Kann eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem Ausländer nur in Deutschland gelebt werden, etwa weil er als Flüchtling anerkannt ist, drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück; ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG liegt nicht vor, wenn die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen und daher die Erteilung des Aufenthaltstitels gem. § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG im Ermessen steht; die Erteilung einer Duldung ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Ausländer erkennbar einen Daueraufenthalt anstrebt.
Kann eine familiäre Lebensgemeinschaft mit einem Ausländer nur in Deutschland gelebt werden, etwa weil er als Flüchtling anerkannt ist, drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück; ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 10 Abs. 3 S. 3 AufenthG liegt nicht vor, wenn die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen und daher die Erteilung des Aufenthaltstitels gem. § 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG im Ermessen steht; die Erteilung einer Duldung ist nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Ausländer erkennbar einen Daueraufenthalt anstrebt.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die zulässige Beschwerde des Ast. hat Erfolg. [...]
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, erwiese sich das Aufenthaltsbegehren später jedoch als begründet, so entstünde dem Ast., seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind durch den Vollzug der Abschiebung mit Blick auf die wertsetzende Bedeutung des Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG) und die gegenwärtig nicht abschätzbare Dauer der Trennung ein schwerer Nachteil, der die Beeinträchtigung etwaiger Interessen der öffentlichen Hand durch den zunächst verlängerten Aufenthalt des Ast. in der Bundesrepublik Deutschland bei weitem überwiegt.
1. Nach § 60 a Abs. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Rechtlich unmöglich ist die Abschiebung unter anderem dann, wenn Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet entgegenstehen (vgl. BVerwGE 105, 35 [43]; 106, 13 [17]; st.Rspr.). Ein verfassungs- und konventionsrechtlicher Schutz ist stets dann geboten, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (vgl. EGMR, Urt. v. 31.1.2006 – 50435/99-, InfAuslR 2006, 298 [299] "Da Silva und Hoogkamer"; BVerwG, Urt. v. 27.6.2006 – 1 C 14/05 –, BVerwGE 126, 192 [196 f.]; OVG NW, B.v. 15.5.1999 – 17 B 2737/98 –, InfAuslR 1999, 412 [413]; OVG NW, B. v. 7.2.2006 – 18 E 1534/05 –, NVwZ-RR 2006, 576 [577]; OVG Saarlouis, B. v. 17.7.2000 – 1 W 1/99 –, NVwZ-Beil. 2001, 21 [22]; BayVGH, B. v. 2.7.1999 – 10 CE 99.968 –, NVwZ-Beil. 2000, 5 [6]; VGH BW, B. v. 5.7.1999 – 13 S 1101/99 –, NVwZ-Beil. 1999, 97 [98]; VGH BW, B. v. 2.5.2000 – 13 S 2456/99 –, InfAuslR 2000, 395 [396]; VGH BW, B. v. 22.11.2006 – 13 S 2157/06 –, AuAS 2007, 38; OVG Bautzen, B. v. 31.8.2000 – 3 BS 713/99 –, NVwZ-RR 2001, 689 [690]; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 6.12.2006 – 2 M 317/06 –, InfAuslR 2007, 104 [105]). Dies kann nicht nur bei Ehegatten der Fall sein, etwa wenn einer der Partner aufgrund individueller Besonderheiten, insbesondere Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder psychischer Not mehr als im Regelfall üblich auf den persönlichen Beistand des anderen Ehegatten angewiesen ist, sondern erstrecht im Verhältnis von Eltern und kleinen Kindern (vgl. VGH BW, B.v. 19.4.2001 – 13 S 555/01 –, InfAuslR 2001, 381; VG Hamburg, B.v. 29.10.2002 –8 VG 3547/2002 –, InfAuslR 2003, 62 jeweils m.w.N.). In diesen Fällen hat die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers regelmäßig zu unterbleiben (BVerwG, Urt. v. 27.6.2006 – 1 C 14/05 –, BVerwGE 126, 192 [196 f.]).
Die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigter Weise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen, wobei der Schutzbereich dieser Bestimmungen nicht auf deutsche Staatsangehörige beschränkt ist. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz von Ehe und Familie korrespondiert ein Anspruch des einzelnen Grundrechtsträgers aus Art. 6 GG gegenüber den zuständigen staatlichen Behörden und Gerichten, bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen zu berücksichtigten (vgl. BVerfGE 76, 1 [49 ff.]; 80, 81 [93]). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten.
Kann die Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer, seinem Ehepartner und den gemeinsamen Kindern nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, etwa weil bei einem der beiden Partner unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt und diesem deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt wurde, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 –, NVwZ 2000, 59; OVG Saarlouis, B. v. 17.7.2000 – 1 W 1/99 –, NvWZ-Beil. 2001, 21 [22]; OVG Hamburg, B. v. 25.9.2003 – 1 Bs 457/03 -, AuAS 2004, 40). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor Entstehung der schützenswerten Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682 [683] m.w.N.). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass durch das nachträgliche Entstehen einer von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG grundsätzlich geschützten Lebensgemeinschaft regelmäßig eine neue Situation eintritt, die sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht eine Zäsur bewirkt und damit zu einer Neubeurteilung und –bewertung zwingt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 [60] m.w.N.; siehe auch VGH BW, B. v. 2.5.2000 – 13 S 2456/99 –, InfAuslR 2000, 395 [397]; OVG Hamburg, B. v. 25.9.2003 – 1 Bs 457/03 –, AuAS 2004, 40 [41]; OVG Saarlouis, Urt. v. 15.9.2006 – 2 R 1/06 – Juris; VG Wiesbaden, B. v. 19.11.2003 – 8 G 1975/03. A (2) -, AuAS 2004, 50; VG Stuttgart, Urt. v. 8.8.2007 – 2 K 3070/07 –, InfAuslR 2008, 32 [36]). Auf die Frage, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (so ausdrücklich BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682 [683] m.w.N.).
Bei einer Vater-Kind-Beziehung ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes besitzt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, 682 [683] m.w.N.). Dies gilt unmittelbar mit der Geburt. Bei der Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Vorschriften darf deshalb nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl I, 2942) die Rechtspositionen des Kindes und seiner Eltern sowohl hinsichtlich des gemeinsamen Sorgerechts als auch hinsichtlich des Umgangsrechts gestärkt wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.2.2003 – 1 C 13.02 –, BVerwGE 117, 380 [390]; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 6.12.2006 – 2 M 317/06 –, InfAuslR 2007, 104 [105]; VG Stuttgart, Urt. v. 8.8.2007 – 2 K 3070/07 –, InfAuslR 2008, 32 [36]). Seither ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange der Eltern und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 –, NVwZ 2006, 682 [683] m.w.N.; BVerwGE 117, 380 [390 f.]). Insbesondere ist zu beachten, dass gerade bei einem kleinen Kind die Entwicklung sehr schnell voranschreitet, so dass selbst eine verhältnismäßig kurze Zeit der Trennung mit Blick auf Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schon unzumutbar lang sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 2. Senats vom 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 [60]; siehe auch VGH BW, B. v. 2.5.2000 – 13 S 2456/99 –, InfAuslR 2000, 395 [397]; BayVGH, B. v. 2.7.1999 – 10 CE 99.968 –, NVwZ-Beil. 2000, 5 [6]; OVG Hamburg, B. v. 25.9.2003 – 1 Bs 457/03 –, AuAS 2004, 40 [41]; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 6.12.2006 – 2 M 317/06 –, InfAuslR 2007, 104 [105]).
2. Hiervon ausgehend steht dem Ast. ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Duldung zu. Die hiervon abweichende Entscheidung des Verwaltungsgerichts wird den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht, vor allem verkennt sie Bedeutung und Tragweite des Schutzes von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG). Der Ast. hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
a) Ein Anordnungsgrund besteht, weil der Ast. unanfechtbar ausreisepflichtig ist und die Aggin. seine Abschiebung beabsichtigt. Der vom Ast. geltend gemachte Duldungsanspruch würde durch den Vollzug der Abschiebung vernichtet, was es mit Blick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) rechtfertigt, die Hauptsache – wenn auch nur vorläufig – vorweg zu nehmen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 123 RdNr. 14 a).
b) Der Ast. hat auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihm nach § 60 a Abs. 2 AufenthG ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung zusteht. Mit Blick auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und dem am 29. Dezember 2007 geborenen gemeinsamen Kind ist eine Abschiebung des Ast. wegen Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 8 EMRK rechtlich unmöglich.
aa) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts scheitert die Erteilung einer Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG nicht daran, dass es dem Ast. erkennbar darum geht, die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind im Bundesgebiet fortzuführen. Zwar kommt der Duldung, die nach § 60 a AufenthG nur die zeitweise Aussetzung der Abschiebung beinhaltet, in der Tat nicht die Funktion eines vorbereitenden oder ersatzweise gewährten Aufenthaltsrechts zu. Typischerweise wird daher in Fällen, in denen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 EMRK der Entfernung des Ausländers aus dem Bundesgebiet entgegen stehen und die Abschiebung daher aus rechtlichen Gründen unmöglich ist, diesem Abschiebungshindernis nicht durch Erteilung einer Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG entsprochen werden können; vielmehr ist in diesen Fällen grundsätzlich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG (s. hierzu näher unter 3.) ins Auge zu fassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1997 – 1 C 9.95 –, BVerwGE 105, 35 [43 f.]; VGH BW, B. v. 2.5.2000 – 13 S 2456/99 -, InfAuslR 2000, 395 jeweils zu § 30 Abs. 3 AuslG 1990). Dies ändert allerdings nichts daran, dass gemäß § 88 VwGO zunächst über das Antragsbegehren des Ast. – die Erteilung einer Duldung – zu entscheiden ist.
bb) Die Voraussetzungen des § 60 a Abs. 2 AufenthG sind vorliegend erfüllt. Die Abschiebung des Ast. ist mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK unvereinbar und damit rechtlich unmöglich. Die Lebensgemeinschaft des Ast. mit seiner Ehefrau und dem am 29. Dezember 2007 geborenen gemeinsamen Kind kann aufgrund des Umstandes, dass bei der Ehefrau des Ast. die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und dieser deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt wurde, gegenwärtig nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden. Dem Ast. ist es aufgrund des Kindeswohls, auf das maßgeblich abzustellen ist, nicht zuzumuten, seine familiären Beziehungen durch Ausreise für unbestimmte Zeit zu unterbrechen, zumal gerade bei kleinen Kindern die Entwicklung sehr schnell voranschreitet und sich mangels entsprechender Feststellungen der Ausländerbehörde weder die Dauer noch die Erfolgsaussichten eines Visumverfahrens konkret prognostizieren lassen (vgl. hierzu Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2008, § 60 a RdNr. 134). [...]
cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Ast. durch seine Behauptung, nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses zu sein, einen Ausweisungstatbestand (§ 55 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) verwirklicht hat. Die dadurch berührten Belange der Bundesrepublik Deutschland überwiegen die durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten privaten Interessen des Ast., seiner Ehefrau und des gemeinsamen Kindes nicht schon deshalb, weil der Ast. vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen – Verschweigen des Besitzes eines gültigen Reisepasses – verstoßen hat. Vielmehr ist durch das nachträgliche Entstehen der von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten Lebensgemeinschaft eine neue Situation eingetreten, die im Lichte der nunmehr zu Tage getretenen Umstände eine Neubeurteilung erforderlich macht. Im Fall des Ast. überwiegt das Interesse des gemeinsamen Kindes, von den mit einer Ausweisung des Vaters verbundenen Härten verschont zu bleiben und das Interesse der mit einem Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 2 AufenthG ausgestatteten Ehefrau, ihren Gatten an ihrer Seite zu wissen, das öffentliche Interesse an der Sanktionierung der Nichtbeachtung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften und der Abwehr entsprechender ausländerrechtlicher Straftaten deutlich.
Jedenfalls wäre eine noch verbleibende Wiederholungsgefahr – sofern sie denn ernstlich erwogen werden sollte – nicht gewichtig genug, den durch Art. 6 GG gebotenen Schutz des Kindeswohls zu überwinden.
Die Aggin. war daher zu verpflichten, die begehrte Duldung zu erteilen.
3. Hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht zu Recht bereits im Eilverfahren problematisierten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 4.6.1997 – 1 C 9.95 –, BVerwGE 105, 35 [43 f.]; VGH BW, B. v. 2.5.2000 – 13 S 2456/99 -, InfAuslR 2000, 395 jeweils zu § 30 Abs. 3 AuslG 1990) ist auf Folgendes hinzuweisen:
a) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass dem Ast. keine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 c AufenthG erteilt werden darf, obwohl seine Ehefrau eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG besitzt.
aa) Einem solchen Anspruch steht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Danach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag – wie hier – unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe von Kapitel 2 Abschnitt 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen) erteilt werden. Die vom Ast. in erster Linie begehrte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 3 c AufenthG ist jedoch nicht im Abschnitt 5, sondern im Abschnitt 6 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes angesiedelt.
Eine Ausnahme von der Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG käme nur dann in Betracht, wenn dem Ast. ein Anspruch auf die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels zustünde (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG). Für die Annahme eines Rechtsanspruchs auf Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels reicht es allerdings nicht aus, dass nur die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsnorm im engeren Sinne (hier § 30 Abs. 1 Nr. 3 c AufenthG – "ist … zu erteilen") erfüllt sind. Denn das Recht, von der Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu verlangen, hängt in seinem Bestand nicht nur von diesen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auch von denjenigen Anforderungen ab, die als allgemeine Erteilungsvoraussetzungen in § 5 AufenthG geregelt sind (vgl. NdsOVG, U.v. 27.4.2006 – 5 LC 110/05 –, Juris – m.w.N.). Infolgedessen ist – zumindest grundsätzlich – ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dann nicht gegeben, wenn aufgrund des Vorliegens von Versagungsgründen oder des Fehlens von allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5 AufenthG) nur nach Ermessen ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.3.2004 – 1 C 11/03 –, NVwZ-RR 2004, 687 [688] zum AuslG 1990). In diesen Fällen besteht kein unmittelbarer gesetzlicher Anspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich ein solcher auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. NdsOVG, U.v. 27.4.2006 – 5 LC 110/05 –, Juris – m.w.N.).
bb) Hiervon ausgehend steht dem Ast. ein Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 c AufenthG nicht zu, da er durch seine Behauptung, nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses zu sein, die Ausweisungstatbestände des § 55 Abs. 2 Nr. 1 a und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat und deshalb die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Nichtvorliegen eines Ausweisungsgrundes) nicht gegeben ist.
b) Entgegen der Auffassung der Aggin. und des Verwaltungsgerichts hat der Ast. jedoch Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.
aa) Zunächst kann dem Verwaltungsgericht nicht darin gefolgt werden, dass ein Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG schon deshalb nicht in Frage kommt, weil der Ast. bei der Ausländerbehörde ausdrücklich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen beantragt habe. Dem Ast. geht es erkennbar darum, ein Aufenthaltsrecht aufgrund der Eheschließung vom 13. August 2007 und der Geburt des gemeinsamen Kindes am 29. Dezember 2007 zu erreichen. Hierfür bietet nicht nur § 30 Abs. 1 Nr. 3 a AufenthG eine Anspruchsgrundlage, sondern auch § 25 Abs. 5 AufenthG, wonach einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn seine Ausreise aus rechtlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2006 – 24 C 06.954 – Juris).
bb) Derartige Hindernisse können sich insbesondere aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen unter anderem auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind. [...]
cc) Dass diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind, wurde bereits dargelegt (vgl. oben 2.). [...]
dd) Zwar ist der Aggin. und dem Verwaltungsgericht einzuräumen, dass die Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG, die grundsätzlich auch bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG beachtet werden müssen, nicht vollständig erfüllt sind. Zum einen liegt ein Ausweisungsgrund (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) vor, zum anderen ist der Ast. nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG). Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG hat die Ausländerbehörde jedoch bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 im Ermessenswege zu entscheiden, ob sie von der Erfüllung der fehlenden Voraussetzungen absieht.
Entsprechend dem Zweck des § 25 Abs. 5 AufenthG, für die Aufnahme in das Bundesgebiet aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen eine zusammenfassende Sonderregelung zu schaffen, ist insoweit eine umfassende Abwägung zwischen den öffentlichen und den privaten Interessen geboten (vgl. Bäuerle, in: GK-Aufenthaltsgesetz, § 5 RdNr. 185 f. m.w.N.). In diese Abwägung sind einerseits die hinter § 5 AufenthG stehenden staatlichen Interessen, andererseits die privaten Interessen des Ausländers – vor allem die grundrechtlich geschützten – einzustellen (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 8.8.2007 – 2 K 3070/07 –, InfAuslR 2008, 32 [36]; VG Oldenburg, Urt. v. 17.1.2007 – 11 A 2381/05 –, Juris). Dabei kann der Nichteinhaltung der Erteilungsvoraussetzungen vor dem Hintergrund des dargelegten Normzwecks grundsätzlich nicht das gleiche Gewicht beigemessen werden, das ihr bei Aufenthaltsbegehren zu anderen Zwecken zukommt (vgl. Bäuerle, in: GK-Aufenthaltsgesetz, § 5 RdNr. 185 f. m.w.N.).
Hinsichtlich des Vorliegens eines Ausweisungsgrundes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) ist deshalb zu berücksichtigen, dass die Geburt eines (gemeinsamen) Kindes regelmäßig eine Zäsur in der Lebensführung des Ast. darstellt, die den Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Vorschriften vor Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft in einem anderen Licht erscheinen lässt und die Versagung aufenthaltsrechtlichen Schutzes im Interesse des verfassungsrechtlich verbürgten Kindeswohls grundsätzlich nicht mehr zu rechtfertigen vermag (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B v. 6.12.2006 – 2 M 317/06 –, InfAuslR 2007, 104 [105]; OVG Saarlouis, Urt. v. 15.9.2006 – 2 R 1/06 – juris; OVG Bautzen, B. v. 31.8.2000 – 3 BS 713/99 –, NVwZ-RR 2001, 689 f.; VG Stuttgart, Urt. v. 8.8.2007 – 2 K 3070/07 –, InfAuslR 2008, 32 [36]). Dementsprechend wird die Ausländerbehörde ihr Ermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG regelmäßig zu Gunsten des Ausländers, bei dem – wie hier – dieses Kriterium erfüllt ist, auszuüben haben.
Gleiches gilt im Hinblick auf den Umstand, dass der Ast. ohne das erforderliche Visum eingereist ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Auch insoweit sind die legitimen Interessen des Ausländers gegen das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens abzuwägen. Dabei verläuft die Grenze des noch Zumutbaren regelmäßig dort, wo das Beharren auf der Einhaltung des Visumszwangs objektiv als unangemessen empfunden werden müsste (vgl. hierzu auch OVG NRW, B.v. 5.10.2006 – 18 B 1767/06 –, InfAuslR 2007, 56 [57] m.w.N.). Letzteres ist vor allem dann der Fall, wenn – wie hier – die Gefahr einer zeitlich nicht absehbaren und mit dem Kindeswohl nicht zu vereinbarenden längeren Trennung besteht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 6.12.2006 – 2 M 317/06 –, InfAuslR 2007, 104 [105]; VG Stuttgart, Urt. v. 8.8.2007 – 2 K 3070/07 –, InfAuslR 2008, 32 [36]). In diesen Fällen ist aufgrund der Verfassungsrechtslage regelmäßig von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen (vgl. BVerwGE 105, 35 [44]).
Der Senat geht deshalb davon aus, dass dem Ast. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt wird. [...]