VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 02.12.2008 - unbekannt - asyl.net: M14506
https://www.asyl.net/rsdb/M14506
Leitsatz:

Ein Ausweisungsgrund gem. § 54 Nr. 6 AufenthG setzt falsche oder unvollständige Angaben zu Verbindungen zu Personen oder Organisationen voraus, die aufgrund konkreter Anhaltspunkte und Erkenntnisse im Verdacht der Unterstützung des Terrorismus stehen (hier: abgelehnt für den Afganischen Kulturverein - Maihan e.V.).

 

Schlagwörter: D (A), Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Ausweisungsgrund, Falschangaben, Sicherheitsbefragung, Befragung, Verdacht der Unterstützung, Terrorismus, Afghanischer Kulturverein - Maihan e.V., Hassprediger, einstweiliger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 54 Nr. 6; AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
Auszüge:

Ein Ausweisungsgrund gem. § 54 Nr. 6 AufenthG setzt falsche oder unvollständige Angaben zu Verbindungen zu Personen oder Organisationen voraus, die aufgrund konkreter Anhaltspunkte und Erkenntnisse im Verdacht der Unterstützung des Terrorismus stehen (hier: abgelehnt für den Afganischen Kulturverein - Maihan e.V.).

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Der Antrag ist zulässig und begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen bzw. wiederherstellen. [...]

Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid (allein) die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Der Antragsgegner geht in seinem Bescheid ersichtlich davon aus, dass im Fall des Antragstellers der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG gegeben sei und dass dies der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entgegenstehe. [...]

Der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 6 AufenthG ist (u.a.) dann erfüllt, wenn ein Ausländer in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen den weiteren Aufenthalt dient, der Ausländerbehörde gegenüber in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig sind. Der Antragsteller ist am 8.9.2005 und am 15.2.2006 befragt worden. Aufgrund dieser Befragungen wird dem Antragsteller vorgeworfen, eine Mitgliedschaft in dem Maihan-Verein wahrheitswidrig abgestritten zu haben. Darin könnten falsche Angaben über eine Verbindung zu einer Organisation zu sehen sein.

Insoweit stellt sich aber als erstes die Frage, ob es sich bei dem Maihan-Verein um eine Organisation handelt, die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig ist. Die Vorschrift des § 54 Nr. 6 AufenthG betrifft nämlich ausdrücklich nur falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen, "die der Unterstützung des Terrorismus verdächtig sind". Zwar genügt nach dem Wortlaut der Vorschrift schon der bloße Verdacht, dass eine Organisation den Terrorismus unterstützt und eine positive Feststellung einer solchen Unterstützung ist nicht erforderlich. Konkrete Anhaltspunkte und Erkenntnisse für einen solchen Verdacht sind aber durchaus erforderlich. Denkbar wären insoweit etwa Feststellungen über Anhaltspunkte für besondere Aktivitäten oder Verbindungen zu terroristischen islamistischen Organisationen im Ausland (VGH Kassel, Beschluss vom 10.01.2006, Az 12 TG 1911105, juris; sowie Discher, in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, § 54, Rn 756). Jedenfalls müssen nachweisbare und gerichtlich nachprüfbare Tatsachen vorliegen, die einen Verdacht begründen können. Ein Verdacht, der durch keinerlei nachweisbare Tatsachen belegt ist, widerspricht dem Rechtsstaatsprinzip.

Der Antragsgegner stützt seinen Bescheid darauf, dass der Maihan-Verein der Trägerverein der bereits mehrfach in islamisch-extremistischer Hinsicht in Erscheinung getretenen Al-Ansa-Moschee in Frankfurt sei. Dort sei u.a. der Mullah Said Khobaib Sadat als Imam tätig gewesen. Mullah Said Khobaib Sadat habe bereits 2001 zum Heiligen Krieg gegen Juden und Amerikaner aufgerufen. Weitere Anhaltspunkte für eine Unterstützung des Terrorismus, insbesondere eine Konkretisierung des Vorwurfes, inwiefern die Al-Ansa-Moschee bereits angeblich mehrfach in islamisch-extremistischer Hinsicht in Erscheinung getreten sei, werden nicht gegeben.

Der Antragsteller hält den Vorwürfen entgegen, dass nach eigenen Angaben des Maihan-Vereins der Prediger Sadat im Jahr 2003 aus dem Verein ausgeschlossen worden sei und ihm verboten worden sei, die Räumlichkeiten aufzusuchen. Dem Prediger sei sofort gekündigt worden, nachdem er ein einziges Mal zum Hass gegen die Vereinigten Staaten aufgerufen habe. Hierzu wird ein Schreiben des Maihan-Vereins mit Datum vom 3.5.2003 vorgelegt. Ferner wird eine Satzung des Vereins vorgelegt sowie eine Beschreibung der Aktivitäten des Vereins mit Datum vom 19.9.2008. Ergänzt wird eine Bescheinigung ohne Datum, wonach Herr Said Anwar kein Mitglied im Afghanischen Kulturverein - Maihan e.V. sei.

Das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen ist im Jahr 2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass gegenüber dem Maihan-Verein keine extremistische Betätigung gerichtsverwertbar belegt werden könne. Andere Erkenntnisse sind bis heute nicht dokumentiert.

Unter Berücksichtigung aller bisher vorliegenden Erkenntnisse vermag das Gericht keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte zu finden, dass der Maihan-Verein der Unterstützung des Terrorismus verdächtig sei. Allein die Tatsache, dass der Prediger Mullah Said Khobaib Sadat dort aufgetreten ist, kann mit der bisherigen Darstellung solche Anhaltspunkte nicht begründen. So ist insbesondere nicht deutlich geworden, wann konkret, ob einmalig oder wie oft oder mit welchem Inhalt Hasspredigten stattfanden und in weichem Umfang dies toleriert wurde und hiergegen nicht eingeschritten wurde. Bisher hat der Antragsgegner seine Vorwürfe in Bezug auf eine Unterstützung des Terrorismus nur äußerst vage und nicht in dem gebotenen Maße belastbar in den Raum gestellt.

Damit kann die Beantwortung der weiteren Fragen, ob der Antragsteller über seine Verbindungen zu dem Maihan-Verein in wesentlichen Punkten falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat, und ob der Antragsgegner im Rahmen des § 5 Abs. 1 AufenthG in hinreichender Weise das Vorliegen eines Regelfalles geprüft hat, für die Entscheidung über den vorliegenden Eilantrag dahinstehen. Dem Antrag ist stattzugeben. [...]