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VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 29.09.2008 - 9 A 1714/08.Z.A - asyl.net: M14641
https://www.asyl.net/rsdb/M14641
Leitsatz:

§ 28 Abs. 1 a AsylbLG schließt die Geltendmachung von subjektiven Nachfluchtgründen nicht aus, auch wenn diese nicht auf Verhalten beruhen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist.

 

Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, grundsätzliche Bedeutung, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; AsylVfG § 28 Abs. 1a; AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 5
Auszüge:

§ 28 Abs. 1 a AsylbLG schließt die Geltendmachung von subjektiven Nachfluchtgründen nicht aus, auch wenn diese nicht auf Verhalten beruhen, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung ist.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

In ihrer Antragsbegründung vom 4. August 2008 wirft die Klägerin folgende nach ihrer Ansicht grundsätzliche Frage auf:

"Wird durch § 28 Abs. 1a AsylVfG die Feststellung eines Abschiebeverbots gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG bei Vorliegen eines subjektiv selbst geschaffenen Nachfluchtgrundes ausgeschlossen, wenn dieser nicht auf einer entsprechenden Überzeugung oder Ausrichtung im Heimatland gegründet ist?" [...]

Eine Rechtsfrage bedarf keiner Klärung im Berufungsverfahren, wenn ihre Beantwortung sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder sie durch die Rechtsprechung schon hinreichend geklärt ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 124 Rdnr. 10; Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage, § 78 AsylVfG Rdnr. 13).

Dass § 28 Abs. 1a AsylVfG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG bei Vorliegen eines subjektiven Nachfluchtgrundes nicht ausschließt, wenn das zugrundeliegende Verhalten des Ausländers nicht Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist, ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz. Denn nach dem durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) mit Wirkung zum 28. August 2007 in § 28 AsylVfG eingefügten Absatz 1a kann eine Bedrohung nach § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Durch diese Vorschrift wird Art. 5 der Qualifikationsrichtlinie umgesetzt und klargestellt, dass die Verfolgungsgefahr grundsätzlich auch auf Ereignissen und Aktivitäten beruhen kann, die nach Ausreise aus dem Herkunftsland entstanden sind bzw. durchgeführt worden sind (vgl. BT-Drucksache 16/5065, 423). Soweit dem 2. Halbsatz des § 28 Abs. 1a AsylVfG zufolge, eine Bedrohung nach § 60 Abs. 1 AufenthG insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers beruhen kann, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung und Ausrichtung, ist - wie in der Antragsbegründung zutreffend dargelegt - dem Wortlaut ("insbesondere auch ...") eindeutig zu entnehmen, dass es sich insoweit um die beispielhafte - und damit nicht abschließende - Nennung eines denkbaren Nachfluchtgrundes handelt (vgl. auch Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, § 28 Rdnr. 52).

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, durch den zweiten Halbsatz des § 28 Abs. 1a AsylVfG würden die Nachfluchtgründe dahingehend eingeschränkt, dass subjektive Gründe nur abschiebungsschutzrechtlich relevant seien, wenn sie auf einer entsprechenden Überzeugung oder Ausrichtung des Ausländers im Herkunftsland gründeten, zwar als rechtsfehlerhaft. Die Grundsatzrüge eröffnet jedoch nicht die Möglichkeit, eine im Einzelfall unrichtige Rechtsanwendung durch das erstinstanzliche Gericht im Rechtsmittelverfahren einer Korrektur zuzuführen. [...]