Die Durchführung einer Anhörung zu den Fluchtgründen stellt keine Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin II-Verordnung dar; kein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts wegen des Aufenthalts von Verwandten, die nicht zur Kernfamilie gehören, in Deutschland.
Die Durchführung einer Anhörung zu den Fluchtgründen stellt keine Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin II-Verordnung dar; kein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts wegen des Aufenthalts von Verwandten, die nicht zur Kernfamilie gehören, in Deutschland.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Der Antrag ist unzulässig.
Gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung nach Absatz 1 - also unter anderem die hier in Rede stehende Abschiebung nach Italien als sicherer Drittstaat bzw. für die Durchführung des Asylverfahrens zuständiger Staat - nicht nach § 80 oder § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung ausgesetzt werden.
Die Vorschrift ist hier anwendbar. Insbesondere hat die Bundesrepublik entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 EG-AsylZustVO Gebrauch gemacht, indem sie die Antragsteller zu 1) und zu 2) zu ihrem Verfolgungsschicksal angehört hat.
Die bloße Anhörung zur Sache stellt entgegen der von den Antragstellern zitierten Auffassung des VG Hamburg (Beschluss vom 20. August 2008 - 8 AE 356/08 -, juris, Rn. 3) noch keine Ausübung des Selbsteintrittsrechts dar (so auch VG des Saarlandes, Urteil vom 24. September 2008 2 K 94/08 -, juris, Rn. 38 m.w.N.). Insbesondere liegt darin - auch wenn die Antragsteller nicht nur zu ihrem Reiseweg, sondern auch zu ihrem Verfolgungsschicksal angehört wurden - keine "Prüfung" im Sinne von Art. 3 Abs. 2 EG-AsylZustVO, sondern allenfalls deren Vorbereitung. Etwas anderes lässt sich auch der Zusammenschau von Art. 3 Abs. 2 EG-AsylZustVO mit anderen Vorschriften der EG-AsylZustVO nicht entnehmen. Insbesondere vermag der Hinweis der Antragsteller auf Art. 16. Abs. 1 lit. b EG-AsylZustVO nicht zu überzeugen. Nach dieser Vorschrift trifft den zuständigen Mitgliedstaat die Pflicht, die Prüfung über den Asylantrag "abzuschließen". Soweit die Antragsteller daraus im Anschluss an das VG Hamburg einen weiten Begriff der "Prüfung" hergeleitet wissen wollen mit der Folge, dass der unzuständige Mitgliedstaat sich nach deren Beginn nicht mehr auf seine Unzuständigkeit berufen können soll, leuchtet dies nicht ein. Denn die Vorschrift setzt - selbst wenn man ihr einen weiten Prüfungsbegriff entnehmen und die Anhörung zur Sache bereits als Teil der "Prüfung" ansehen würde - jedenfalls voraus, dass ein unzuständiger Mitgliedstaat die Prüfung beginnen kann, ohne dadurch zum zuständigen zu werden; andernfalls wäre die Regelung in ihrem systematischen Zusammenhang (Kapitel V.: "Aufnahme und Wiederaufnahme") überflüssig. Überdies geht auch Art. 21 Abs. 3 der EG-AsylZustVO ersichtlich davon aus, dass der unzuständige Mitgliedstaat bereits Gründe zur Kenntnis genommen und aktenkundig festgehalten haben kann, die der Asylbewerber zur Stützung seines Antrags angeführt hat, ohne dadurch zwingend zuständig geworden zu sein.
Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts. Dabei kann dahinstehen, ob und inwieweit die Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedstaates nach Art. 3 Abs. 2 der EG-AsylZustVO überhaupt ein subjektives Recht eines Asylbewerbers zu begründen vermag (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 24. September 2008 a.a.O., Rn. 41 f. m.w.N.). Denn jedenfalls sind Gründe, die eine Ausübung des im Ermessen der Antragsgegnerin stehenden Selbsteintritts zwingend gebieten würden, nicht ersichtlich. Insbesondere genügt der Aufenthalt von Verwandten, bei denen es sich - wie bei den hier in dem anwaltlichen Schreiben vom 18, November 2008 angeführten Angehörigen (Brüder, Schwestern, Tanten u.a.) - nicht um "Familienangehörige" im Sinne von Art. 15 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 lit. i der EG-AsylZustVO handelt, nicht (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 18. Juli 2008 - AN 19 K 08.30206 -, juris, Rn. 17).
Das am ... 2008 in Trier geborene Kind wiederum ist zwar familienangehörig im Sinne von Art. 2 lit. 1 EG-AsylZuStVO. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn das Kind ist gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EG-AsylZustVO für die Zwecke der Verordnung untrennbar mit der Situation seiner Eltern verbunden und wird dementsprechend mit diesen nach Italien überführt werden. Im Übrigen setzt eine Zusammenführung nach Art. 15 Abs. 1 EG-AsylZustVO voraus, dass der aus humanitären Gründen zuständig werdende Mitgliedstaat den Asylantrag auf Ersuchen des anderen Staats prüft, womit hier Italien die Bundesrepublik um Prüfung ersucht haben müsste (vgl. VG Ansbach, Urteil. vom 18. Juli 2008 a.a.O.).
Ist nach alledem die Vorschrift des § 34a Abs. 2 AsylVfG hier anwendbar, so käme in verfassungskonformer Auslegung die vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO allenfalls dann in Betracht, wenn eine die konkrete Schutzgewährung in Zweifel ziehende Sachlage im für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gegeben wäre (vgl. m.w.N. VG Gießen, Beschluss vom 25. April 2008 - 2 L 201/08.GI.A -, InfAuslR 2008, 327).
Dafür wurden in Bezug auf Italien jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen und sind auch von Amts wegen nicht ersichtlich.
Ein Anordnungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass in dem Schreiben der Ausländerbehörde vom 5. November 2008 das am ... 2008 in Trier geborene Kind nicht erwähnt wird. Dieses wird, wie bereits ausgeführt, nicht von seinen Eltern getrennt werden, sondern ist gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EG-AsylZustVO diesen kraft Gesetzes zugeordnet. [...]