VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 18.06.2008 - 2 L 1532/08.F.A (V) - asyl.net: M14458
https://www.asyl.net/rsdb/M14458
Leitsatz:

Kein Stopp der Dublin-Überstellung nach Griechenland.

 

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Griechenland, Verordnung Dublin II, Abschiebungsanordnung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Suspensiveffekt, Drittstaatenregelung, Genfer Flüchtlingskonvention, Anerkennungsrichtlinie
Normen: VwGO § 123 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5; AsylVfG § 34a Abs. 2; AsylVfG § 26a; AsylVfG § 27a
Auszüge:

Kein Stopp der Dublin-Überstellung nach Griechenland.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Der gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO ist bereits unzulässig, weil es sich bei dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.05.2008, der die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland anordnet, um einen belastenden Verwaltungsakt handelt, so dass insoweit nur ein Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegen die vorgenannte Verfügung in Betracht kommt (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Aber auch ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg.

Nach § 34a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Im vorliegenden Fall soll die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland erfolgen. Griechenland ist Mitgliedstaat der Europäischen Union und somit ein sicherer Drittstaat i.S.d. § 26a AsylVfG. Die Zuständigkeit Griechenlands für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers beruht auf der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 Abl. L 50 S. 1) Dublin II, da der Antragsteller aus Griechenland kommt und in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Dies ergibt sich für das Gericht ohne jeglichen Zweifel aus den von der Antragsgegnerin und der Bundespolizeidirektion vorgelegten Behördenakten.

Einer jener Ausnahmefälle, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Gründen verfassungskonformer Auslegung der Drittstaatenregelung und der flankierenden Regelung in § 34a Abs. 2 AsylVfG - anerkannt sind, liegt im Falle des Antragstellers nicht vor. Über das gesetzliche Verbot in 34a Abs. 2 AsylVfG dürfen sich die Verwaltungsgerichte nur dann hinwegsetzen, wenn dem Ausländer im Zielstaat die Todesstrafe droht, wenn für ihn die konkrete Gefahr besteht, dort im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rückverbringung Opfer eines Verbrechens zu werden, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht, wenn sich die für die Qualifizierung als "unsicher" maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben, wenn der Drittstaat voraussichtlich selber gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greifen wird oder wenn offen zu Tage tritt, dass der Drittstaat sich von seinen Schutzverpflichtungen lösen und einem bestimmten Ausländer den Schutz dadurch verweigern wird, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 - BVerfGE 94, 49, 84 ff.). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass sich Griechenland nach einer Überstellung des Antragstellers von seinen Schutzverpflichtungen lösen wird und sich des Antragstellers ohne jede Prüfung seines Schutzgesuches entledigen wird. Es ist auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Antragsteller in Griechenland nicht die Möglichkeit erhalten wird, ein Asylverfahren durchzuführen, in dem auch sein geltend gemachtes Verfolgungsschicksal ausreichend gewürdigt wird. Gegen diese Annahme sprechen die durch das Auskunftsschreiben des UNHCR an das VG Frankfurt am Main vom 10.01.2008 dargelegten formellen und materiellen Defizite des Asylverfahrens, welches der Antragsteller in Griechenland zu erwarten hat, nicht entscheidend. Das Gericht teilt auch nicht die im vom Antragsteller vorgelegten Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25.04.2008 - 2 L 201/08.GI.A - in den Raum gestellte Auffassung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der in der vorgenannten Entscheidung angeführten Verlautbarungen. Zunächst ist festzustellen, dass der Antragsteller Schutz vor Verfolgung in seinem Heimatstaat nach der Genfer Flüchtlingskonvention begehrt, welche nach Art. 9 und 10 der sog. Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG, Abt. 2004, L 304/12) konkretisiert worden ist und auch auf das Asylverfahren in Griechenland Anwendung findet. Diese Richtlinie ist zwar in Griechenland noch nicht in innerstaatliches Recht überführt worden. Wegen des Ablaufs der Umsetzungsfrist entfaltet sie aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Direktwirkung und ist somit unmittelbar anzuwenden. Unabhängig davon ist Griechenland Konventionsstaat, so dass Art. 1 A Nr. 2 Genfer Flüchtlingskonvention davon unabhängig Anwendung findet. Hinsichtlich der sog. "Abbruchpraxis" haben die griechischen Behörden zugesichert, den entsprechenden Präsidialerlass nicht mehr anzuwenden. Zudem ist nach der Auskunft von UNHCR bisher eine Inhaftierung von Personen, die in Dublin II-Verfahren nach Griechenland abgeschoben wurden, nicht bekannt geworden. Ein drohender Verstoß gegen Art. 18 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 01.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Abl. L 326 S. 13) kann somit im Falle einer Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland nicht angenommen werden.

Nur zur Klarstellung weist das Gericht darauf hin, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Durchführung seines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland hat. Der hier gestellte Asylantrag ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig, da auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und des Verfahrens zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - Dublin II-Verordnung -, in Griechenland das Asylverfahren des Antragstellers durchzuführen ist. [...]