VG Osnabrück

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Zitieren als:
VG Osnabrück, Urteil vom 08.09.2008 - 5 A 181/08 - asyl.net: M14633
https://www.asyl.net/rsdb/M14633
Leitsatz:

Hinreichende Sicherheit vor Verfolgung in der Türkei wegen exilpolitischer Betätigung als sog. "Frontarbeiter" der PKK.

 

Schlagwörter: Türkei, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, PKK, exilpolitische Betätigung, Situation bei Rückkehr, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit, Menschenrechtslage
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Hinreichende Sicherheit vor Verfolgung in der Türkei wegen exilpolitischer Betätigung als sog. "Frontarbeiter" der PKK.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die Klage ist unbegründet. [...]

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist Rechtsgrundlage für den Widerruf § 73 AsylVfG in der gegenwärtig geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinie der Europäischen Union vom 19.08.2007 (Bundesgesetzblatt, Seite 1970). Insoweit liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen vor. [...]

Die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG erfolgte seinerzeit deshalb, weil mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei politisch motivierte Verfolgung drohte, weil er in der Türkei durch einen früheren türkischen Asylbewerber als sogenannter Frontarbeiter der PKK im Raum Osnabrück benannt wurde. Die Verhältnisse haben sich in der Türkei aus dem im angegriffenen Bescheid dargestellten Gründe durchgreifend und in erheblicher Weise geändert. Insoweit wird auf die Ausführungen des angegriffenen Bescheides in vollem Umfang verwiesen. Ergänzend ist insoweit auch auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25.10.2007 zu verweisen. Auch nach diesem Lagebericht haben nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, im Falle ihrer Rückkehr in die Türkei damit zu rechnen, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen. Dabei ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes haben die türkischen Strafverfolgungsbehörden in der Regel nur ein Interesse an der Verfolgung im Ausland begangener Gewalttaten bzw. ihrer konkreten Unterstützung. Hinzu kommt, dass dem Auswärtigen Amt seit vier Jahren kein Fall bekannt geworden ist, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Bei dieser Sachlage geht die Kammer von einer hinreichenden Veränderung der Verhältnisse in der Türkei aus, sodass sich die seinerzeit angenommene Verfolgungsgefahr für den Fall der Rückkehr nunmehr mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt. Auch vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich wieder aufgeflammten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften lässt sich jedenfalls für den Kläger allein wegen der Benennung als angeblichen Frontarbeiter der PKK im Raum Osnabrück durch einen anderen früheren Asylbewerber in der Türkei vor circa 10 Jahren heute keine Verfolgungsgefahr mehr ableiten. Auch insoweit ist von Bedeutung, dass der Kläger nach seinen Angaben lediglich an kulturellen Veranstaltungen im kurdischen Umfeld teilnimmt. Der Kläger kann sich für die nach seiner Auffassung weiter bestehende Verfolgungsgefahr im Falle der Rückkehr in die Türkei nicht auf seine kurdische Volkszugehörigkeit berufen. Auch insoweit hat er im Falle seiner Rückkehr nicht mit asylrelevanten Maßnahmen zu rechnen. In diesem Zusammenhang wird auf die neuere Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts verwiesen, wonach Kurden in keinem Landesteil der Türkei einer gruppengerichteten Verfolgung ausgesetzt sind (Urteil vom 18.07.2006 - 11 LB 264/05). [...]