OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.06.2007 - 3 B 34.05 - asyl.net: M14322
https://www.asyl.net/rsdb/M14322
Leitsatz:

Libanesischen Staatsangehörigen ist die Abgabe einer sog. "Freiwilligkeitserklärung" zuzumuten.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, freiwillige Ausreise, Asylantrag, Schengener Durchführungsübereinkommen, Übernahmepflicht, Überstellungsfrist, Passlosigkeit, Schutz von Ehe und Familie, Verschulden, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Libanon, Libanesen, Zumutbarkeit, Freiwilligkeitserklärung
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; SDÜ Art. 30 Abs. 1; SDÜ Art. 31 Abs. 2; SDÜ Art. 31 Abs. 3; GG Art. 6
Auszüge:

Libanesischen Staatsangehörigen ist die Abgabe einer sog. "Freiwilligkeitserklärung" zuzumuten.

(Leitsatz der Redaktion)

[...]

Die nach ihrer Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte (vgl. § 124 a Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO) und auch sonst zulässige Berufung ist nicht begründet.[...]

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG. [...]

2. Dem Kläger steht auch nach § 25 Abs. 5 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom 13. November 2000 nicht zu. [...]

a) Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (§ 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG).

Unter "Ausreise" im Sinne des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist sowohl die zwangsweise Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen (BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift kommt demnach nur dann in Betracht, wenn sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise unmöglich sind (BVerwG, a.a.O., S. 1418/1419).

Daran fehlt es im Falle des Klägers. Zwar ist er jedenfalls gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, da die Versagung der Aufenthaltsbefugnis ihrerseits vollziehbar ist (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 und § 72 Abs. 1 AuslG sowie nunmehr § 58 Abs. 2 Satz 2 und § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Jedoch ist eine Abschiebung in die Niederlande möglich. [...]

aa) Allerdings steht einer freiwilligen Ausreise wie auch einer Abschiebung des Klägers in einen anderen Staat als die Niederlande – was keiner weiteren Erörterung bedarf – der tatsächliche Umstand entgegen, dass er derzeit nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses, Passersatzpapiers oder Heimreisedokuments ist.

bb) Eine Abschiebung des Klägers in die Niederlande ist jedoch nicht unmöglich. Bereits dies schließt, wie dargelegt, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG aus, so dass keiner näheren Untersuchung bedarf, ob der Kläger dorthin auch (noch) freiwillig ausreisen kann.

Zutreffend hat das Bundesamt in seinem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 20. Januar 1998 festgestellt, dass die Niederlande für die Behandlung des Asylbegehrens des Klägers als einem Drittausländer zuständig sind, weil sie ihm einen Sichtvermerk "gleich welcher Art" ausgestellt hatten. Dies ergibt sich aus Art. 30 Abs. 1 lit. a und c des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990 – SDÜ – (BGBl. II 1993, S. 1013).

Die Regelungen des SDÜ sind hier noch maßgebend, auch wenn das Dubliner Übereinkommen vom 27. Juni 1994 – DÜ – (BGBl. II S. 792) mit seinen die entsprechenden Vorschriften des SDÜ ersetzenden Bestimmungen über die Zuständigkeit des Vertragsstaates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags am 1. September 1997 in Kraft getreten ist (vgl. die Bekanntmachung des Auswärtigen Amtes vom 2. Juli 1997, BGBl. II, S. 1452). Das DÜ findet auf vor seinem Inkrafttreten in einem Vertragsstaat gestellte Asylanträge keine Anwendung (VGH Kassel, Urteil vom 25. Februar 2003 – 11 UE 3593/99.A –, juris, Rzn. 6 f.). Die – theoretisch denkbare – Neubestimmung der Zuständigkeit eines Vertragstaates nach dem DÜ für die Behandlung eines schon anhängigen und durch einen nach den Bestimmungen des SDÜ als zuständig ermittelten Vertragsstaates bearbeiteten Asylbegehrens wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und mit dem asylrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht zu vereinbaren. Schon aus diesem Grunde kann nicht angenommen werden, dass die Vertragsparteien des DÜ dem Übereinkommen eine Rückwirkung hinsichtlich der Zuständigkeitsbestimmung haben beilegen wollen. Auch lässt sich der Regelung des Art. 11 Abs. 3 DÜ, nach der es für die Bestimmung der Zuständigkeit nach diesem Übereinkommen auf die im Zeitpunkt der erstmaligen Asylantragstellung in einem Mitgliedsstaat gegebenen Umstände ankommt, entnehmen, dass das DÜ nicht auf bereits anhängige Asylverfahren Anwendung finden sollte (so VGH Kassel, a.a.O., Rz. 7).

Nachdem das hierfür gemäß § 1 Nr. 1 AsylZBV (vom 26. November 1993, BGBl. I S. 1914) zuständige Bundesamt im November 1997 und damit innerhalb von sechs Monaten nach Stellung des Asylantrags die Niederlande darum ersucht hatte, den Kläger zur Behandlung des Asylbegehrens zu übernehmen (vgl. Art. 31 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 SDÜ), waren sie als Mitgliedstaat des SDÜ hierzu verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht unverändert fort, auch wenn sich der Kläger bis heute nicht in die Niederlande begeben hat und die zwangsweise Durchsetzung der Überstellung im Wege der Abschiebung (vgl. § 35 AsylVfG) unterblieben ist. Das SDÜ sieht für die Überstellung des Asylbewerbers zur Behandlung des Asylbegehrens keine Frist vor. Eine dahingehende Regelung findet sich erstmalig in Art. 11 Abs. 5 DÜ, wobei nach – soweit ersichtlich – einhelliger obergerichtlicher Meinung die Überschreitung der hierin vorgesehenen Ein-Monats-Frist nicht den Rückfall der Zuständigkeit für die Behandlung des Asylbegehrens auf den Aufenthaltsstaat zur Folge hat (VGH München, Beschlüsse vom 28. Januar 2002, InfAuslR 2002, 270, und NVwZ 2002, Beilage I, 97; OVG Münster, Beschluss vom 26. Juli 2001, NVwZ-RR 2002, 226; OVG Bremen, Beschluss vom 18. Januar 2001 – 2 A 451/00.A –, juris, Rz. 2). Eine solche Anordnung enthält erst Art. 19 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, vom 18. Februar 2003 – AsylZustVO – (ABl. L 50 S. 1), die das DÜ ersetzt (Art. 24 Abs. 1 AsylZustVO). Das Schweigen des SDÜ lässt vor dem Hintergrund der Entwicklung der europäischen Asylzuständigkeitsbestimmungen nur den Schluss zu, dass das Problem einer nicht unverzüglichen Überstellung eines asylsuchenden Drittausländers in den zuständigen Vertragsstaat den Vertragsparteien des SDÜ entgangen war und daher keine Regelung gefunden hat. Da auch das – offensichtlich auf den aus der Anwendung des SDÜ gewonnenen Erfahrungen beruhende – DÜ, wie gezeigt, keine "Sanktion" für eine nicht fristgemäße Überstellung vorsah und eine solche erst mit Art. 19 Abs. 4 AsylZustVO geschaffen wurde, sind ungeachtet der seit mehreren Jahren unterbliebenen Durchsetzung der Überstellung des Klägers in die Niederlande diese nach wie vor für die Behandlung seines Asylbegehrens zuständig und daher zu seiner Übernahme verpflichtet. Hiervon geht auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus, wie es unter dem 8. Juni 2007 auf Anfrage des Senats mitgeteilt hat. [...]

Nach Sinn und Zweck der europäischen Zuständigkeitsvereinbarungen steht der Abschiebung des Klägers in die Niederlande seine Passlosigkeit nicht entgegen. Eine dahingehende Ausschlussregelung findet sich weder im SDÜ noch im DÜ oder in der AsylZustVO. Vielmehr kommt es nach Art. 11 Abs. 3 DÜ wie auch nach Art. 5 Abs. 2 AsylZustVO für die Zuständigkeitsbestimmung auf die Situation bei erstmaliger Asylbeantragung in einem Vertrags- bzw. Mitgliedstaat an; dass bei der Anwendung des SDÜ anderes gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Zum Zeitpunkt der Asylbeantragung im August 1997 war der Kläger noch im Besitz eines gültigen libanesischen Reisepasses.

Schließlich steht einer Abschiebung des Klägers in die Niederlande zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens nicht entgegen, dass dies zu einer vorübergehenden Trennung von seiner Familie führen würde. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG vermittelt den im gemeinsamen Heimatland verbliebenen Familienangehörigen eines Asylbewerbers keinen Anspruch auf Nachzug und gebietet, wie die in § 43 Abs. 3 AsylVfG zum Ausdruck gelangte Wertung des Gesetzgebers zeigt, nicht, alle Familienmitglieder gemeinsam abzuschieben, deren Asylverfahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolglos enden (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 30. April 2004 – 3 TZ 757/01.A –, juris). Mithin ist eine vorübergehende Trennung des Klägers von seiner in Berlin lebenden Familie während der Dauer des Asylverfahrens auch im Lichte des genannten Grundrechts hinnehmbar.

b) Der Kläger kann im Übrigen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG auch deswegen nicht beanspruchen, weil die Erteilung dieses Aufenthaltstitels in seinem Falle ausgeschlossen ist. Nach § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (§ 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG).

Ein solches Verschulden muss sich der Kläger entgegenhalten lassen. Es kann nicht angenommen werden, dass er sich bei der Botschaft des Libanon ernsthaft und in ausreichendem Maße um die Ausstellung eines Heimreisedokumentes bemüht und dadurch die ihm zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung des aus dem Fehlen eines solchen Papiers resultierenden Ausreisehindernisses erfüllt hat. [...]

bb) Einem libanesischen Staatsangehörigen ist es grundsätzlich zumutbar, sich bei der Botschaft oder sonst zuständigen Stelle seines Heimatlandes ernsthaft und nachdrücklich um die Ausstellung eines für die Einreise in den Libanon erforderlichen Reisedokumentes zu bemühen. Der Begriff der Zumutbarkeit schließt es lediglich aus, einem Ausländer von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen abzuverlangen (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006 – 1 B 54.06 –, juris, Rz. 4; Urteil vom 24. November 1998, NVwZ 1999, 664, 666, zu § 30 Abs. 4 AuslG). Dies lässt sich für Passbeschaffungsbemühungen oder Bemühungen eines libanesischen Staatsangehörigen um ein Heimreisedokument nicht feststellen. Vielmehr ist es einem libanesischen Staatsangehörigen in der Regel möglich, ein solches Papier zu erhalten.

(1) Nach dem Ergebnis der gemäß § 87 Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter vorgenommenen Zeugenvernehmung und den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen ist es für einen ausreisepflichtigen libanesischen Staatsangehörigen nicht von vornherein aussichtslos, bei der libanesischen Botschaft ein Dokument für die Heimreise zu erhalten; dahingehende Bemühungen sind daher grundsätzlich zumutbar. [...]

Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die libanesische Botschaft einem ausreisepflichtigen libanesischen Staatsangehörigen, dessen Identität nachgewiesen ist – wozu nach Angaben des Zeugen S. auch die Vorlage der Kopie eines abgelaufenen Passes genügt – zum Zwecke der Heimreise in den Libanon das dafür erforderliche Laissez-passer ausstellt. Aus den im Verfahren eingeholten Auskünften und Stellungnahmen der Botschaft des Libanon ergibt sich etwas Gegenteiliges nicht. Weitere Aufklärungsmöglichkeiten stehen nicht zur Verfügung. Die Botschaft des Libanon ist der Bitte des Senats nicht nachgekommen, einen Mitarbeiter zu der Verhandlung zu entsenden, der die Praxis bei der Ausstellung von Heimreisedokumenten für ausreisepflichtige libanesische Staatsangehörige hätte erläutern und die Gründe, die der Erteilung eines solchen Papiers für den Kläger entgegenstehen sollen, hätte darlegen können. Auch das Auswärtige Amt hat, wie den Beteiligten in der Verhandlung mitgeteilt worden ist, nach telefonischer Auskunft gegenüber dem Senat keine eigenen Erkenntnisse über die Praxis der libanesischen Botschaft, was die Ausstellung von Pässen und Heimreisepapieren betrifft; insoweit stehen auch der deutschen Botschaft in Beirut keine Erkenntnismöglichkeiten zu Gebote.

(2) Zu den zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse, deren Nichterfüllung als Verschulden des Ausländers der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG zwingend entgegensteht, zählt auch die Bekundung der Bereitschaft zur freiwilligen Rückkehr in den Libanon, die nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Berichterstatter sowie dem Schreiben des damaligen Landeseinwohneramtes Berlin vom 2. Mai 2003, der Auskunft des Clearingstelle Rheinland-Pfalz vom 19. September 2005 und der Mitteilung des Ministeriums für Inneres und Sport des Saarlandes vom 8. Mai 2002 für die Ausstellung eines Heimreisedokumentes erforderlich ist.

Über die Zumutbarkeit der dem Ausländer obliegenden Handlungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Mit der Verwendung des Begriffs „zumutbare Anforderungen“ will es § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG gerade ermöglichen, die Eigenheiten des jeweiligen Einzelfalles angemessen zu berücksichtigen. Dabei kann auch den individuellen intellektuellen Fähigkeiten des Ausländers Rechnung getragen werden (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006, a.a.O.; vgl. auch Göbel-Zimmermann, ZAR 2005, 275, 280; Benassi, InfAuslR 2005, 357, 362). Eine etwaige innere Überzeugung oder ablehnende Einstellung des Ausländers gegenüber der konkret in Rede stehenden Handlung lässt diese nicht von vornherein als unzumutbar erscheinen. So kann von einem Ausländer, der aus Überzeugung staatenlos ist und aus diesem Grunde seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben hat, durchaus verlangt werden, die aufgegebene Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998, a.a.O.).

Besteht – wie hier – das Ausreisehindernis in der Passlosigkeit bzw. dem Fehlen des erforderlichen Heimreisedokuments, kann von dem Betreffenden in aller Regel gefordert werden, dass er diejenigen Handlungen vornimmt, die zur Beschaffung des Dokuments notwendig sind und nur von ihm persönlich vorgenommen werden können. Hierzu zählen vor allem die Herstellung und Vorlage von Passfotos, das Ausfüllen von Antragsformularen und die persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates, sofern diese es verlangt (vgl. u.a. Göbel-Zimmermann, a.a.O.). Von dem Ausländer sind insoweit gesteigerte Anstrengungen zu erwarten, denn das Gesetz weist ihm den Besitz eines gültigen Passes als Obliegenheit zu (§ 3 Abs. 1 AufenthG) und verpflichtet ihn, falls er einen gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt, unter anderem an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Daraus ergibt sich zugleich, dass von dem Ausländer verlangt werden kann, dass er es nicht bei der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und einer Vorsprache bei der Auslandsvertretung seines Heimatstaates belässt, sondern darüber hinaus, falls ihm das Identitätspapier nicht in angemessener Zeit ausgestellt wird, regelmäßig nachfragt, sich nach den Gründen für die Bearbeitungsdauer erkundigt und beharrlich um die Ausstellung des Papiers nachsucht. Ferner ist er gehalten, soweit er nicht anerkennenswerte entgegenstehende Gründe für sich in Anspruch nehmen kann, die Bereitschaft zu einer freiwilligen Ausreise zu bekunden, sofern hiervon die Ausstellung des Reisedokumentes abhängig gemacht wird oder dies geeignet ist, eine sonst nicht absehbare Bearbeitungsdauer deutlich zu verkürzen. Zwar schreibt das Aufenthaltsgesetz eine dahingehende Mitwirkungspflicht des Ausländers nicht ausdrücklich vor, doch folgt eine solche Obliegenheit unmittelbar aus der Ausreisepflicht, in der er sich befindet (so zutreffend Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Februar 2007, Rz. 112 zu § 25 AufenthG). Auf einen entgegenstehenden inneren Willen des Ausländers kommt es dabei nicht an. Dies verdeutlicht bereits der oben aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erwähnte Beispielsfall der Unbeachtlichkeit einer aus Überzeugung angenommenen Staatenlosigkeit. Anderenfalls hätte es ein ausreisepflichtiger Ausländer in der Hand, allein durch die Behauptung eines – der Nachprüfung naturgemäß nicht zugänglichen – bestimmten Willens und durch sein Handeln die Voraussetzungen eines humanitären Aufenthaltsrechts selbst zu schaffen. Dies entspricht nicht Zweck und Ziel des § 25 Abs. 5 AufenthG. Mithin ist die Abgabe einer derartigen Freiwilligkeitserklärung einem ausreisepflichtigen Ausländer grundsätzlich zumutbar (so auch OVG Lüneburg, Urteil vom 11. Dezember 2002, NVwZ 2003, Beilage I, 54, 55; VGH Kassel, Beschluss vom 28. Januar 2005 – 9 UZ 1412/04 –; Hailbronner, a.a.O., Rz. 111; Nr. 25.5.3 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004).

Die dagegen gelegentlich in der Literatur erhobene Polemik (Heinhold, ZAR 2003, 218, 224), die Abgabe einer demWunsch des Betroffenen widersprechenden Freiwilligkeitserklärung sei unzumutbar; eine Pflicht zur Lüge gebe es nicht und die Verweigerung einer Lüge dürfe keine Sanktionen nach sich ziehen, geht fehl. Sie verkennt, dass von dem Ausländer selbstverständlich erwartet wird, die gesetzlichen Bestimmungen des Aufenthaltslandes einzuhalten und dieses Land zu verlassen, wenn er dazu verpflichtet ist. Dies entspricht dem verobjektivierten Willen des Betreffenden. Daher obliegt es ihm, sofern er, wie noch einmal ausdrücklich betont sei, keine anerkennenswerten Gründe für eine gegenteilige Haltung geltend machen kann, sich zur Ausreise bereit zu erklären. Im Übrigen ist an die Verweigerung einer solchen Erklärung keine Sanktion geknüpft, sondern dem Ausländer wird lediglich eine Vergünstigung nicht gewährt. Dem kommt ein Strafcharakter nicht zu.

Die in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte zur Abschiebungshaft teilweise vertretene Auffassung, ein Betroffener, der nicht bereit sei, freiwillig auf legalem Wege in sein Heimatland zurückzukehren, müsse daher auch nicht eine entgegenstehende, inhaltlich falsche Erklärung abgeben (KG, Beschluss vom 25. Oktober 1999, InfAuslR 2000, 229, 230), und deutsche Behörden dürften nicht dazu beitragen, dass ein Ausländer, der, aus welchen Gründen auch immer, nicht freiwillig in sein Heimatland zurückkehren wolle, zur Beschleunigung der Abschiebung gegenüber seinen Heimatbehörden eine falsche Erklärung über seine Rückkehrbereitschaft abgebe (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Juli 1999, NVwZ 1999, Beilage I, 96; dem folgend: Göbel-Zimmermann a.a.O., Seite 280), dürfte auf Besonderheiten der abschiebungsrechtlichen Vorschriften des Ausländergesetzes zurückzuführen sein (so im Ergebnis auch OVG Lüneburg und VGH Kassel, jew. a.a.O., zu dem Beschluss des KG vom 25. Oktober 1999). In Bezug auf die Frage der Zumutbarkeit der Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung im Rahmen der aus der Ausreisepflicht resultierenden Mitwirkungspflicht eines Ausländers kommt dieser – im Übrigen nicht weiter begründeten – Rechtsprechung keine überzeugende Aussagekraft zu.

(3) Liegt das Ausreisehindernis allein in der Passlosigkeit des Ausländers bzw. im Fehlen des erforderlichen Heimreisedokumentes und steht fest, dass die zuständigen Behörden des Heimatlandes derartige Papiere grundsätzlich ausstellen, so trifft den Ausländer die Darlegungs- und Nachweislast dafür, dass er die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen, ein solches Papier zu erhalten, unternommen hat (OVG Münster, st. Rspr., u.a. Beschluss vom 14. März 2006, InfAuslR 2006, 322, 323; Beschluss vom 21. März 2005 – 18 A 4184.03 –, juris, Rz. 4, jew. m.w.N.; im Grundsatz auch: VGH München, Urteil vom 11. Dezember 2006 – 24 B 06.2158 –, juris, Rz. 55; Welte in: Aktuelles Ausländerrecht, Stand: Februar 2007, Rz. 29 a f. zu § 25 AufenthG; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, Rz. 36 zu § 25 AufenthG; a.A. – zu § 30 Abs. 4 AuslG –: Heinhold, ZAR 2004, 27, 32; unklar: Benassi, a.a.O., 363). Dies ist gerechtfertigt, weil es um den Ausländer treffende Mitwirkungspflichten und um Geschehnisse geht, die typischerweise ausschließlich seinem Einflussbereich zugeordnet und der Kenntnisnahmemöglichkeit der Ausländerbehörde entzogen sind.

cc) Nach diesen Maßstäben hat der Kläger nicht dargelegt geschweige denn nachgewiesen, dass er die zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses erfüllt hat. Erschöpfende dahingehende Anstrengungen sind durch die von ihm vorgelegten Formblätter der libanesischen Botschaft, die er dort eingereicht hat, nicht einmal ansatzweise belegt. [...]