VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 10.07.2008 - 6 K 3747/06.A - asyl.net: M14335
https://www.asyl.net/rsdb/M14335
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für äthiopischen Staatsangehörigen wegen exilpolitischen Engagements für die Coalition für Unity and Democracy (CUD).

 

Schlagwörter: Äthiopien, Oppositionelle, exilpolitische Betätigung, Kinijit, Coalition für Unity and Democracy, CUD, Überwachung im Aufnahmeland, Demonstration
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für äthiopischen Staatsangehörigen wegen exilpolitischen Engagements für die Coalition für Unity and Democracy (CUD).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage im Übrigen ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Dem Kläger droht wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit für die Kinijit NRW mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung bei einer Rückkehr nach Äthiopien.

Er ist aktives Mitglied der Kinijit NRW und nimmt regelmäßig an den Treffen der Gruppe und an Demonstrationen teil, wie er in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat. Er hat Kontakt zu den Vorstandsmitgliedern, u.a. zu dem 2. Vorsitzenden Herrn ... über den er zu der Kinijit NRW gekommen ist. Aufgrund dieser exilpolitischen Tätigkeit muss er bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung befürchten.

Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 8. November 2006 ist die Coalition for Unity and Democracy (CUD) das wichtigste Oppositionsbündnis in Äthiopien und gilt als legale politische Partei. Mitglieder der CUD sind im Parlament vertreten. Dennoch werde auch diese Partei in ihrer Arbeit behindert und ihre Anhänger und Kandidaten durch Bedrohung, Verhaftung und wirtschaftliche Benachteiligung eingeschüchtert. Es sei davon auszugehen, dass die führenden Personen in den äthiopischen Exilparteien - dazu zähle die Germany Support Group der CUD - der Regierung bekannt sein. Das Auswärtige Amt verfüge über keine Erkenntnisse dahingehend, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führe. Grundsätzlich komme es auf den Grad der exilpolitischen Aktivitäten (führende Position, Organisation von gewaltsamen Aktionen) an. Diese Einschätzung wird auch in dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2007 gegeben. Darin führt das Auswärtige Amt aus, es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führe. Grundsätzlich komme es darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen als terroristisch eingestuft werde und welche Art exilpolitische Aktivität festgestellt werde (führende Opposition; Organisation, gewaltsame Aktionen). Im Juni/November 2005 war es zu Massendemonstrationen gekommen, an denen hauptsächlich Mitglieder und Sympathisanten der CUDE, die auch unter dem Kürzel CUD bekannt ist, beteiligt gewesen sind, die der Regierung Wahlfälschung vorgeworfen haben. Nachdem Polizei und Militär gewaltsam in die Proteste eingegriffen hatten, wurden mindestens 80 Demonstranten erschossen und Tausende verhaftet. Es waren wiederum hauptsächlich CUD-Mitglieder und Sympathisanten betroffen. Obwohl es sich bei der CUD um eine legale Partei handelt, die auch bei den Parlamentswahlen kandidiert, sind ihre Mitglieder seit dem für die Regierungskoalition ungünstigen Wahlausgang in Äthiopien Verfolgung und Verhaftung unterworfen.

Die legalen Oppositionsparteien werden in ihrer Arbeit behindert, ihre Büros werden durchsucht, Parteimitglieder teilweise in ihrer Reisefreiheit eingeschränkt. Ihre Anhänger und Kandidaten werden von Mitgliedern der Sicherheitskräfte eingeschüchtert. Es gibt gelegentliche Verhaftungen und wirtschaftliche Benachteiligung (z.B.) bei der Vergabe von Wohnungen, Arbeitsplätzen und wirtschaftliche Benachteiligungen. Die Regierung begründet ihre Schritte regelmäßig mit strafrechtlichen Bestimmungen wie z.B. jenen zur Verhinderung terroristischer Aktivitäten oder der Steuerhinterziehung (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2007).

Aus den dem Gericht zur Verfügung stehenden Auskünften und Stellungnahmen, lässt sich entnehmen, dass jedenfalls Personen, die sich - wie der Kläger - in der Bundesrepublik Deutschland exponiert politisch betätigt haben, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger überwacht (so schon Urteil der Kammer vom 15. Mai 2008 - 6 K 2561/07.A -; VG Ansbach, Urteil vom 14. August 2007 - AN 18 K 07.30437; VG Bayreuth, Urteil vom 3. August 2007 - B 3 K 06.30138).

Damit ist davon auszugehen, dass den äthiopischen Behörden aufgrund ihrer Überwachungstätigkeit bekannt wird, dass der Kläger sich hier in der Bundesrepublik Deutschland aktiv politisch für die CUD betätigt und auch die Menschenrechtsverletzungen der äthiopischen Regierung öffentlich bei Demonstrationen anprangert. Es ist davon auszugehen, dass die relativ kleine Gruppe der Mitglieder der Kinijit NRW gut zu beobachten ist.