Hinreichende Sicherheit vor erneuter mittelbarer Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei.
Hinreichende Sicherheit vor erneuter mittelbarer Gruppenverfolgung von Yeziden in der Türkei.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. [...]
Die in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmten materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Asylanerkennungen und der Feststellung der Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG liegen ebenfalls vor.
Ob die Kläger bei einer - asylrechtlich unterstellten - Rückkehr in die Türkei im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Schutz vor Verfolgung finden, beurteilt sich nach dem sog. herabgestuften Prognosemaßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit. Denn den o.g. anerkennenden Bescheiden des Bundesamtes lag im Wesentlichen zugrunde, dass die Kläger in der Türkei wegen ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit eine mittelbare Gruppenverfolgung und damit eine Vorverfolgung erlitten haben bzw. ihnen eine solche bei einer Rückkehr drohte, soweit sie in Deutschland geboren wurden. [...]
Unter Berücksichtigung des sog. herabgestuften Prognosemaßstabs der hinreichenden Verfolgungssicherheit wären die Kläger nunmehr bei einer Rückkehr in die Türkei vor einer mittelbaren politischen Verfolgung wegen ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit hinreichend sicher.
Das erkennende Gericht und der 11. Senat des Nds. OVG vertraten seit ihren Grundsatzentscheidungen vom 09.09.1992 - 1 A 932/91 - und vom 28.01.1993 - 11 L 513/98 - [zu dem Urteil des VG Stade vom 29.05.1989 - 4 A 206/87] über mehrere Jahre in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, das seinerzeit Yeziden in der Türkei im Regelfall landesweit einer mittelbaren Gruppenverfolgung wegen ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt waren. Jedoch stellte das erkennende Gericht ab dem Jahr 2000 zunehmend fest, dass Yeziden in bestimmten Dörfern der Süd-Ost-Türkei ohne Verfolgungsdruck leben konnten bzw. können und außerdem in der Bundesrepublik Deutschland als Asylberechtigte anerkannte Yeziden vorübergehend oder auf Dauer in die Türkei zurückkehrten. Diese Entwicklung bewog die Kammer in dem Urteil vom 30.04.2003 - 1 A 389/02 - zu der Feststellung, dass "eine flächendeckende Verfolgung der Yeziden in der Türkei nicht mehr angenommen werden" könne.
Zu der gleichen Beurteilung über eine nicht mehr bestehende mittelbare Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei kommt der 11. Senat des Nds. OVG in zwei Urteilen vom 17.07.2007 - 11 LB 332/03 -, juris (rechtskräftig nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BVerwG mit Beschluss vom 23.04.2008 - 10 B 156/07 -) zu dem Urteil der Kammer vom 18.03.2003 - 1 A 75/02 - und - 11 LB 324/03 - (n.v., rechtskräftig) zu dem Urteil der Kammer vom 30.04.2003 - 1 A 389/02 -. Als Ergebnis einer umfangreichen Beweisaufnahme stellt der 11. Senat in beiden Entscheidungen fest, dass Yeziden in der Türkei wegen ihrer Religionszugehörigkeit seit dem Jahre 2003 keiner mittelbaren staatlichen Verfolgung mehr ausgesetzt sind. Auf das Urteil im Verfahren 11 LB 332/03, in dem der 11. Senat außerdem eine Vorverfolgung für den Kläger unterstellt und deshalb den herabgestuften Prognosemaßstab der hinreichenden Verfolgungssicherheit angewendet hat (vgl. Rdnr. 45), wird Bezug genommen. Diese Rechtsprechung hat der 11. Senat des Nds. OVG in dem Beschluss vom 29.11.2007 -11 LB 14/06 - (V.n.b.) fortgesetzt.
Die Feststellungen des 11. Senats in den beiden zitierten Urteilen vom 17.07.2007 und dem Beschluss vom 29.11.2007 macht sich das erkennende Gericht für seine Rechtsprechung zur gegenwärtigen Situation der Yeziden in der Türkei zu eigen und schließt sich ihnen an. [...]
Für die isolierte Anfechtung der Feststellungen in den Bescheiden des Bundesamtes vom 13.02.2006, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen, besteht ohne zumindest hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag kein Rechtsschutzbedürfnis. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass auch diese Feststellungen rechtmäßig erfolgt sind und den Klägern kein entsprechender Anspruch zusteht. [...]