VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 03.09.2008 - 5 ZB 07.2352 - asyl.net: M14264
https://www.asyl.net/rsdb/M14264
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Rücknahme, Einbürgerung, Hinnahme der Mehrstaatigkeit, Asylberechtigte, Asylberechtigung, Erlöschen, Unterschutzstellung, Pass, Verlängerung, Wehrdienst, Türkei, Türken, Arglist, Falschangaben, Berufungszulassungsantrag, ernstliche Zweifel
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; VwVfG § 48 Abs. 1; AsylVfG § 72 Abs. 1 Nr. 1
Auszüge:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (U. v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 – BVerfGE 116, 24 ff.), des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 14.2.2008 – 5 C 4.07 – NVwZ 2008, 685 f.) und des Verwaltungsgerichtshofs (etwa U. v. 4.5.2005 – 5 B 03.1679 – BayVBl 2007, 117 f.) zutreffend davon ausgegangen, dass Art. 48 BayVwVfG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den Fall der zeitnahen Rücknahme einer Einbürgerung bildet, über deren Voraussetzungen der Eingebürgerte selbst erwiesenermaßen getäuscht hat. Es hat die Voraussetzungen für eine solche Rücknahme mit überzeugenden Gründen bejaht. Der Kläger hat weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164).

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die auf die Ermessensvorschrift des § 8 StAG gestützte Einbürgerung des Klägers unter Hinnahme seiner bisherigen Staatsangehörigkeit rechtswidrig erfolgt sei; denn der Staatsangehörigkeitsbehörde sei verborgen geblieben, dass die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter als maßgeblicher Grund für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit bereits nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG (in der hier maßgeblichen Fassung vom 27.7.1993, BGBl I S. 1361) erloschen gewesen sei, weil der Kläger seinen türkischen Reisepass am 20. Juli 1993 beim Generalkonsulat in M. bis zum 1. Januar 1996 habe verlängern lassen und zudem im Sommer 2000 in der Türkei freiwillig verkürzten Wehrdienst abgeleistet habe. Der Kläger hält dem entgegen, er habe mit der Verlängerung seines Reisepasses lediglich testen wollen, ob ein bestimmter türkischer Erlass in der Praxis tatsächlich umgesetzt worden sei; von dem Pass habe er jedoch keinen Gebrauch gemacht und ihn auch nicht weiter verlängern lassen. Den verkürzten Wehrdienst habe er abgeleistet, um die Aberkennung seiner türkischen Staatsangehörigkeit und die daran knüpfenden Nachteile für Immobilieneigentum und Rentenansprüche in der Türkei zu vermeiden. Diese Einwände des Klägers greifen nicht durch. Der Erlöschenstatbestand des § 72 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG setzt von Seiten des Asylberechtigten die Annahme eines "Vorteils" durch den Heimatstaat voraus, insbesondere in Form der Passerlangung oder -verlängerung, ferner die Freiwilligkeit dieser Annahme und darüber hinaus, dass die Vornahme der Handlung objektiv als Unterschutzstellung zu werten ist (BVerwG, U.v. 2.12.1991 – 9 C 126/90 – BVerwGE 89, 231/235 f. zur Vorgängervorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG). Jedenfalls in der Zusammenschau von Passverlängerung und insbesondere der Ableistung des Wehrdienstes waren diese Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten – allerdings nur bedingt nachvollziehbaren – Motive erfüllt. Von unerheblichen, rein "technischen" Kontakten zu Amtsstellen des Verfolgerstaates kann keine Rede sein. Der Kläger hat durch sie vielmehr freiwillig die rechtlichen Beziehungen zu seinem Heimatstaat dauerhaft wiederhergestellt; er hat sich den Schutz seines Heimatstaates gleichsam "auf Vorrat" gesichert und sich ohne Not in dessen Schutz begeben.

Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe seine rechtswidrige Einbürgerung durch arglistiges Verschweigen der Gründe für das Erlöschen seines Asylstatus erwirkt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Der Kläger hat im Einbürgerungsverfahren schriftlich und unter Belehrung über die möglichen Folgen von Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten erklärt, dass er keinen Heimatpass angenommen habe und nicht in sein Heimatland eingereist sei. Sein Vorbringen, er habe die Erklärung falsch verstanden, hat das Verwaltungsgericht mit Blick auf die deutschen Sprachkenntnisse des Klägers, seine Ausbildung (als türkischer Rechtsanwalt) und seine berufliche Tätigkeit in Deutschland überzeugend als unglaubhafte Schutzbehauptung gewertet. Das bedarf keiner Überprüfung in einem Berufungsverfahren. Soweit der Kläger sich mit dem Zulassungsantrag gegen Vorwurf wendet, er hätte auch zu Auslandsstraftaten vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht, übersieht er, dass das Verwaltungsgericht sich hiermit nicht, schon gar nicht entscheidungserheblich, befasst hat.