Der Erlass einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet kommt nur ausnahmsweise in Betracht; ein Ausnahmefall liegt vor, wenn der Antragsteller erhebliches Vorbringen im Wege des Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend macht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts nach Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet kommt nur ausnahmsweise in Betracht; ein Ausnahmefall liegt vor, wenn der Antragsteller erhebliches Vorbringen im Wege des Abänderungsantrags nach § 80 Abs. 7 VwGO geltend macht.
(Leitsatz der Redaktion)
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
2. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre. Dies gilt jedenfalls insoweit, als sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 7 VwGO vom 18. August 2008 richtet. Insbesondere bedarf näherer Klärung, ob das Verwaltungsgericht bei der Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO den Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gerecht geworden ist. Dabei wird auch zu klären sein, welche Bedeutung hier im Hinblick darauf, dass das innerstaatliche Recht einschließlich der Grundrechte des Grundgesetzes nach Möglichkeit so auszulegen und anzuwenden ist, dass kein Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entsteht (vgl. BVerfGE 111, 307 <325 ff.>; BVerfGK 3, 4 <8>), dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Juli 2008 - 25904/07 - in der Rechtssache NA. gegen das Vereinigte Königreich zukommt.
3. a) In Verfassungsbeschwerdeverfahren, denen Asylverfahren zugrunde liegen, in denen Asylanträge als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, ist bei der Folgenabwägung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu berücksichtigen, dass bereits verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung gewährt werden darf. Art. 16a Abs. 4 GG modifiziert insoweit die Rechtsschutzgarantien aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl.BVerfGE 94, 166 <218 f.>). Damit wird für die offensichtlich unbegründeten Asylanträge dem öffentlichen Interesse an dem Sofortvollzug der behördlichen Entscheidung von Verfassungs wegen der Vorrang vor dem Individualinteresse eingeräumt, solange das Verwaltungsgericht nicht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Offensichtlichkeitsurteils hat. Hat die Verfassung mit dieser Abwägung und Gewichtung von Individual- und Gemeinwohlbelangen Art. 19 Abs. 4 GG modifiziert und insoweit schon verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nur eingeschränkt zugelassen, so bleibt dies nicht ohne Auswirkungen auf die nach § 32 BVerfGG vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG kommt in Fällen, in denen das Bundesamt den Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, kaum in Betracht (vgl.BVerfGE 94, 166 <218 f.>).
b) Hier ist ausnahmsweise auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorprägung der Folgenabwägung durch Art. 16a Abs. 4 GG Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (aa)). Die Nachteile, die der Beschwerdeführer hinnehmen müsste, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, er aber mit der Verfassungsbeschwerde obsiegte, wiegen hier schwerer als die Nachteile für die Allgemeinheit, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, der Beschwerdeführer aber später mit seiner Verfassungsbeschwerde nicht durchdringen könnte (bb)).
aa) Im Unterschied zum Regelfall einer Verfassungsbeschwerde gegen eine das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes bestätigende verwaltungsgerichtlichen Eilentscheidung sind die hier für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 5 oder 7 AufenthG möglicherweise entscheidenden Umstände im Verfahren vor dem Bundesamt nicht erörtert und erst mit dem letzten Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend gemacht worden. Die zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erging erst nach der Ablehnung des Asylantrags des Beschwerdeführers. Damit handelt es sich hier nicht um den Regelfall, bei dem zunächst das Bundesamt zu einem Offensichtlichkeitsurteil gelangt ist und das Verwaltungsgericht dieses Ergebnis auf der Grundlage von im Wesentlichen gleichen Tatsachen auf das Bestehen ernstlicher Zweifel an seiner Richtigkeit überprüft hat. Jedenfalls wenn es - wie hier - an der im Kern übereinstimmenden Grundlage für die Entscheidung von Bundesamt und Verwaltungsgericht fehlt, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren andere Umstände im Mittelpunkt der Erwägungen stehen als vor dem Bundesamt, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2008 - 2 BvR 1336/08).
bb) Bliebe dem Beschwerdeführer der begehrte Erlass der einstweiligen Anordnung versagt, obsiegte er aber in der Hauptsache, könnten möglicherweise bereits eingetretene Rechtsbeeinträchtigungen mit schwerwiegenden Folgen für Leib und Leben nicht mehr verhindert oder rückgängig gemacht werden. Die Nachteile, die entstünden, wenn die einstweilige Anordnung erginge, dem Beschwerdeführer der Erfolg in der Hauptsache aber versagt bliebe, wiegen dagegen hier ausnahmsweise weniger schwer.
4. Mit der einstweiligen Anordnung wird nur die Zurückweisung nach Sri Lanka einstweilen untersagt, nicht aber die Verpflichtung zur Gewährung der Einreise ausgesprochen. Letzteres entspräche dem Begehren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Da aber selbst bei einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde nur die Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse und eine Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht in Betracht kommt, kann der Beschwerdeführer auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung in der Sache (hier: Einreise in das Bundesgebiet) nicht erhalten (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Juli 2008 - 2 BvR 1336/08).