Athen verfügt und bereits 2005 für ihn ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden ist.