Eine "außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit" ist in Verwaltungsstreitverfahren nicht statthaft. Dies gilt auch für nach § 80 AsylVfG unanfechtbare Entscheidungen des Verwaltungsgerichts im Anwendungsbereich von § 34 a AsylVfG.
(Amtlicher Leitsatz)
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2008 ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
1. § 80 AsylVfG schließt die Beschwerde gegen "Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz" aus; davon ausgenommen ist allein die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 133 Abs. 1 VwGO).
Die vorliegende Streitsache ist eine Rechtsstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der (angekündigten) Anordnung der Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland. Diese Maßnahme soll auf der Grundlage von § 34 a Abs. 1 AsylVfG erfolgen. Der Antragsteller hat in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt. Die Antragsgegnerin sieht Griechenland als den auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, § 27a AsylVfG; sie zieht insoweit die Vorschriften in Art. 13 und 18 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist (ABl. L 50 v. 25.2.2003, S. 1 - VO Dublin II -), heran. Das Vorliegen einer Rechtsstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz, hier also über die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung auf der Grundlage von § 34 a Abs. 1 AsylVfG, hängt nicht darüber hinaus noch davon ab, dass die Zuständigkeit des anderen Staates tatsächlich besteht; diese Frage macht den Rechtsstreit vielmehr gerade aus.
Das Verwaltungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss eine Entscheidung in der vorbezeichneten Rechtsstreitigkeit getroffen. Zu den "Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten" im Sinne von § 80 AsylVfG gehören selbstverständlich auch die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes getroffenen Entscheidungen nach § 80 VwGO oder § 123 VwGO. Ob die angefochtene Entscheidung in der Sache falsch ist oder ob vorläufiger Rechtsschutz nach der Vorschrift in § 34 a Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen überhaupt ausscheidet, berührt die Feststellung nicht, dass hier eine Entscheidung in einer Rechtstreitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz ergangen ist.
2. Zweifel an der Gültigkeit von § 80 AsylVfG bestehen nicht. Der Beschwerdeausschluss ist mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Weder Art. 19 Abs. 4 GG noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip gewährleisten einen Instanzenzug (BVerfG, Beschl. v. 7.7.1992, BVerfGE 87, 48 zu § 10 Abs. 3 Satz 8 AsylVfG Fassung 1990; Kammerbeschluss v. 9.6.1993, 1 BvR 983/93, juris).
3. Die von der Antragsgegnerin erhobene "außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit" ist nicht statthaft.
a) Nach früher verbreiterter Ansicht ließen die Prozessordnungen der einzelnen Gerichtsbarkeiten Raum für eine außerordentliche Beschwerde gegen nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidungen, wenn ein Verfahrensgrundrecht verletzt oder die Entscheidung aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig war (vgl. BGH, Beschl. v. 4.3. 1993, BGHZ 121, 397; Beschl. v. 8.10.1992, BGHZ 119, 372; BVerwG, Beschl. v. 31.1.2000, Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 25; BFH, Beschl. v. 22.11.1994, BFH/NV 1995, 791; nach diesen Grundsätzen hat auch das Beschwerdegericht judiziert, vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 14.12.2000, DVBl. 2001, 1225). Unter den vorgenannten Voraussetzungen sind außerordentliche Beschwerden auch gegen nach § 80 AsylVfG unanfechtbare Entscheidungen der Verwaltungsgerichte im Anwendungsbereich von § 34 a AsylVfG als zulässig angesehen worden (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 4.1.2000, 2 B 453/99.A, juris; VGH München, Beschl. v. 28.10.1993, DVBl. 1994, 61; OVG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 30.3.1994, 4 B 7/94.A, juris).
b) Für die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist nach der gegenwärtigen Gesetzeslage und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kein Raum mehr.
Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887, 1902) hat der Bundesgerichtshof nicht mehr an seiner Rechtsprechung festgehalten, die bei greifbar gesetzwidrigen Entscheidungen in eng begrenzten Ausnahmefällen eine außerordentliche Beschwerde für zulässig gehalten hat (BGH, Beschl. v. 7.3.2002, BGHZ 150, 133). Maßgeblich dafür ist die Erwägung, dass der Gesetzgeber mit § 321 a ZPO nunmehr eine Abhilfemöglichkeit für Verfahren vorgesehen hat, in denen eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung bislang nicht möglich war. Damit ist die Grundentscheidung getroffen, dass der Verfassungsverstoß der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Gericht behoben werden soll, das ihn begangen hat. Räumt das Gericht einen Verfassungsverstoß nicht aus, kommt allein die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts im Wege der Verfassungsbeschwerde in Betracht. Diese Systementscheidung gilt auch für das Verwaltungsprozessrecht und ist inzwischen für Fälle der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in § 152 a VwGO geregelt. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist damit für eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit kein Raum mehr (BVerwG Beschl. v. 5.10.2004, NVwZ 2005, 232; Beschl. v. 7.8.2007, 3 B 43/07, juris). Die Auffassung, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 2004, 3220) generell die Statthaftigkeit einer außerordentlichen Beschwerde (auch) in Fällen greifbarer Gesetzwidrigkeit abzulehnen ist, vertreten ebenso der Bundesfinanzhof (BFH, Beschl. v. 30.11.2005, BFHE 211, 37) und das Bundessozialgericht (BSG, Beschl. v. 15.8.2005, B 1 A 1/04 S, juris). Dieser Judikatur hat sich das Beschwerdegericht angeschlossen (OVG Hamburg, Beschl. v. 23.1.2004, NordÖR 2004, 583; Beschl. v. 4.7.2008, 3 So 13/08, juris).
Eine im Wege richterlicher Rechtsfortbildung eröffnete außerordentliche Beschwerde widerspräche darüber hinaus den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit (BVerfG, Beschluss des Plenums v. 30.4.2003, BVerfGE 107, 395; Kammerbeschluss v. 16.1.2007, NJW 2007, 2538). Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Rechtsmittelklarheit steht einer Zulassung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen, die den geschriebenen Verfahrensgesetzen nicht zu entnehmen sind, entgegen.
c) Das Asylgrundrecht und das Rechtsstaatsprinzip gebieten es nicht, diese Grundsätze für den Bereich des Asylrechts einzuschränken. Nach § 80 AsylVfG unanfechtbare Gerichtsentscheidungen, die das Asylgrundrecht verletzen und die nicht im Wege der Selbstkorrektur aufgehoben werden, kann der Asylantragsteller mit der Verfassungsbeschwerde angreifen. Dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unterlegenen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht zur Durchsetzung seiner Rechtsauffassung der Instanzenzug des Hauptsacheverfahrens zur Verfügung.