VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 20.06.2008 - 9 K 226/03.A - asyl.net: M14379
https://www.asyl.net/rsdb/M14379
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Kosovo wegen paranoid-halluzinatorischer Psychose.

 

Schlagwörter: Kosovo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, paranoid-halluzinatorische Psychose, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Kosovo wegen paranoid-halluzinatorischer Psychose.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Ausweislich der im Verfahren vorliegenden ärztlichen Berichte und Stellungnahmen leidet der Kläger an einer paranoidhalluzinatorischen Psychose mit dauerhaften Wahnvorstellungen. Wegen mangelnder Krankheitseinsicht und der dauernden Gefahr einer Selbstschädigung aufgrund psychotischer Halluzinationen ist er zur Vermeidung einer erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigung neben der ärztlichen Versorgung auf ständige umfassende Betreuung angewiesen. Die Betreuung erfolgt in einem Pflegewohnheim im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII; zuständiger Sozialhilfeträger ist der Landschaftsverband ..., der den Hilfefall unter Kontrolle hält.

Bei einer Rückkehr in den Kosovo wäre die erforderliche Betreuung des Klägers nicht sichergestellt. Nach der Erkenntnislage des Gerichts bestehen im Kosovo staatlicherseits lediglich Betreuungseinrichtungen für geistig behinderte Personen mit wenigen Plätzen, deren Aufnahmekapazitäten stark begrenzt sind. Die Dauertherapieeinrichtung in ... ist ständig überlastet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Kosovo vom 29. November 2007; Deutsches Verbindungsbüro Kosovo, Auskunft an das Landratsamt Bodenseekreis vom 2. April 2007).

Ob ein privates Pflegeheim im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers für dessen Betreuung in Betracht käme (vgl. nur nachrichtlich zu privaten Pflegeheimen im Kosovo: Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo an den Landkreis Hameln-Pyrmont vom 1. November 2007) kann dahinstehen, da der mittellose Kläger die für die Unterbringung dort entstehenden Kosten nicht aufbringen könnte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf den vom Bundesamt angeführten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. September 2003 - 13 A 2597/03.A -. Diese Entscheidung betrifft einen Fall von Betreuungsbedürftigkeit wegen Behinderung und geht davon aus, dass in allen Gemeinden des Kosovos Zentren für soziale Arbeit vorhanden sind, welche die Betreuung von Menschen, die sich aus sozialen oder gesundheitlichen Gründen nicht um sich selbst kümmern können, übernehmen und die u.a. auch die Betreuung von einsamen psychiatrischen Patienten durchführen und für diese Medikamente beschaffen oder diese zu ärztlichen Kontrollen bringen. Vorliegend stehen aber nicht derartige zeitweilige einzelne Betreuungsleistungen in Rede, erforderlich ist vielmehr zur Vermeidung einer Selbstschädigung die ständige Betreuung und Beaufsichtigung des Klägers durch geschultes Personal. Aus diesem Grund scheidet auch eine Betreuung durch die Mutter des Klägers bereits ohne Rücksicht auf deren alters- und gesundheitsbedingte Verfassung aus.