Flüchtlingsanerkennung für irakischen Fotojournalisten wegen Gefahr von Übergriffen durch Islamisten.
Flüchtlingsanerkennung für irakischen Fotojournalisten wegen Gefahr von Übergriffen durch Islamisten.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Der Kläger hat mit dem Hauptantrag zum Teil Erfolg. [...]
Im Irak geht gegen ihn eine wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und damit an ein asylerhebliches Merkmal anknüpfende Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren aus, gegen die der irakische Staat oder die multinationale Friedenstruppe erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 c) AufenthG).
Es häufen sich seit der militärischen Beendigung des Sturzes des Baath-Regimes im Mai 2003 terroristische Übergriffe, die nach dem Anschlag auf die schiitische Askariya Moschee in Samarra im Februar 2006 in bürgerkriegsähnliche Kampfhandlungen übergegangen sind. Die Sicherheitslage hat sich durch Tausende terroristischer Anschläge und fortgesetzte offene Kampfhandlungen zwischen militanter Opposition einerseits sowie regulären Sicherheitskräften und Koalitionstruppen andererseits dramatisch verschlechtert. Auch wenn nach wie vor die Soldaten der ausländischen Streitkräfte und die Angehörigen der irakischen Sicherheitskräfte sowie Politiker, Offizielle und Ausländer in erster Linie Zielobjekte der Terroristen sind, fallen ihren Anschlägen auch Zivilpersonen zum Opfer (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Januar 2007, S. 15).
Besonders gefährdet waren zunächst vor Allem Mitarbeiter westlicher Einrichtungen, dann aber schon bald potentielle Träger einer neuen demokratischen Ordnung, also etwa Akademiker wie Ärzte, Lehrer, Journalisten, Professoren, Ingenieure und Juristen (vgl. German Institute of Global and Area Studies, Institut für Nahost-Studien (GIGA), Auskunft vom 10. Mai 2007 an das VG Düsseldorf).
So sind laut Auskunft des irakischen Bildungsministeriums seit Mitte 2003 200 Professoren umgebracht oder entführt worden, das Land verlassen haben 1.500 Personen dieses Berufsstandes (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Januar 2007, S. 27).
Der Kläger zählt als Fotojournalist, der für die amerikanische Presseagentur Associated Press gearbeitet hat, zu dem besonders gefährdeten Personenkreis. Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass der Kläger in Bagdad Bedrohungen durch islamistische Terroristen ausgesetzt gewesen ist und er deswegen nicht mehr in sein Heimatland zurückkehren will. Vor Gericht hat er einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. [...]
Offensichtlich sind die Koalitionstruppen ebenso wenig wie die irakischen Sicherheitskräfte in der Lage, die unter Beschuss der Terroristen stehenden Personengruppen, denen der Kläger angehört, wirksam zu schützen.
Eine inländische Fluchtalternative stand dem Kläger nicht zur Verfügung.
Zwar konzentrieren sich die terroristischen Aktionen nicht ausschließlich, aber doch ganz überwiegend auf den Zentral- und Nordwestirak (vgl. AA, Lagebericht Oktober 2007).
Der Süden des Irak und der unter kurdischer Verwaltung stehende Norden sind hingegen weitgehend sicher. In der Regel stellen daher zumindest die Provinzen Dohuk Arbil und Suleimaniya im Norden eine interne Relokationsmöglichkeit dar (vgl. die Rechtsprechung der Kammer: Urteile vom heutigen Tage - 13 K 3899/06.A - (Yeziden) und vom 30. März 2007 (Christen)).
Das gilt aber ausnahmsweise in diesem Einzelfall nicht. Das Gericht ist davon überzeugt, dass dem Kläger landesweit Gefahren von terroristischen Gruppen drohen. Nicht islamische Minderheiten wie Christen und Yeziden sind zwar besonders in den unter kurdischer Verwaltung stehenden Gebieten weitgehend geschützt, weil die dort aktiven terroristischen Vereinigungen wie beispielsweise Ansar Al-Sunna von den Sicherheitskräften weitgehend unter Kontrolle gehalten werden können. Anders können die Dinge jedoch liegen, wenn Personen wie der Kläger erstens unter Beschuss der Islamisten oder der oppositionellen Baath-Anhänger stehen und zweitens namentlich bekannt und verfolgt werden können. Diese Gefährdung ist nicht regional beschränkt, sondern droht im Grunde landesweit.
Damit steht für das Gericht fest, dass der Kläger vorverfolgt aus dem Irak ausgereist ist. Bei einer Rückkehr in seine Heimat hat er nach dem anzuwendenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit weiterhin mit Verfolgung durch jene islamistischen Terroristen zu rechnen.
Seine Bedrohung wird ausnahmsweise nicht dadurch relativiert, dass er sich seit Ende 2007 im westlichen Ausland aufgehalten hat. Vielmehr ist zu befürchten, dass der Aufenthalt in Deutschland aus Sicht islamistischer Kreise den Eindruck westlichen Einflusses verstärkt hat, so dass nach der Überzeugung des Gerichts die Bedrohung durch das Asylverfahren in Deutschland noch konkreter als ohnehin auftreten wird. [...]