Ein Asylantrag steht der Fortsetzung der Zurückschiebungshaft gem. § 14 Abs. 3 AsylVfG nur dann entgegen, wenn das Amtsgericht in der Haftanordnung ausdrücklich auf einen der dort aufgeführten Haftgründe abgestellt hat; stellt ein über einen sicheren Drittstaat eingereister Ausländer ein Asylgesuch, steht dies der Anordnung von Zurückschiebungshaft entgegen, wenn absehbar ist, dass die Haft nach Zugang des Asylgesuchs beim Bundesamt nicht fortgesetzt werden kann und daher ihr Ziel nicht erreichbar ist.
Ein Asylantrag steht der Fortsetzung der Zurückschiebungshaft gem. § 14 Abs. 3 AsylVfG nur dann entgegen, wenn das Amtsgericht in der Haftanordnung ausdrücklich auf einen der dort aufgeführten Haftgründe abgestellt hat; stellt ein über einen sicheren Drittstaat eingereister Ausländer ein Asylgesuch, steht dies der Anordnung von Zurückschiebungshaft entgegen, wenn absehbar ist, dass die Haft nach Zugang des Asylgesuchs beim Bundesamt nicht fortgesetzt werden kann und daher ihr Ziel nicht erreichbar ist.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Der im Rahmen der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, §§ 27, 29 FGG) gestellte Antrag auf Rechtswidrigkeitsfeststellung hat in der Sache Erfolg.
1. Allerdings hat der Betroffene die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) nicht gewahrt. [...]
Sie ist zwar verfristet, jedoch sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 22 Abs. 2 FGG) erfüllt. Denn der Betroffene war ohne sein Verschulden an der Fristwahrung gehindert. Hierbei muss auf die Verhältnisse des einzelnen Beschwerdeführers und auf die konkrete Sachlage abgestellt werden. Es kommt auf das dem einzelnen Betroffenen zumutbare Maß an Sorgfalt an. Dabei sind die Anforderungen bei einer rechtsunerfahrenen Person niedriger anzusetzen als bei einer rechtskundigen (vgl. Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 22 Rn. 54 m.w.N.). Der nicht der deutschen Sprache mächtige Betroffene wurde zwar im Beschluss des Landgerichts zutreffend über Form und Frist für das Rechtsmittel belehrt. Auch ist eine Übersetzung der gerichtlichen Entscheidung einschließlich der Belehrung nach herrschender Meinung nicht notwendig, wenn auch – jedenfalls betreffend die Rechtsmittelbelehrung – zweckmäßig (Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler § 9 Rn. 6). Der Betroffene konnte aber nach Mandatserteilung am 23.6.2008 jedenfalls davon ausgehen, dass seinem Bevollmächtigten eine etwaige Beschwerdeentscheidung bekanntgegeben wird, so dass er nicht selbst erneut aktiv werden musste. Von der Beschwerdeentscheidung und vom Verfahrensstand Kenntnis erhielt der Bevollmächtigte jedoch erst mit erfolgter Akteneinsicht am 24.7.2008. [...]
3. a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die förmliche Asylantragstellung des Betroffenen der Anordnung bzw. Aufrechterhaltung von Haft nicht entgegenstehe, weil sich der Betroffene im Zeitpunkt des Eingangs des Asylantrags bereits in Haft befunden habe (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG). Dies gilt jedoch nur in bestimmten, in § 14 Abs. 3 AsylVfG enumerativ aufgeführten Fällen, so bei Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a bis 5 AufenthG. Daran fehlte es jedoch im Zeitpunkt des Eingangs des Asylantrags. Das Amtsgericht hat nämlich Abschiebungshaft (nur) "aufgrund unerlaubter Einreise" (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) angeordnet. Irgendwelche Anhaltspunkte oder Feststellungen zu einem Sachverhalt, der einen Verdacht begründen könnte, der Betroffene werde sich ohne Haft der Ab- oder Zurückschiebung entziehen (§ 57 Abs. 3, § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG), enthält der amtsgerichtliche Beschluss nicht. Im Zeitpunkt der Asylantragstellung am 19.6.2008 lagen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG daher nicht vor. Andere als die in § 14 Abs. 3 AufenthG genannten Haftarten scheiden jedoch aus (Renner Ausländerrecht 8. Aufl. § 14 AsylVfG Rn. 19). Insbesondere lag auch kein Fall des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG vor, weil sich der Betroffene nach der unerlaubten Einreise nicht länger als einen Monat ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten hatte. Der Betroffene hätte daher spätestens mit Eingang des Asylantrages beim Bundesamt aus der Haft entlassen werden müssen. Es spielt dabei in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass nach Auffassung der Beschwerdekammer die Haftvoraussetzungen nach § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG bereits im Zeitpunkt der Haftanordnung des Amtsgerichts gegeben waren. Denn im Hinblick auf den zwischenzeitlich eingegangenen Asylantrag kann nicht nachträglich fingiert werden, der Betroffene habe sich in Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG befunden. Ob die Kammer den zusätzlichen Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, kann deshalb auf sich beruhen. [...]
b) Aber auch die zuvor vom 16.6. bis 19.6.2008 vollzogene Haft erweist sich unter den hier gegebenen Umständen als rechtswidrig.
Das Amtsgericht hat entgegen dem ausdrücklichen Antrag auf Zurückschiebungshaft Abschiebungshaft verhängt und diese auf die unerlaubte Einreise gestützt (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Mögen sich insoweit zunächst auch im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Satz 3, § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG keine durchgreifenden Bedenken dagegen ergeben, dass die formellen Voraussetzungen für die Sicherungshaft vorliegen, so hätte sich doch für das Amtsgericht die Frage stellen müssen, ob die angeordnete Haft noch geeignet ist, die Abschiebung zu sichern. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG leitet die Ausländerbehörde einen bei ihr eingereichten schriftlichen Antrag unverzüglich dem Bundesamt zu. Nach den dem Amtsgericht zugänglichen Unterlagen drängte es sich auf, dass ein Asylgesuch gestellt war und mit einem baldigen Eingang desselben beim Bundesamt gerechnet werden musste. Tatsächlich ging der Asylantrag dort am 19.6.2008 ein. Der Beschluss des Amtsgerichts setzt sich in keiner Weise damit auseinander, dass der Zweck der Sicherungshaft offensichtlich nicht erreichbar war. Denn es musste davon ausgegangen werden, dass die Haft schon in Kürze kraft Gesetzes unzulässig werden würde. Nach Sachlage war nämlich auszuschließen, dass der Betroffene noch vor Eingang des Asylgesuchs beim Bundesamt hätte erfolgreich ab- bzw. zurückgeschoben werden können.
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