1. Glaubhafte Schilderungen von Gewalttätigkeiten und Ehrverletzungen durch den Ehepartner können wegen Unzumutbarkeit eines Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründen, ohne dass es zusätzlich auf die Unzumutbarkeit einer Rückkehr in das Heimatland ankommt.
2. Die Tatsachenwürdigung durch die Ausländerbehörde hat im Rahmen der Amtsermittlung eigenständig zu erfolgen und wird nicht durch die Einstellung eines gegen den Ehepartner geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens präjudiziert.
1. Glaubhafte Schilderungen von Gewalttätigkeiten und Ehrverletzungen durch den Ehepartner können wegen Unzumutbarkeit eines Festhaltens an der ehelichen Lebensgemeinschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründen, ohne dass es zusätzlich auf die Unzumutbarkeit einer Rückkehr in das Heimatland ankommt.
2. Die Tatsachenwürdigung durch die Ausländerbehörde hat im Rahmen der Amtsermittlung eigenständig zu erfolgen und wird nicht durch die Einstellung eines gegen den Ehepartner geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens präjudiziert.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den kraft Gesetzes (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) sofort vollziehbaren Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.06.2008, durch welchen der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung ihrer bis 22.01.2008 befristeten Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und damit zugleich die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG beseitigt wurde, ist gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO zulässig. Entsprechendes gilt hinsichtlich der gem. §§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, 12 LVwVG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung.
Der Antrag ist auch begründet. [...] Maßgebend hierfür ist, dass bei summarischer Prüfung die Versagung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und damit auch die zugehörige Abschiebungsandrohung ernstlichen rechtlichen Zweifeln ausgesetzt sind. [...]
Die Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt die Antragstellerin allerdings nicht, weil ihre am 27.09.2006 mit dem über eine Niederlassungserlaubnis verfügenden serbischen Staatsangehörigen H. S. geschlossene Ehe nicht zu einer mindestens zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet praktizierten ehelichen Lebensgemeinschaft geführt hat; diese Lebensgemeinschaft hat unstreitig nur von Januar bis September 2007 bestanden. Der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch den Auszug der Antragstellerin aus der gemeinsamen Wohnung lagen indes offenbar Umstände zugrunde, welche den Tatbestand einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative AufenthG erfüllen. Nach dieser Vorschrift ist eine besondere Härte, bei deren Vorliegen von der Voraussetzung des zweijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen ist, insbesondere gegeben, wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Für die Erfüllung dieser tatbestandlichen Anforderungen spricht zum jetzigen - für die Entscheidung maßgeblichen - Zeitpunkt nach Aktenlage Einiges.
Zwar hat die Antragstellerin selbst keine eidesstattliche Versicherung über die geltend gemachten Misshandlungen durch ihren Ehemann vorgelegt, die zu ihrem Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung und schließlich zu ihrer Unterbringung im Frauenhaus geführt haben. Jedoch bieten die im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Ehemann getroffenen polizeilichen Feststellungen sowie die sonstigen aktenkundigen Umstände ihrer Aufnahme in das Frauenhaus hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ihr im Lichte der Wertordnung des Grundgesetzes ein Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann nicht mehr zuzumuten ist. [...]
Vor diesem Hintergrund, insbesondere der detailreichen und in sich plausiblen Schilderung der Gewalttätigkeiten durch die Antragstellerin sowie der objektiven Feststellung von Verletzungen, die zu den von der Antragstellerin genannten Übergriffen passen, kommt dem Umstand, dass das Strafverfahren gegen den Ehemann der Antragstellerin durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 20.02.2008 gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, keine für die ausländerrechtliche Beurteilung maßgebliche Bedeutung zu. [...] Diese mithin wesentlich auch von den im Strafrecht geltenden Grundsatz "in dubio pro reo" geprägte Verfahrensbeendigung vermag die gebotene verwaltungsrechtliche Beurteilung nicht zu präjudizieren. Diese hat sich rechtlich an den eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 AufenthG zu orientieren und verfahrensrechtlich der nicht an strafverfahrensrechtliche Beweisregeln gebundenen Pflicht der Ausländerbehörde zur selbständigen Sachverhaltsaufklärung unter Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten des Ausländers zu genügen, §§ 24 LVwVfG, 79, 82 AufenthG. Die Nichterweislichkeit oder die rechtliche Relevanz von Tatsachen im Strafverfahren darf nicht unbesehen auf das Verwaltungsverfahrensrecht übertragen werden; andernfalls entstünde eine mit den im Verwaltungsrecht geltenden Verfahrensgrundsätzen unvereinbare Rechtsschutzlücke (vgl. dazu auch Urteil der Kammer vom 22.07.2008 - 4 K 1782/06 -).
Es mag hiernach Anlass bestehen, im Laufe des Widerspruchsverfahrens den entscheidungserheblichen Sachverhalt noch ergänzend aufzuklären, etwa durch eine persönliche Anhörung der Antragstellerin, ihres Ehemannes, eventuell auch einer mit der Situation der Antragstellerin vertrauten Bediensteten des Frauen- und Kinderschutzhaus F. e.V., um im Hauptsacheverfahren eine in tatsächlicher Hinsicht noch fundiertere Entscheidungsgrundlage zu schaffen. [...] Insoweit ist ein objektiver Maßstab im Lichte der Wertordnung des Grundgesetzes einschließlich der aus den Grundrechten resultierenden Schutzpflicht des Staates anzulegen. Ein relativierender Rückgriff auf abweichende Gepflogenheiten in fremden Kulturkreisen bzw. ausländischen Rechtsordnungen ist unzulässig. Daher kommt dem Umstand, dass die Antragstellerin nach dem Vortrag ihrer früheren Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 25.05.2008 zunächst trotz der von ihr erkannten Unmöglichkeit, gegenwärtig mit ihrem Ehemann einvernehmlich zusammen zu leben, die eheliche Lebensgemeinschaft noch nicht als endgültig gescheitert betrachtet haben mag, keine entscheidende Bedeutung zu Lasten der Rechtsposition der Antragstellerin zu. Jedenfalls hat sie damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sie auf absehbare Zeit keine Möglichkeit sieht, eine eheliche Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann zu führen. [...]
Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative AufenthG hängt schließlich nicht noch vom Vorliegen weiterer - ungeschriebener - Voraussetzungen wie etwa einer Unzumutbarkeit der Rückkehr in das Heimatland bzw. einer "Erforderlichkeit" der Ermöglichung des weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet ab. Solche in der Literatur diskutierten, die beiden Tatbestandsalternativen des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG tendenziell vermischenden einschränkenden Maßgaben enthält die 2. Alternative der genannten Vorschrift gerade nicht (vgl. dazu HTK-AuslR § 31 AufenthG Nr. 3.2 m.w.N.; zur wortgleichen Vorgängervorschrift in § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG vgl. ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.02.2003 - 13 S 2798/02 -, NVwZ-RR 2003, 782).
Steht der Antragstellerin somit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits auf der Grundlage des § 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative AufenthG ein von der Ehe unabhängiges eigenständiges Aufenthaltsrecht zu, so bedarf keiner Erörterung mehr, ob auch die Voraussetzungen der ersten Tatbestandsalternative der genannten Vorschrift erfüllt wären. Die zeitliche Reichweite des Anspruchs der Antragstellerin auf Verlängerung ihrer bis zum 22.01.2008 befristeten Aufenthaltserlaubnis ergibt sich aus § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Danach besteht der Anspruch für ein Jahr, d.h. hier bis zum 22.01.2009. Für die daran anschließende Zeit kommt im Übrigen eine Verlängerung im Ermessenswege in Betracht, § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG (vgl. VGH Bad.-Württ., a.a.O., zur Vorgängervorschrift in § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG).
Die gebotene Berücksichtigung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sowie der die Antragstellerin treffenden Nachteile einer Versagung der Aufenthaltserlaubnis und der Ausreisepflicht führt diesbezüglich somit zum Erfolg des Rechtsschutzbegehrens. Vorläufiger Rechtsschutz ist der Antragstellerin auch hinsichtlich der mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis verbundenen Abschiebungsandrohung zu gewähren; denn aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen die Versagung gerichteten Widerspruchs entfällt die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht der Antragstellerin als gesetzliche Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsandrohung (s. § 58 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG; vgl. dazu VGH Bad.-Württ., a.a.O.; VG Karlsruhe, Urteil vom 29.04.2008 - 5 K 2619/06 -; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.06.2003 - 11 S 2537/02 -, VBlBW 2003, 476).
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