VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 ZB 08.229 - asyl.net: M14566
https://www.asyl.net/rsdb/M14566
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Staatsangehörigkeitsrecht, Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Berufungszulassungsantrag, Verfahrensfehler, rechtliches Gehör, Verfassungsschutz, Stellungnahme, Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Anhörung, Behördenmitarbeiter, Beteiligungsfähigkeit, Beiladung, Sachaufklärungspflicht, Amtsermittlungsgrundsatz, Beweisantrag, Verlust des Rügerechts, grundsätzliche Bedeutung, verfassungsfeindliche Bestrebungen, Unterstützung, LTTE, Sri Lankesen, TRO, auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland, Spenden, ernstliche Zweifel, Darlegungserfordernis
Normen: VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5; GG Art. 103 Abs. 1; VwGO § 108 Abs. 2; BayVSG Art. 1 Abs. 4; VwGO § 86 Abs. 1; StAG § 37 Abs. 2; BayVSG Art. 3 Abs. 3; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3; StAG § 11; VwGO § 124a Abs. 4
Auszüge:

[...]

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Eine Zulassung der Berufung wegen der vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) kommt nicht in Betracht.

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die in seinem Urteil zu Lasten des Klägers verwertete "amtliche Erklärung" des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 6. November 2007 nicht ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt und dadurch den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt, geht fehl. Der behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat die schriftliche Erklärung, die ihm am 12. November 2007 von der Regierung von Mittelfranken als Vertreter des öffentlichen Interesses zum Verfahren übermittelt worden war, am nächsten Tag per Telefax mit dem Vermerk "Bitte sofort vorlegen! Termin mV am 14.11.07!" an die Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt. Diese hatten demnach, wie sie selbst in der Begründung des Zulassungsantrags ausführen (S. 2), am Tag vor der mündlichen Verhandlung Kenntnis von dem Schriftstück. Die Erklärung war ferner ausweislich der Niederschrift vom 14. November 2007 Gegenstand der mündlichen Verhandlung und wurde dort von einem Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz erläutert. [...]

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang weiter als Gehörsverstoß rügt, das Verwaltungsgericht hätte in der mündlichen Verhandlung den Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutzes nicht anhören dürfen, weil diese Behörde nicht förmlich zum Verfahren beigeladen worden sei, lässt das unter keinem Gesichtspunkt einen Verfahrensmangel erkennen. Die vom Kläger angesprochene Beiladung scheidet schon deshalb aus, weil das Landesamt für Verfassungsschutz als dem Staatsministerium des Innern unmittelbar nachgeordnete Behörde (Art. 1 Abs. 4 BayVSG) mangels entsprechender gesetzlicher Bestimmung nicht beteiligungsfähig (vgl. § 61 Nr. 3 VwGO) und damit auch nicht beiladungsfähig war (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 5 zu § 65). Unabhängig davon war das Verwaltungsgericht nicht gehindert, im Rahmen der ihm von Amts wegen obliegenden Erforschung des Sachverhalts (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) zu einer für entscheidungserheblich erachteten Frage auch Auskünfte von solchen Behörden einzuholen und deren Mitarbeiter zu befragen, die nicht einem am Verfahren beteiligten Rechtsträger zuzuordnen ist. Das gilt im Einbürgerungsverfahren mit Blick auf die Verfassungsschutzbehörden umso mehr, als diesen insoweit kraft Gesetzes spezielle Auskunftspflichten aufgegeben sind (vgl. § 37 Abs. 2 StAG, Art. 3 Abs. 3 Nr. 2 BayVSG). Im Übrigen könnte der Kläger den angeblichen Verfahrensmangel nicht mehr geltend machen, weil er sein Rügerecht nach § 173 VwGO i.V. mit § 295 ZPO verloren hat; denn er hat mit seiner anwaltlichen Vertreterin an der Sitzung teilgenommen, ohne die seiner Meinung nach unzulässige Anhörung zu rügen.

Ebenfalls ohne Erfolg bleibt das Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich verfahrensfehlerhaft mit der "amtlichen Erklärung" des Landesamtes für Verfassungsschutz über die angebliche Teilnahme des Klägers an Veranstaltungen der TRO und LTTE begnügt, ohne dass die Richtigkeit dieser von ihm weitgehend bestrittenen Behauptung durch zugrunde liegende "Quellen", wie etwa Fotos, Videofilme oder Observationsberichte, belegt worden sei. Der damit der Sache nach geltend gemachte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung verletzt ein Gericht seine Aufklärungspflicht grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine anwaltlich vertretene Partei – wie hier der Kläger – nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2007 – 9 B 15.07 – <RdNr. 13> m.w. N.). Der durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger hätte in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag (§ 86 Abs. 2 VwGO) zu Protokoll stellen können (vgl. § 105 VwGO i. V. m. § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO); das ist jedoch ausweislich der Niederschrift nicht geschehen. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (ständige Rechtsprechung, z. B. BayVGH, B.v. 3.9.2008 – 5 ZB 07.2352 – <RdNr. 10> m.w. N.). [...]

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob die bloße Teilnahme an Veranstaltungen der LTTE sowie Aktivitäten für die TRO – etwa die Organisation von Veranstaltungen – einen hinreichenden Verdacht der fehlenden Zuwendung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung konstituieren". Damit richtet er sich ausweislich der näheren Begründung nicht, jedenfalls nicht hinreichend substanziiert, gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei der LTTE und der von dieser offenbar vollständig kontrollierten TRO handele es sich um Organisationen, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Zielrichtung der Grundsatzrüge sind vielmehr die Voraussetzungen, unter denen dem Einbürgerungsbewerber die bloße Teilnahme an Veranstaltungen der LTTE oder Aktivitäten für die TRO als Unterstützung der in § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG genannten Bestrebungen vorgehalten werden darf.

Es begegnet bereits Zweifeln, ob diese Frage überhaupt losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalles beantwortet werden kann. Jedenfalls aber ist sie weder entscheidungserheblich noch klärungsbedürftig. Anders als der Kläger mit seiner Frage unterstellt, hat das Verwaltungsgericht ihm nicht nur die "bloße Teilnahme an Veranstaltungen der LTTE" vorgehalten, sondern darüber hinaus auch, ohne dass der Zulassungsantrag dem etwas entgegenhält, mehrfache Zahlungen an diese Organisation (S. 15 des Urteils); damit stellt sich die aufgeworfene Frage im vorliegenden Fall bereits nicht. Darüber hinaus verfehlt sie den maßgeblichen rechtlichen Ausgangspunkt: Es steht nicht der "Verdacht der fehlenden Zuwendung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung" inmitten, sondern die vom Verwaltungsgericht bejahte Frage, ob tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger Bestrebungen unterstützt oder unterstützt hat, die durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass dieser Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG auch die Unterstützung von Bestrebungen erfasst, die "nur" außerhalb des Bundesgebietes im Herkunftsstaat gegen Nichtdeutsche gewaltförmig agieren (vgl. BayVGH, U.v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805 – <RdNr. 30>), wie das bei der LTTE offenkundig der Fall ist. Ferner ist geklärt, dass als "Unterstützen" bereits jede von einem entsprechenden Willen getragene eigene Handlung anzusehen ist, die für solche Bestrebungen objektiv vorteilhaft ist, wie etwa ihre öffentliche oder nichtöffentliche Befürwortung, die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele, wobei für einen Ausschluss der Einbürgerung die Unterstützung nicht mit dem üblichen Grad an Gewissheit festgestellt werden muss, sondern ein begründeter tatsachengestützter Verdacht ausreicht (BVerwG, U.v. 22.2.2007 – 5 C 20.05 – NVwZ 2007, 956/957; BayVGH, U.v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449 – <RdNrn. 47 f.>).

Entgegen der Ansicht des Klägers setzt ein einbürgerungsschädliches Unterstützen also nicht voraus, dass der "Einbürgerungsbewerber sich aktiv kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung engagiert hat". Mit § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG wird der Sicherheitsschutz im Einbürgerungsrecht vielmehr weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich noch nicht beachtlich sind und für sich betrachtet auch noch keine fassbare Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellen (BayVGH, U.v. 5.3.2008 – 5 B 05.1449 – <RdNr. 25>). Auch wenn bei der im Bundesgebiet aktiven Organisation der LTTE eine differenzierte Betrachtung geboten sein sollte, um bloße "Mitläufer" oder Personen, die allein andere einbürgerungsunschädliche, etwa kulturelle oder soziale Ziele unterstützen, vom Anwendungsbereich des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG auszunehmen, so stehen nach der Rechtsprechung auch Betätigungen unterhalb der Schwelle einer Funktionärstätigkeit der Einbürgerung entgegen, wenn sie auf eine nachhaltige Unterstützung der inkriminierten Ziele schließen lassen; hierzu kann bereits die regelmäßige passive Teilnahme an Veranstaltungen über einen längeren Zeitraum hinweg ausreichen (BayVGH, U.v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805 – juris <RdNr. 36>). Inwiefern der Rechtsstreit vor diesem Hintergrund zu einer weiteren grundsätzlichen Klärung des Ausschlussgrundes beitragen könnte, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

3. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist vom Kläger bereits nicht in der erforderlichen Weise dargelegt (§124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen zur Verfahrens- und Grundsatzrüge reicht zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes nicht aus, weil damit weder ein tragender Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164). [...]