OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 30.06.2008 - 5 Bs 86/08 - asyl.net: M14353
https://www.asyl.net/rsdb/M14353
Leitsatz:

Die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu erteilen, gilt nur für solche Beschäftigungen, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen.

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Erwerbstätigkeit, Berufsausbildung, qualifizierte Berufsausbildung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, einstweilige Anordnung, Statthaftigkeit, Gebühren, Gebührenbescheid, Widerspruch, Widerspruchsbescheid
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; VwGO § 123 Abs. 1; AufenthG § 58 Abs. 1; AufenthG § 58 Abs. 2; AufenthG § 84 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 18 Abs. 4; BeschV § 25
Auszüge:

Die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu erteilen, gilt nur für solche Beschäftigungen, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen.

(Amtlicher Leitsatz)

 

b) Die Ausführungen der Antragsteller unter II 1. der Beschwerdebegründung vom 25. April 2008 sind nicht geeignet, den Beschluss des Verwaltungsgerichts im Ergebnis in Zweifel zu ziehen. Die Ausführungen über die Verhältnisse in Afghanistan und die angebliche Beeinträchtigung des politischen Ansehens Deutschlands in Afghanistan infolge der hier getroffenen Entscheidung sind für das vorliegende Verfahren irrelevant.

Für die Frage, ob die Antragsteller zu 1 und 2 eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung beanspruchen können, kommt es allein auf die Regelungen der §§ 18, 39 AufenthG an. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass anderen afghanischen Staatsangehörigen möglicherweise Duldungen erteilt werden und ihnen – nach anderen Vorschriften (z.B. § 10 der Beschäftigungsverfahrensverordnung - BeschVerfV) – die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden kann.

c) Ohne Erfolg greifen die Antragsteller die Auffassung des Verwaltungsgerichts an, auch die Regelung des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG entbinde nicht von dem Erfordernis der qualifizierten Berufsausbildung. Nach der genannten Vorschrift kann in begründeten Einzelfällen für eine Beschäftigung, an der ein öffentliches Interesse besteht, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden.

Zutreffend zieht das Verwaltungsgericht aus der Regelungssystematik des § 18 AufenthG den Schluss, dass das Erfordernis einer qualifizierten Berufsausbildung für alle Fälle des Absatzes 4, also auch für Satz 2, gilt. Hierzu zwingt zwar nicht schon der Wortlaut, weil § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht ausdrücklich auf eine Beschäftigung im Sinne des Satzes 1 Bezug nimmt, wohl aber die Stellung der Regelung in Absatz 4 und die Systematik des § 18 AufenthG insgesamt: Absatz 1 enthält eine Regelung bindender Leitlinien für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen zum Zweck der Beschäftigung, die insbesondere für die Ausgestaltung der Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG und im Rahmen der Zustimmungserteilung durch die Bundesagentur für Arbeit bedeutsam sind. Die Absätze 2 und 5 gelten grundsätzlich für alle Beschäftigungen, für deren Ausübung ein Aufenthaltstitel begehrt wird. Diese allgemeinen Vorschriften werden konkretisiert durch die Absätze 3 und 4, die zwischen Beschäftigungen unterscheiden, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzen (Absatz 4) und solchen, die ohne eine solche Ausbildung ausgeübt werden können (Absatz 3). Hätte die in Absatz 4 Satz 2 enthaltene Regelung eine Aufenthaltserlaubnis zu Beschäftigungszwecken unabhängig von den Regelungen beider Absätze ermöglichen sollen, hätte die Aufnahme in einen eigenständigen Absatz nahegelegen. Mit dem hieraus folgenden beschränkten Anwendungsbereich ermöglicht Absatz 4 Satz 2 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, aber nicht im Tätigkeitenkatalog der §§ 26 bis 31 der Beschäftigungsverordnung (BeschV) enthalten ist.

Das Ergebnis entspricht der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand April 2008, § 18 AufenthG Rn. 25; derselbe, Asyl- und Ausländerrecht, Rn. 119; Schiedermair/Wollenschläger, Handbuch des Ausländerrechts der Bundesrepublik Deutschland, Stand Mai 2008, Teil 3 D III. Rn. 365 f.; Blechinger/Weißflog, Das neue Zuwanderungsrecht, Stand Mai 2008, 4.6.1.1). Soweit hierzu eine andere Sichtweise vertreten wird (vgl. Storr/Kreuzer in Storr/Wenger/Eberle/ Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 18 Rn. 23; wohl auch Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 18 AufenthG Rn. 8), wird der Stellung des Satzes 2 in Absatz 4 nicht genügend Beachtung geschenkt. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gibt keinen ausreichenden Hinweis, der ein Abweichen vom Ergebnis der systematischen Auslegung rechtfertigt. Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt nur den heutigen Absatz 2. § 18 AufenthG hat im Vermittlungsausschuss seine jetzige Form erhalten; die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drs. 15/3479) enthält indes keine Begründung, die Auskunft über die Gründe der Neugestaltung der Vorschrift geben könnte.

d) Als Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, ist eine Tätigkeit anzusehen, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung erfordert (so ausdrücklich § 25 BeschV, erlassen aufgrund von § 42 Abs. 1 und 2 AufenthG). Die Antragsteller zu 1 und 2 haben auch mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht glaubhaft gemacht, dass die Ausübung der von ihnen beabsichtigten Bäcker-Tätigkeiten am Tandoor-Ofen eine in diesem Sinn qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt.