VG Hannover

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Zitieren als:
VG Hannover, Urteil vom 03.07.2008 - 12 A 8672/06 - asyl.net: M14360
https://www.asyl.net/rsdb/M14360
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gem § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan wegen drohender Suizidgefahr.

 

Schlagwörter: Aserbaidschan, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, Depression, Suizidgefahr, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Abschiebungsverbot gem § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan wegen drohender Suizidgefahr.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klage hat Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte im Hinblick auf seine Erkrankung das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner Person feststellt.

Zwar ist davon auszugehen, dass der Kläger die bereits im Dezember 2006 begonnene antivirale Therapie inzwischen abgeschlossen hat. Ausweislich der vorgelegten Arztberichte und des zuletzt vorgelegten Attestes leidet der Kläger jedoch weiterhin an einem schweren depressiven Verstimmungszustand, der mit den genannten Pychopharmaka behandelt wird. Ohne diese Behandlung besteht weiterhin eine erhebliche Suizidgefahr. Die somit zur Vermeidung schwerer Gesundheitsschäden dringend benötigte medikamentöse Behandlung wird der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhalten.

Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17.06.2008 befindet sich das Gesundheitssystem in Aserbaidschan in einem schlechten Zustand. Es gibt kein funktionierendes staatliches Krankenversicherungssystem. Medikamente sind zwar erhältlich oder können beschafft werden; eine kostenlose medizinische Versorgung besteht jedoch nur formell. Nach dem Bericht der Deutschen Botschaft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 02.03.2007 ist zwar laut noch bestehender gesetzlicher Regelungen z.B. die Krebsbehandlung grundsätzlich kostenlos. De facto erfolgt jedoch - wie generell im medizinischen Bereich - die erforderliche Behandlung und Medikamentenversorgung ohne entsprechende Bezahlung nicht bzw. wird sie abgebrochen oder gar nicht erst begonnen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe kommt in ihrem Gutachten vom 08.06.2006 zu dem Ergebnis, dass in Aserbaidschan informelle Zahlungen für nahezu alles zu leisten sind: Medikamente, Visiten, Material, ärztliche Leistungen und solche des Pflegepersonals.

Dass der Kläger oder seine Ehefrau die für die dringend benötigte Behandlung erforderlichen Beträge aufbringen können, kann schon im Hinblick auf die Erkrankung des Klägers und die erst sieben bzw. 10 Jahre alten Kinder nicht angenommen werden. Staatliche oder sonstige Unterstützung für bedürftige Personen (sozialer Wohnraum, Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe) gibt es in Aserbaidschan nicht (vgl. AA, Lagebericht vom 07.05.2007).