Die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB setzt nicht die Bestandskraft der aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraus. es genügt bereits das Vorliegen einer vollziehbaren Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mangels aufschiebender Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage.
Im Rahmen der Entscheidung über die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge sind die Erfolgsaussichten der Klage des Verurteilten gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme - abgesehen von einer Kontrolle auf offensichtliche Willkür und greifbare Gesetzwidrigkeiten - nicht zu prüfen.
Für die nachträgliche Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge eröffnet § 67 Abs. 3 Satz 2 StGB keinen über die Soll-Regelung des Abs. 2 Satz 4 hinausgehenden richterlichen Ermessensspielraum.
Die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB setzt nicht die Bestandskraft der aufenthaltsbeendenden Maßnahme voraus. es genügt bereits das Vorliegen einer vollziehbaren Ausreisepflicht gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG mangels aufschiebender Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage.
Im Rahmen der Entscheidung über die Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge sind die Erfolgsaussichten der Klage des Verurteilten gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahme - abgesehen von einer Kontrolle auf offensichtliche Willkür und greifbare Gesetzwidrigkeiten - nicht zu prüfen.
Für die nachträgliche Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge eröffnet § 67 Abs. 3 Satz 2 StGB keinen über die Soll-Regelung des Abs. 2 Satz 4 hinausgehenden richterlichen Ermessensspielraum.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine nachträgliche Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 StGB sind erfüllt.
a) Der Verurteilte ist vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Dem steht nicht entgegen, dass er Klage gegen den Bescheid der Ausländerbehörde vom 19. Juni 2008 erhoben hat. Zwar hat die Ausländerbehörde nicht die sofortige Vollziehung der Ausweisung angeordnet, so dass die Klage dagegen aufschiebende Wirkung hat. Dennoch ist der Verurteilte gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, weil die Ausländerbehörde zugleich seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat und gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis keine aufschiebende Wirkung hat, ohne dass es hierzu einer besonderen Anordnung bedarf. Es handelt sich hierbei um eine unabhängig von der gleichzeitigen Ausweisung bestehende selbständige Begründung der vollziehbaren Ausreisepflicht (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 58 AufenthG, Rdnr. 8).
Auf die Bestandskraft der Ausweisung kommt es dagegen nicht an. Maßgeblich ist nach dem Gesetzeswortlaut allein das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht, welche sich nach den Regeln des Aufenthaltsrechts beurteilt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Oktober 2008, 1 Ws 434/08. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 67 Rdnr. 14). Wann hiernach eine vollziehbare Ausreisepflicht besteht, ergibt sich aus § 58 Abs. 2 AufenthG (vgl. Schöch, in: LKStGB, 12. Aufl., § 67 Rdnr. 101). Weder der Wortlaut des § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB noch die Gesetzesmaterialien hierzu ergeben, dass der Gesetzgeber nur bestimmte Fallgruppen der vollziehbaren Ausreisepflicht mit der Regelung erfassen wollte. Vielmehr nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs im Zusammenhang mit der Tatbestandsvoraussetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht ausdrücklich auf § 58 Abs. 2 AufenthG Bezug (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 15). [...]
b) Es ist auch zu erwarten, dass der Aufenthalt des Verurteilten im Bundesgebiet während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird. Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, zum 15. Januar 2009 gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Strafe abzusehen, und die Ausländerbehörde hat erklärt, sie werde in dem Fall die Abschiebung durchführen. Das laufende Klageverfahren steht dem nicht entgegen. Ansonsten würde die Regelung des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG leer laufen. Die Erfolgsaussichten der Klage oder eines möglichen Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO sind in diesem Zusammenhang von den Strafvollstreckungsgerichten nicht zu prüfen. Dies muss - abgesehen von der immer gebotenen Kontrolle auf offensichtliche Willkür und greifbare Gesetzwidrigkeiten - der zuständigen Fachgerichtsbarkeit vorbehalten bleiben. Offensichtliche Willkür oder greifbare Gesetzwidrigkeiten sind vorliegend jedoch nicht festzustellen. [...]
2. Das gerichtliche Ermessen ist vorliegend dahingehend auszuüben, dass der vollständige Vorwegvollzug der Strafe angeordnet wird. Zwar enthält § 67 Abs. 3 Satz 2 StGB die Formulierung, dass das Gericht die Anordnung nach Abs. 2 Satz 4 auch nachträglich treffen "kann". Dieser Wortlaut eröffnet jedoch keinen über Abs. 2 Satz 4 hinausgehenden richterlichen Spielraum, es gilt vielmehr auch hier dessen ermessenseinschränkende Soll-Regelung (vgl. Fischer, a.a.O. Rdnr. 19). Daraus ergibt sich, dass die Anordnung der Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge bei Erfüllung des Tatbestands - wie hier - in der Regel zu treffen ist und nur in begründeten Ausnahmefällen unterbleiben darf. Ein derartiger Ausnahmefall kann etwa vorliegen, wenn der Zustand des Verurteilten seine Behandlung in einer Entziehungsanstalt zur Abwehr unmittelbarer gesundheitlicher Gefahren notwendig erscheinen lässt (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 15. Schneider a. a. O.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Auch sonst sind keine Umstände vorhanden, die die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigen. Allein die noch völlig offene Möglichkeit einer späteren Wiedereinreise nach Ablauf einer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG erfolgten Befristung genügt dafür nicht. Denn diese dürfte in nahezu allen von § 67 Abs. 2 Satz 4 StGB erfassten Fällen früher oder später bestehen. Ebenso wenig steht der Umkehranordnung entgegen, dass die Revision des Verurteilten seinerzeit gerade im Hinblick auf die unterbliebene Entscheidung über die Maßregel Erfolg hatte. Denn die Sachlage hat sich erst im Nachhinein durch die Entscheidung der Ausländerbehörde geändert, durch die die vollziehbare Ausreisepflicht begründet wurde.
[...]