VG Frankfurt a.M.

Merkliste
Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 08.10.2008 - 1 K 565/08.F - asyl.net: M14428
https://www.asyl.net/rsdb/M14428
Leitsatz:

Entscheidet die Ausländerbehörde über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung der Frist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht rechtzeitig, so kommt ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Neuerteilung des erloschenen Aufenthaltstitels in Betracht; ein Aufenthaltstitel erlischt gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, wenn der Ausländer ausreist, um einen auf unabsehbare Zeit pflegebedürftigen Angehörigen zu pflegen.

 

Schlagwörter: D (A), Erlöschen, Aufenthaltstitel, Niederlassungserlaubnis, Ausreise, freiwillige Aureise, vorübergehender Grund, Familienangehörige, Pflegebedürftigkeit, Auslandsaufenthalt, Erlöschensfrist, Ausländerbehörde, Antrag, Fortsetzungsfeststellungsklage, Feststellungsinteresse, Folgenbeseitigungsanspruch
Normen: AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 6; AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 7
Auszüge:

Entscheidet die Ausländerbehörde über einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Verlängerung der Frist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht rechtzeitig, so kommt ein Folgenbeseitigungsanspruch auf Neuerteilung des erloschenen Aufenthaltstitels in Betracht; ein Aufenthaltstitel erlischt gem. § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG, wenn der Ausländer ausreist, um einen auf unabsehbare Zeit pflegebedürftigen Angehörigen zu pflegen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist im Hauptantrag unzulässig. Der Kläger kann die Verlängerung der Erlöschensfrist nicht mehr verlangen, weil die Niederlassungserlaubnis bereits erloschen ist und durch eine nachträgliche Verlängerung der Erlöschensfrist nicht wieder zum Leben erweckt werden kann (HessVGH B. v. 16.03.1999 - 10 TZ 325/99 -, InfAuslR 1999, 454). Zuletzt hatte der Beklagte die Erlöschensfrist auf dem 14.10.2007 bestimmt. Da sie keine weitere Fristbestimmung vorgenommen hat, ist die Niederlassungserlaubnis des Klägers am 14.10.2007 erloschen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Antrag auf erneute Fristbestimmung rechtzeitig, nämlich vor dem Zeitpunkt des Erlöschens gestellt worden ist. Es kommt nämlich für den Erlöschenszeitpunkt allein auf die Fristbestimmung an und nicht darauf, wann ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Mit dem Eintritt des Erlöschens am 14.10.2007 ist der zuvor gestellte Antrag auf Fristbestimmung deshalb obsolet geworden.

Der Hilfsantrag ist jedoch statthaft und zulässig. Der Kläger kann sein ursprüngliches Verpflichtungsinteresse im Wege der (unmittelbaren) Fortsetzungsfeststellungsklage erfolgreich weiterbetreiben. [...] Dass die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage vermittelnde Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers liegt vor. Im Falle des Erfolges hätte der Kläger nämlich einen Anspruch darauf, im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO) rechtlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn die Verlängerung der Erlöschensfrist rechtzeitig erfolgt wäre. Das wäre im Wege der Erteilung einer neuen Niederlassungserlaubnis auf der Basis des § 23 Abs. 2 AufenthG möglich, wobei diese, da der Kläger auch nicht besser gestellt werden müsste, als er stehen würde, wenn die Verlängerung rechtzeitig erfolgt wäre, mit der Bestimmung versehen werden dürfte, dass sie erlischt, wenn der Kläger nicht bis zum 14.10.2008 in die Bundesrepublik zurückkehrt. Der Kläger hätte dann die Möglichkeit, für einen weiteren Aufenthalt im Ausland eine weitere Verlängerung der Erlöschensfrist zu beantragen.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger ist nicht dadurch in seinen Rechten verletzt worden, dass die Erlöschensfrist nicht rechtzeitig verlängert worden ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Verlängerung lagen nämlich nicht vor. Der Beklagte hätte dem Antrag des Klägers auch bei rechtzeitiger Bescheidung nicht entsprechen dürfen.

Nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 erlischt der Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausreist. In einem solchen Fall kommt die Verlängerung der Erlöschensfrist durch die Behörde nicht in Betracht. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:

"Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist diese Voraussetzung für ein Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis nicht nur erfüllt, wenn der seiner Natur nach nicht vorübergehende Grund bereits im Zeitpunkt der Ausreise vorliegt, sondern auch dann, wenn er erst während des Aufenthalts des Ausländers im Ausland eintritt. Es kommt demnach darauf an, aus welchem Grund der Ausländer ausreist und sich im Ausland aufhält. Dieser Grund ist, wie sich ebenfalls aus Sinn und Zweck des Gesetzes unmittelbar ergibt […], nicht nur vorübergehender Natur u.a. dann, wenn der seinetwegen erfolgende Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets zeitlich nicht hinreichend bestimmt ist, der Ausländer sich also auf unabsehbare Zeit im Ausland aufhält." (BVerwG, Beschl. v. 28.04.1982 - 1 B 148/81 -, NVwZ 1982, 683).

Der Grund ist also dann nicht nur vorübergehender Natur, wenn der seinetwegen erfolgende Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets zeitlich nicht hinreichend bestimmt ist, der Ausländer sich also auf unabsehbare Zeit im Ausland aufhält. Das ist gerade auch dann der Fall, wenn der Ausländer das Bundesgebiet verlässt, um einen dauerhaft pflegebedürftigen Angehörigen für die Dauer der Pflegebedürftigkeit zu pflegen (OVG Hamburg Urt. v. 02.02.1990 - Bf IV 86/89 -, EZAR 108 Nr. 3).

Es mag zwar sein, dass der Kläger in der Vergangenheit immer nur für einen vorübergehenden Zweck ausreisen wollte, weil er davon ausging, dass der Pflegebedarf seines Sohnes nur temporär sein würde. Jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Antragstellung war angesichts der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung aber klar, dass sich die Pflegbedürftigkeit des Sohnes zeitlich nicht bestimmen lässt und der Kläger andererseits für diese unbestimmte Dauer die Pflegeleistung erbringen will. Eine behördliche Bestimmung der Erlöschensfrist kam damit nicht mehr in Betracht. [...]