Die Ausschreibung zur Festnahme im Informationssystem INPOL gem. § 50 Abs. 7 AufenthG kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Ausländer einer behördlichen Vorladung nicht gefolgt ist; die Ausschreibung zur Festnahme stellt zwar keine Freiheitsentziehung gem. Art. 104 GG dar, aber einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG; ein Anspruch auf Ersuchen der Ausländerbehörde an das Landeskriminalamt auf Löschung der Ausschreibung kann durch eine Leistungsklage durchgesetzt werden.
Die Ausschreibung zur Festnahme im Informationssystem INPOL gem. § 50 Abs. 7 AufenthG kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Ausländer einer behördlichen Vorladung nicht gefolgt ist; die Ausschreibung zur Festnahme stellt zwar keine Freiheitsentziehung gem. Art. 104 GG dar, aber einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG; ein Anspruch auf Ersuchen der Ausländerbehörde an das Landeskriminalamt auf Löschung der Ausschreibung kann durch eine Leistungsklage durchgesetzt werden.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist als Leistungsklage statthaft und zulässig. Der Kläger begehrt die Löschung der Ausschreibung in dem Informationssystem INPOL. Dabei handelt es sich um das elektronische Informationssystem der deutschen Polizeien, die vom Bundeskriminalamt verwaltet wird. Die Landeskriminalämter können Eingaben in dieses System vornehmen und auch Einträge löschen. Der Beklagte hat jedoch die Möglichkeit, durch ein entsprechendes Ersuchen beim Hessischen Landeskriminalamt die Löschung zu bewerkstelligen. Dabei handelt es sich um einen hoheitlichen Realakt, den durchzusetzen die Leistungsklage die geeignete Klageart darstellt.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Löschung der Ausschreibung zu seiner Festnahme veranlasst. Die Ausschreibung zur Festnahme und nicht erst diese selbst einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen des Klägers dar. Es handelt sich dabei zwar nicht um einen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 104 GG (Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung). Denn die Ausschreibung zur Festnahme ist noch nicht mit der Festnahme selbst gleichzustellen, sondern bereitet diese nur vor. Die Ausschreibung stellt also keine Freiheitsentziehung dar. Infolgedessen steht die Ausschreibung zur Festnahme weder unter dem Vorbehalt des förmlichen Gesetzes (Art. 104 Abs. 1 GG), noch unter Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG). Deshalb bedarf es für die Ausschreibung noch keines Haftbefehls (vgl. dazu BVerfG, B. v. 15.05.2002 – 2 BvR 2292/00 –; B. v. 01.04.2008 – 2 BvR 1925/04 –; VG Koblenz, B.v. 24.07.2007 – 3 L 1035/07.KO –; VG Hamburg, Urt. v. 24.10.2005 – 4 K 3236/04 –; OLG Celle, B.v. 25.11.2004 – 16 W 136/04 –). Ob der Kläger im Wege der verwaltungsgerichtlichen vorbeugenden Unterlassungsklage die Verpflichtung des Beklagten herbeiführen könnte, die Festnahme des Klägers ohne vorhergehenden Haftbefehl zu unterlassen, kann dahingestellt bleiben. [...]
Die Ausschreibung zur Festnahme stellt aber jedenfalls einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG dar. Denn sie führt dazu, dass die betroffene Person in besonderer Weise in das Fadenkreuz der Ordnungsbehörden gerät und jederzeit mit ihrer Festnahme rechnen muss. Damit ist ihre Handlungsfreiheit im Vergleich zu einer Person, die nicht zur Festnahme ausgeschrieben ist, nachhaltig beeinträchtigt.
Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit sind allerdings im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung zulässig. Dies bedeutet zunächst, dass es einer materiellen Rechtsnorm bedarf, die zu dem Eingriff ermächtigt (BVerfG, Urt. v. 16.12.1957 – 1 BvR 253/56 – ["Elfes"], BVerfGE 6, 32 [38]). Eine solche Rechtsgrundlage für die Ausschreibung zur Festnahme zum Zwecke der Abschiebung ist § 50 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach kann ein Ausländer zum Zwecke der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Die Ausschreibung setzt danach also voraus, dass der Aufenthalt des Klägers unbekannt ist.
Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Aufenthalt des Klägers unbekannt ist oder jedenfalls Mitte Juli 2008 war. Eine Wohnungsadresse des Klägers war und ist dem Beklagten bekannt. Dafür, dass sich der Kläger dort nicht mehr aufhielt und sein gegenwärtiger Aufenthalt somit unbekannt war, gibt es keine belastungsfähigen Indizien. Allein aus dem Umstand, dass der Ausländer auf eine behördliche Vorladung nicht reagiert, kann nicht geschlossen werden, dass er untergetaucht ist. Ein solcher Schluss könnte allenfalls gezogen werden, wenn eine Ladung an die zuletzt bekannte Wohnanschrift scheitert, weil der Adressat dort unbekannt oder nach unbekannt verzogen ist. Im vorliegenden Fall geht aus den Akten nicht einmal zweifelsfrei hervor, ob eine Vorladung an den Kläger überhaupt ergangen ist und, sofern sie ergangen sein sollte, ob sie ihn erreicht hat. In den Akten gibt es kein Ladungsschreiben, sondern nur einen handschriftlichen Vermerk "Angeschrieben bzgl. pers. Vorsprache bis zum 09.07.2008". Der Behördenpraxis entspricht es jedoch, Doppel ihrer Schreiben zu den Akten zu nehmen. Jedenfalls fehlt es auch an jeglichem Hinweis darauf, dass ein etwaiges Vorladungschreiben zugestellt worden ist. Ist es jedoch nur als einfacher Brief abgesandt worden, ist nicht sicher, ob es den Kläger überhaupt erreicht hat. [...]