[...]
Die zulässige Klage ist auch begründet. [...]
Im Falle des Klägers stellt § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, auf den das Bundesamt seine Entscheidung im angefochtenen Bescheid vom 16. Juli 2007, dem Kläger die Asylanerkennung sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, zu widerrufen, gestützt hat, keine tragfähige Rechtsgrundlage hierfür dar. [...]
Hinsichtlich der somit streitentscheidenden Frage, ob sich die Verhältnisse im Iran zwischenzeitlich geändert haben, führt das Bundesamt im angefochtenen Bescheid aus, dass die der Entscheidung vom 12. November 1993 zu Grunde liegenden Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind, weil der Ausländer im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht mehr damit rechnen muss, Verfolgungsmaßnahmen in Form von Sippenhaft ausgesetzt zu sein, weil Sippenhaft im Iran im Gegensatz zur Zeit kurz nach der Revolution heute nicht mehr praktiziert wird; insoweit verweist das Bundesamt auf verschiedene Urteile sowie unter anderem auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. Juli 2007.
In der streitgegenständlichen Entscheidung schließt das Bundesamt mit der Feststellung, dass unter Anwendung der in den Gründen zitierten Rechtsprechung sowie der zitierten Auskünfte eine Gefährdung unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft heute nicht mehr in Betracht kommt, wenn ein naher Angehöriger, wie im Falle des Klägers, die Eltern und seine Schwester, als Asylberechtigte anerkannt worden sind.
Soweit das Bundesamt demnach darauf verweist, dass "heute" eine Gefährdung unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft nicht mehr in Betracht kommt, ist dem entgegenzuhalten, dass auch nach der zum Zeitpunkt der Asylanerkennung des Klägers im November 1993 geltenden Auskunftslage keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse insoweit eingetreten ist. So führt das Auswärtige Amt in seiner zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Auskünften vom 21. März 1994 an das Verwaltungsgericht Magdeburg und vom 3. Juni 1992 bereits aus, dass es nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes im Iran keine Sippenhaft gibt. Danach würden sich staatliche Maßnahmen nur gegen die Regimegegner und nicht gegen deren Angehörige richten. Ausdrücklich führt das Auswärtige Amt an, dass abgesehen von der Zeit während und kurz nach der Revolution keine Fälle von Sippenhaft bekannt geworden seien. Demnach ist die heutige Auskunftslage mit der Auskunftslage, die zum Zeitpunkt der widerrufenen Asylanerkennung des Klägers im November 1993 gegolten hat, deckungsgleich.
Nachdem die islamische Revolution im Iran bereits im Jahre 1979 stattgefunden hat und die Asylanerkennung des Klägers erst 14 Jahre später erfolgt ist, kann auf Grund dieses Zeitabstandes nicht mehr von der Ausnahme ausgegangen werden, auf die das Auswärtige Amt verweist, wonach während und kurz nach der Revolution Fälle von Sippenhaft bekannt geworden seien.
Wenn man somit zum Ergebnis kommt, dass bereits die damalige Auskunftslage nicht die vom Bundesamt im Bescheid vom 12. November 1993 ausgesprochene Asylanerkennung sowie die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, trägt, war das Bundesamt dennoch nicht – wie bereits oben ausgeführt – ermächtigt und verpflichtet, diese – rechtswidrige – Asylanerkennung zu widerrufen.
Mangels Vorliegen der Widerrufsgründe konnte das Bundesamt demnach im angefochtenen Bescheid nicht die rechtswidrig erfolgte Asylanerkennung aus der Welt schaffen.
Der angefochtene Widerrufsbescheid kann auch nicht auf § 48 VwVfG gestützt oder entsprechend umgedeutet werden, weil die Rücknahme eine behördliche Ermessensausübung voraussetzt, die vom Bundesamt in dem als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufsbescheid nicht vorgenommen wurde (vgl. § 47 Abs. 3 VwVfG).
Ist somit wegen fehlender Widerrufsgründe weiterhin davon auszugehen, dass der Kläger Asylberechtigter ist und in seinem Falle gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG das Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG besteht, war somit auch Ziffer 3. des angefochtenen Bundesamtsbescheides aufzuheben, ebenso Ziffer 4. des Bescheides vom 16. Juli 2007, weil gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 von einer Entscheidung, ob Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, dann abgesehen werden kann, wenn, wie im Falle des Klägers, dieser als Asylberechtigter anerkannt ist bzw. ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zusteht. [...]