VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 18.11.2008 - 19 ZB 08.2240 - asyl.net: M14526
https://www.asyl.net/rsdb/M14526
Leitsatz:

Beantragt ein Ausländer die Aussetzung der Abschiebung wegen einer Krankheit, hat er grundsätzlich die Auslagen für die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens in der durch das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vorgesehenen Höhe zu ersetzen.

 

Schlagwörter: D (A), Verfahrensrecht, Kostenrecht, Kosten, Gutachten, fachärztliche Stellungnahme, Abschiebungshindernis, Krankheit, Auslagen, Amtshandlung, Kostenpflicht, Veranlasser, Antragstellung, Antrag, Stundung, Niederschlagung
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1; AufenthG § 69 Abs. 1; VwKostG § 10 Abs. 1 Nr. 5; VwKostG § 13 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 69 Abs. 2 S. 2; VwKostG § 6
Auszüge:

Beantragt ein Ausländer die Aussetzung der Abschiebung wegen einer Krankheit, hat er grundsätzlich die Auslagen für die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens in der durch das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vorgesehenen Höhe zu ersetzen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Zulassungsgründe liegen – soweit dargelegt – nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Klägerin nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 10 Abs. 1 Nr. 5 VwKostG, §§ 8 ff. JVEG dem Grunde nach verpflichtet ist, die Kosten des vom Landratsamt Passau am 9. November 2006 in Auftrag gegebenen Gutachtens zu tragen. Die Klägerin ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG Kostenschuldnerin, da sie die Amtshandlung, deren Kostenabrechnung vorliegend Streitgegenstand ist, veranlasst hat. Die Erstattung des Gutachtens erfolgte im Zusammenhang mit der von der Klägerin am 2. November 2006 ausdrücklich beantragten Aussetzung der Abschiebung. Für Auslagen der im vorliegenden Verfahren in Frage stehenden Art (Gutachterkosten) kommt, da das Aufenthaltsgesetz keine abweichenden Vorschriften enthält, § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zum Tragen, der auf die Anwendung des Verwaltungskostengesetzes verweist (vgl. Funke-Kaiser, in GK: AufenthG, Stand August 2008, § 69 RdNr. 4; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Oktober 2005, RdNr. 3 zu § 69 AufenthG; BayVGH, B.v. 15.1.2008 – 10 ZB 07.3105 – Juris). Anhaltspunkte dafür, dass Gutachterkosten als Auslagen bereits in die Gebührenvorschriften der Aufenthaltsverordnung einbezogen wären, sind nicht ersichtlich. Vorschriften, die sich – wie §§ 7 Nr. 4 VwKostG, 52 Abs. 6 AufenthVO – ausschließlich auf Gebühren beziehen, sind entgegen der Ansicht der Klägerin für die Entscheidung hinsichtlich der Erstattung von Auslagen unerheblich.

Ob die in § 6 VwKostG zur Kostenermäßigung und Kostenbefreiung getroffene Regelung sich ausschließlich an den Verordnungsgeber, nicht aber an die das Gesetz anwendende Behörde richtet, kann dahingestellt bleiben. Zwar befasst sich die Vorschrift im zweiten Abschnitt des Verwaltungskostengesetzes entsprechend dessen Überschrift mit allgemeinen Grundsätzen für Kostenverordnungen und spricht ausdrücklich den Verordnungsgeber als Adressaten dieses Abschnitts an. Gleichwohl können Kostenermäßigungen und Kostenbefreiungen im Einzelfall auch durch die Behörde "zugelassen" werden. Die Frage bedarf jedoch vorliegend keiner weiteren Vertiefung, da die Klägerin im Berufungszulassungsverfahren keine Billigkeitsgründe hat vortragen lassen, die zu einer Auslagenermäßigung oder Auslagenbefreiung nach § 6 VwKostG führen könnten. Zwar hat sie geltend gemacht, dass sie derzeit über kein eigenes Einkommen verfügt. Dieser Umstand kann jedoch – nach Feststellung der Leistungspflicht – erst im Rahmen der (nachfolgenden) Durchsetzung der Kostenforderung berücksichtigt werden. Ein zu einem Rechtsanspruch verdichteter Rechtssatz des Inhalts, dass (vermögenslose) Minderjährige generell von jeder Auslagenerstattung freizustellen seien, lässt sich dem Verwaltungskostenrecht nicht entnehmen, obgleich sich in derartigen Fällen eine Billigkeitsentscheidung aus verwaltungs- und prozessökonomischen Gründen regelmäßig empfehlen dürfte.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stehen der Erhebung der Gutachterkosten auch Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, 27 Abs. 1 BayKG nicht entgegen. Diese Vorschriften sind – wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist – vorliegend nicht anwendbar, da § 69 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 5 VwKostG die Auslagenerstattung ausdrücklich vorsieht und für die Anwendung hiervon abweichender landesrechtlicher Kostenregelungen kein Raum bleibt.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt deshalb ohne Erfolg.

Aufgrund der Vermögenslosigkeit der minderjährigen, noch die Schule besuchenden Klägerin wird jedoch zu prüfen sein, ob der Anspruch gemäß § 19 Satz 2 VwKostG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 BayHO ganz oder teilweise niederzuschlagen bzw. zu erlassen ist, zumal sich auch das Einkommen des unterhaltspflichtigen Vaters deutlich unter dem notwendigen Selbstbehalt bewegt und er bei Befriedigung der Forderung Gefahr liefe, selbst sozialhilfebedürftig zu werden (vgl. BGHZ 111, 194).