Die Kosten für die Passbeschaffung sind als Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem. § 73 SGB XII i.V.m. § 2 AsylbLG als Darlehen oder Beihilfe zu übernehmen.
Die Kosten für die Passbeschaffung sind als Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem. § 73 SGB XII i.V.m. § 2 AsylbLG als Darlehen oder Beihilfe zu übernehmen.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. [...] Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Passbeschaffungskosten und auf Neubescheidung hinsichtlich der Art der Leistungsgewährung als Beihilfe oder Darlehen. Einen weitergehenden Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur beihilfeweisen Gewährung der Kostenerstattung hat die Klägerin nicht. Insoweit ist die Klage unbegründet.
Der Leistungsanspruch ergibt sich aus § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 73 SGB XII. Nach Aktenlage gehört die Klägerin dem Personenkreis nach § 2 Abs. 1 AsylbL an. Hiervon geht auch der Beklagte aus. Nach 73 Satz 1 SGB XII können sozialhilferechtliche Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Eine "sonstige Lebenslage" ist gegeben, wenn die bedarfsauslösende Situation weder im SGB XII noch in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt und bewältigt wird (Berlit, in Münder: u.a., Sozialgesetzbuch XII, 8. Aufl., Baden-Baden 2008, § 73 Rz. 4). Die bedarfsauslösende Situation hinsichtlich der Notwendigkeit der Passausstellung ergibt sich für die Klägerin als Ausländerin aus ihrer Passpflicht §§ 3 Abs. 1, 48 Aufenthaltsgesetz verbunden mit der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühren für die Passerteilung (vgl. SG Halle, Urteil vom 30. Januar 2008 - S 1 AY 76/06 -; SG Duisburg, Urteil vom 9. Oktober 2008 - S 16 (31) AY 12/06), die nach Auskunft der serbischen Botschaft bei 188,00 Euro liegen und nicht erlassen werden können, sowie den Kosten für die Einholung der eidesstattlichen Versicherung, die die Klägerin nach eigenen Angaben zur Bestätigung ihrer Identität für die Passausstellung benötigte.
Die Bedarfslage wird auch nicht von anderen Vorschriften erfasst und geregelt.
Gegenüber der Klägerin kommt § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, wonach Kosten für die Passbeschaffung übernommen werden können (SG Duisburg, a.a.O., m.w.N.), aufgrund des Bezugs von Leistungen entsprechend dem SGB XII nicht zur Anwendung, da sich ihre Leistungsansprüche abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG bestimmen (§ 2 Abs. 1 AsylbLG).
Mittel für die Kosten der Passausstellung sind auch nicht in den Regelsätzen (§ 28 SGB XII) enthalten (SG Duisburg, a.a.O.). Ausgehend vom Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juli 2007 bestand keine Notwendigkeit zur Aufnahme von Pass- und Personalausweisgebühren in die Regelsatzleistung, da bei Bedürftigkeit von der Gebührenerhebung für die Ausstellung - deutscher - Personalausweise und Reisepässe abgesehen werden könne. Getragen wird dies von den gebührenrechtlichen Regelungen zum Passrecht. Nach § 3 der Gebührenverordnung zum Passgesetz (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, Pass- und Personalausweisrecht, 4. Aufl., Stand: Mai 2006, Ziff. 5 I A) können die Gebühren für die Passausstellung bei Bedürftigkeit des Gebührenschuldners ermäßigt oder erlassen werden. Als bedürftig ist ein Passbewerber gemäß Ziffer 20.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Passgesetzes (abgedruckt bei Süßmuth/Koch, a.a.O., Ziff. 6 I A) insbesondere dann anzusehen, wenn er Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt oder Anspruch auf Sozialhilfe hat, die den Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beinhaltet, oder entsprechende, das Existenzminimum sichernde Leistungen der Kriegsopferfürsorge erhält oder höchstens entsprechende Einkünfte hat. Wegen dieser gebührenrechtlichen Möglichkeiten, bei Beziehern von Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. SGB XII) die Gebühren zu ermäßigen oder von ihrer Erhebung abzusehen, ist insoweit von keiner Bedarfslage auszugehen, die sozialhilferechtlich im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Regelsatzbemessung hätte aufgefangen werden müssen. Gestützt wird dies durch die Zusammensetzung der Regelsatzinhalte. Aufgeführt werden Pass- und Personalausweisgebühren insbesondere nicht in der Abteilung 12 ("andere Waren und Dienstleistungen") der der Regelsatzbemessung zugrunde liegenden Einkommens- und Verbrauchsstatistik (vgl. Schwabe, Die Zusammensetzung des Regelsatzes ..., ZfF 2008, S. 145, 151; Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Ansschussdrucksache 16(11)286 vom 15. Juni 2006, S. 16 f., 23). Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin auch nicht auf ein Ansparen im Regelsatz enthaltener Mittel verwiesen werden. Aus dem gleichen Grund scheidet die Inanspruchnahme von Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB II aus.
Aus dem Vorstehenden folgt auch, dass dem Beklagten ein Entschließungsermessen hinsichtlich der Kostenerstattung nicht mehr zusteht. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Leistungsgewährung sprechen. Zwar mag es entsprechend dem Einwand des Beklagten zutreffen, dass die Klägerin, als sie Leistungen nach dem AsylbLG erhielt, sich keinen Pass ausstellen ließ, obwohl die Kostenübernahme nach 6 AsylbLG in Betracht gekommen wäre. Entscheidend ist aber das Fortbestehen der durch die gesetzliche Passpflicht begründeten Bedarfslage, die bei der Klägerin bis in die Zeit des Bezugs von SGB XII-Leistungen hineinreichte. Das Sozialhilferecht stellt hinsichtlich der Leistungsansprüche auf das Vorhandensein der Bedarfslage ab, nicht auf deren Ursache. Entgegengehalten werden kann dem Leistungsanspruch auch nicht, dass die Klägerin zwischenzeitlich die Passgebühr und die Kosten für die eidesstattliche Versicherung beglich. Hierfür lieh sie sich ihren Angaben zufolge Geld von einer Freundin, wovon auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 4. Dezember 2006 - L 15 B 24/06 AY PKH - ausging. Aufgrund der Rückzahlungspflicht gegenüber der Darlehensgeberin besteht in einem solchen Fall die Bedarfslage fort und wandelt sich in einen Erstattungsanspruch (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2007 - L 23 B 58/07 SO PKH).
Das Auswahlermessen in Bezug auf die Art der Leistungserbringung als Beihilfe oder Darlehen nach § 73 Satz 2 SGB XII ist hingegen nicht auf die begehrte Zuschusswährung reduziert. Aufgrund ihres Alters, ihrer Schulabschlusses und der begonnenen Ausbildung ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit eine Erwerbstätigkeit finden wird und das Darlehen zumindest ratenweise wird tilgen können. Dies hat der Beklagte bei seiner Ermessensbetätigung zu beachten.
Das Auswahlermessen ist entgegen dem Dafürhalten der Klägerin auch nicht deswegen auf die beihilfeweise Bewilligung der Kostenerstattung reduziert, weil deutsche Staatsangehörige, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, wegen der Vorschriften zur Gebührenbefreiung regelmäßig keine Kosten für die Passerteilung zu tragen haben, während sie, die Klägerin, bei darlehensweiser Leistungsgewährung der Rückzahlungspflicht unterliegt und deswegen nach ihrer Auffassung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit anders behandelt wird als Bedürftige deutscher Staatsangehörigkeit. Die von der Klägerin angeführte etwaige Ungleichbehandlung knüpft daran an, dass der Staat ihrer Staatsangehörigkeit nach Mitteilung der Botschaft vom 3. März 2008 eine Freistellung von den Gebühren nicht vorsieht. Hierfür haben deutsche Behörden auch im Lichte des Gleichheitssatzes nicht einzustehen. Entscheidend ist, dass die mit der Passpflicht verbundene Kostenlast der Klägerin durch die Leistungsgewährung nach § 73 SGB XII sozialstaatlich bewältigt wird.
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