Es ist iranischen Staatsangehörigen zuzumuten, ein sog. Freiwilligkeitserklärung abzugeben.(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 125 Abs.1, 101 Abs.2 VwGO entscheidet, ist unbegründet. [...]
Diese Voraussetzung für die hier vorgenommene Kürzung der Leistung auf das unabweisbar gebotene Maß ist erfüllt. Der Kläger hat zwar im für ihn zuständigen iranischen Generalkonsulat in Hamburg einen Passantrag ausgefüllt. Er hat sich aber geweigert, die von den zuständigen Behörden verlangte Erklärung einer freiwilligen Rückkehr abzugeben. Dabei war dem Kläger auch bekannt, dass die Ausstellung von Ausreisedokumenten ohne diese Erklärung von den iranischen Behörden verweigert würde mit der Folge, dass eine Abschiebung in den Iran verhindert würde. Damit hat der Kläger zu vertreten, dass er nicht abgeschoben und so sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht beendet werden kann.
Für das Vertretenmüssen im Sinne des § 1 a Nr. 2 AsylbLG ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die die Vollziehung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme hindernden Gründe in den Verantwortungsbereich des Leistungsberechtigten fallen (vgl. GK-AsylbLG, Stand September 2002, § 1a Rdnr. 98; Nds. OVG – 12. Senat –, Beschl. v. 27. Januar 1997 – 12 M 264/97 – FEVS 47, 296). Das Verhalten muss demnach ursächlich für die Abschiebungsverhinderung und zudem noch dem Leistungsberechtigten vorwerfbar in dem Sinne sein, als es in seinem freien Willen steht. Mit der Weigerung, die verlangte Erklärung über eine freiwillige Ausreise gegenüber den iranischen Behörden abzugeben, hat der Kläger durch die in seinem freien Willen stehende Entscheidung seine Abschiebung verhindert. Der Mitarbeiter des Generalkonsulates hat sodann erklärt, dass eine Ausstellung von Ausreisedokumenten für den Kläger ohne Abgabe der Freiwilligkeitserklärung nicht in Betracht komme. Das Verhalten des Klägers ist also ursächlich dafür, dass eine Abschiebung in den Iran mangels erforderlicher Ausreisedokumente nicht vollzogen werden kann.
Der Kläger hat dieses Verhalten auch zu vertreten. Insoweit verkennt der Kläger, dass ihn als abgelehnten Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG die gesetzliche Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beschaffung der für eine Ausreise notwendigen Dokumente trifft. Auch nennt die Gesetzesbegründung zu § 1 a Nr. 2 AsylbLG ausdrücklich die fehlende Mitwirkung an der Passbeschaffung als einen zu vertretenden Grund (vgl. BT-Drucks. 13/10155, S. 5; ebenso: Nds. OVG, Beschl. v. 30.07.1999 – 12 M 2997/99 –). Soweit der Kläger hier bei dem Generalkonsulat vorgesprochen und das Antragsformular ausgefüllt hat, hat er lediglich einen Teil dieser Mitwirkungsverpflichtung erfüllt. Denn die Pflicht umfasst grundsätzlich die Mithilfe bei der Beschaffung aller für die Heimreise notwendigen Dokumente (vgl. GK-AsylbLG, § 1a Rdnr.104 mwN.). Dazu gehören grundsätzlich auch andere Dokumente, soweit sie, wie hier die verlangte Freiwilligkeitserklärung, von den zuständigen Behörden für notwendig angesehen werden. Diese umfangreiche Verpflichtung findet ihr Korrektiv in der – im weiteren zu erörternden Frage – der Zumutbarkeit für den Einzelnen, das Verlangte beizubringen. Der Senat folgt nicht der im Zusammenhang mit der Verhängung von Abschiebehaft in der Rechtsprechung vertretenen, nicht näher begründeten Ansicht, dem Gesetz sei schon grundsätzlich keine Pflicht zur Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung zu entnehmen (so OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 27. Juli 1999 – 20 W 30699 – NvWZ-Beil. 1999, S.8).
Es ist dem Kläger hier zumutbar, die verlangte Erklärung abzugeben. Das gilt selbst dann, wenn sie nach seinen subjektiven Vorstellungen nicht der Wahrheit entspricht. Grundsätzlich anerkannt ist, dass in materieller Sicht in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung ist, ob dem Handlungsverpflichteten im individuell zu beurteilenden Einzelfall zugemutet werden kann, die begehrte Handlung zu erbringen. Dies hängt zum einen von seinem ausländerrechtlichen Status ab: Dem Asylsuchenden kann der Kontakt mit der ausländischen Vertretung seines Heimatstaates wegen der behaupteten Verfolgung unzumutbar sein (vgl. Kanein/Renner, Ausländerrecht, 7.Auflage 1999, § 15 AsylVfG Rdnr.11), während für den rechtskräftig abgelehnten und vollziehbar ausreisepflichtigen Asylbewerber eine umfangreiche Mithilfe bei den nur von ihm persönlich zu erbringenden Tat- und Rechtshandlungen in Bezug auf die Ausreisepflicht verlangt werden kann (vgl. GK-AsylbLG, § 1a Rdnr. 105 mwN.).
In diesem Zusammenhang ist auch die vom Verwaltungsgericht nicht erwähnte Frage zu berücksichtigen, ob der iranische Staat, vertreten durch sein Konsulat, hier an die Ausstellung eines Passes oder Passersatzpapiers völkerrechtswidrige Anforderungen stellt, die der Kläger dann möglicherweise nicht zu erfüllen hätte. Davon ist indes nicht auszugehen. Zwar ist ein Staat völkerrechtlich verpflichtet, eigene Staatsbürger wieder bei sich aufzunehmen (vgl. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht, 10. Auflage § 63 Rdnr. 1332), aber er kann staatsbürgerliche Rechte auch seinen Staatsangehörigen ganz oder teilweise vorenthalten bzw. von der Erfüllung eigener Verpflichtungen abhängig machen (Seidl-Hohenveldern/Stein, aaO. Rdnr. 1300). Soweit der iranische Staat demnach sein Staatsangehörigkeitsrecht so auslegt, dass seine Staatsbürger gegen ihrenWillen nicht zur Wiedereinreise gezwungen werden können, ist dies jedenfalls nicht von vornherein als völkerrechtswidrig zu bezeichnen.
Soweit der Kläger mit Blick auf die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (KG Berlin, Beschl.v.25.10.1999, InfAuslR 2000, S.229) die Auffassung vertritt, die Abgabe der Freiwilligkeitserklärung könne von ihm nicht verlangt werden und sei deshalb unzumutbar, weil es nach seiner Überzeugung die Unwahrheit wäre, vermag der Senat dem nicht zuzustimmen. Die Entscheidung des Kammergerichts beruht auch nicht allein auf dieser Annahme. Vielmehr ist diese Entscheidung vor dem Hintergrund des (Abschiebungs-) Haftrechts zu betrachten. Die sechsmonatige Abschiebehaft kann nämlich nur dann auf weitere zwölf Monate verlängert werden, wenn der Ausländer seine Abschiebung verhindert (§ 57 Abs. 3 AuslG). Die fehlende Mitwirkung war in den entschiedenen Fällen jedoch nicht kausal für die Unmöglichkeit des Vollzugs der Abschiebung, sondern führte nur zu einer – allerdings erheblichen – Verzögerung. Denn die zuständige Behörde (des Staates Algerien) stellte Passersatzpapiere auch ohne Abgabe der Freiwilligkeitserklärung aus. In diesen Fällen dauerten die Verfahren dann nur erheblich länger (sechs bis zwölf Monate), so dass die Haft zur Sicherung der Abschiebung angesichts der Dauer des Passverfahrens ihren Zweck verfehlt hätte (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 24.10,2000, NVwZ-Beil. 2001, S. 24; KG Berlin, Beschl. v. 25.10.1999, aaO.). Im Falle des Klägers hingegen ist in die Betrachtung einzubeziehen, dass der Erfolg der Abschiebung allein von seinem Verhalten abhängig ist. Der Vertreter der Bezirksregierung E. hat insoweit in seinem Bericht an den Beklagten vom 20.12.1999 und auch im Telefonat mit dem Berichterstatter des Senats am 26.11.2002 dargelegt, dass die iranischen Behörden nach wie vor bereits die Annahme des Antrages zur Ausstellung von Passersatzpapieren ohne Vorlage der Freiwilligkeitserklärung verweigern und damit eine Abschiebung derzeit unmöglich ist. Es besteht mithin ein erhebliches öffentliches Interesse an der vom Kläger verlangten Mitwirkung, ohne die eine Abschiebung jedenfalls nicht vollzogen werden kann. Daran gemessen kann dem Kläger die Abgabe einer solchen Erklärung zugemutet werden, sie ist insbesondere nicht grundrechtswidrig. Weder hat der Kläger eine solche Rechtsverletzung dargetan, noch sieht der Senat Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung etwa der Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) oder des Persönlichkeitsrechts (Art. 2 GG). Die verlangte Erklärung hat auch nicht den Umfang und die Tragweite, um einen solchen, hinreichend schwerwiegenden, Eingriff begründen zu können.
Erkennbares Ziel der Argumentation des Klägers ist die Abwehr einer drohenden, zwangsweisen Aufenthaltsbeendigung mit Rückkehr in seine Heimat. Zudem ist Inhalt der vom Kläger verlangten Erklärung nur Behauptung einer freiwillige Rückkehr. Mit der Rückkehr hat die Erklärung sodann ihre inhaltliche Erledigung gefunden. Anhaltspunkte für ein Fortwirken der Erklärung zum Nachteil des Klägers, etwa in einem künftigen erneuten Asylverfahren, sind, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, vor diesem Hintergrund auch nicht ersichtlich.
Die Abgabe einer Erklärung über die freiwillige Rückkehr ist auch nicht deshalb für den Kläger unzumutbar, weil ihm damit gewissermaßen verdeckt angesonnen würde, er könne jederzeit freiwillig in seine Heimat zurückkehren, und weil unter diesem Gesichtspunkt eine Leistungseinzuschränkung nicht zulässig wäre. Der Gesetzgeber selbst hat sich gegen die Aufnahme einer die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer freiwilligen Ausreise bestimmenden Regelung in den Tatbestand des § 1a AsylbLG ausgesprochen (Gesetzentwurf des Bundesrates v. 06.02.1998, BR-Drucks. 691/97 unter B.; BT-Drucks. 13/11172, S.7). Mithin darf eine solche Regelung nicht gleichsam als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zur Bestimmung der Rechtsfolge wieder herangezogen werden (ebenso: GK-AsylbLG, aaO.Rdnr.150 unter Bezugnahme auf den Wortlaut der Vorschrift). Ein solches Ansinnen liegt in der hier verlangten Mitwirkung aber auch nicht. Die nach § 1a Nr.2 AsylbLG zulässige Leistungskürzung hat insoweit eine andere Zielrichtung. Sie trifft von vornherein nur vollziehbar ausreisepflichtige Personen (§ 1 Abs.1 Nr.5 AsylbLG), bei denen – darüber hinaus – aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Vorschrift hat mithin nicht allein sanktionierenden Charakter, sondern soll den betroffenen Leistungsempfänger nachhaltig anhalten, seinen Pflichten zur Mithilfe bei der eigenen Ausreise nachzukommen. Vor diesem Hintergrund verlangt die Rechtsprechung daher eine gesetzliche Grundlage für die geschuldete Mitwirkungshandlung (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 27.01.1997 – 12 M 264/97 – FEVS 47, 296; VGH BW, Urt. v. 7.3.1996 – 13 S 1443 – NVwZ-Beil. 1996, S.50; GK-AsylbLG, aaO. Rdnr. 101), die hier – wie ausgeführt – in der Pflicht zur Mitwirkung an der Beschaffung eines Identitätspapiers gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG zu finden ist. Mit der Abgabe der verlangten Erklärung ist diese Pflicht zur Mitwirkung erfüllt. Weder wird vom Kläger verlangt, dass er freiwillig ausreist, noch wird die begehrte Mithilfehandlung einer freiwilligen Ausreise gleichgestellt. Da aber der Kläger vollziehbar ausreiseverpflichtet ist, wird von ihm insoweit Rechtstreue verlangt, als er zur Beendigung des Aufenthalts beizutragen hat, soweit ihm dies – wie hier – zuzumuten ist. [...]
Der Beklagte durfte daher die Leistungen auf das im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotene Maß einschränken (§ 1 a Nr. 2 AsylbLG). Dem entspricht die Kürzung um den Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Gebrauchs (Taschengeld) im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG, denn dieser Betrag gehört in der Regel nicht zu der unabweisbar gebotenen Hilfe (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.07.1999 – 12 M 2997/99 – abgedruckt bei GK-AsylbLG, aaO. VII Nr.4 zu § 1a; GK-AsylbLG, aaO. Rdnr.192 mwN.) [...]