VG München

Merkliste
Zitieren als:
VG München, Urteil vom 13.08.2008 - M 11 K 08.50201 - asyl.net: M14303
https://www.asyl.net/rsdb/M14303
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für Angehörigen des Clans der Ogaden aus Somalia wegen drohender Verfolgung durch andere Clans.

 

Schlagwörter: Somalia, Soziale Gruppe, Clans, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, Ogaden, interne Fluchtalternative, Verfolgungssicherheit, Existenzminimum
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für Angehörigen des Clans der Ogaden aus Somalia wegen drohender Verfolgung durch andere Clans.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger gegenüber festzustellen, dass bezüglich Somalia die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr nach Somalia wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahren für sein Leben oder seine Freiheit, die von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, ohne das ihm der Staat, Parteien oder sonstige Organisationen Schutz vor dieser Verfolgung bieten könnten. Dem Kläger drohen nach den Feststellungen des Gerichts in Somalia allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Clan (Ogaden) und damit wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe von Seiten der Angehörigen anderer Clans Gefahren für Leib und Leben. Somalia ist seit 1991 ohne international allgemein anerkannte Regierung. Eine zentralstaatliche Ordnung existiert nicht. Weite Teile des Landes einschließlich ... (nahe Kismayo), dem früheren Wohnort des Klägers, befinden sich in einem andauernden Bürgerkrieg und werden durch lokale Kriegsfürsten und ihre Milizen regiert. Dabei kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen rivalisierender Clanmilizen mit zum Teil erheblichen Opferzahlen. Folter und willkürliche Tötungen sowie die systematische Gewaltanwendung gegenüber feindlichen Clans und Subclans kennzeichnen die bürgerkriegsähnlichen Zustände. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht. Kampfhandlungen und Willkürmaßnahmen unterschiedlicher Milizen und Verfolgungsmaßnahmen gegenüber anderen Clans machen es schwierig oder unmöglich, sichere Zufluchtgebiete (etwa im Norden des Landes) tatsächlich zu erreichen. Zudem sind wegen der allgemeinen schwierigen Wirtschafts- und Sicherheitslage die Überlebensmöglichkeiten solcher Personen in Frage gestellt, die nicht vor Ort im Rahmen familiärer Bindungen unterstützt werden können. Lokale Rivalitäten stellen im Übrigen auch in vermeintlich sicheren Zufluchtgebieten für Rückkehrer je nach Clanzugehörigkeit schwer einzuschätzende, möglicherweise aber lebensbedrohende Gefahren dar. An der Bürgerkriegssituation in Somalia hat sich bis heute nichts wesentliches geändert (vgl. zu vorstehendem die Berichte des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Somalia vom 7. Februar 2006, 17. März 2007 und 5. Mai 2008).