VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Urteil vom 17.10.2008 - RO 3 K 08.30090 - asyl.net: M14654
https://www.asyl.net/rsdb/M14654
Leitsatz:

Keine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak; kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gem. Art. 15 Bst. c der Qualifikationsrichtlinie im Irak.

 

Schlagwörter: Irak, Folgeantrag, Änderung der Rechtslage, Verfolgung durch Dritte, nichtstaatliche Verfolgung, Anerkennungsrichtlinie, Umsetzung, Richtlinienumsetzungsgesetz, politische Entwicklung, Sunniten, Schiiten, Gruppenverfolgung, soziale Gruppe, Verfolgungsdichte, Sicherheitslage, Erreichbarkeit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Erlasslage, Abschiebungsstopp, Versorgungslage
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c
Auszüge:

Keine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak; kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gem. Art. 15 Bst. c der Qualifikationsrichtlinie im Irak.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Das Bundesamt hat den Folgeantrag und die Durchführung eines neuen Asylverfahrens mit dem Ziel der Feststellung des Vorliegens der Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG zu Recht abgelehnt. [...]

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Ihm droht bei einer Rückkehr in den Irak gegenwärtig keine politische Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift. [...]

Die Zugehörigkeit zu der Gruppe der Schiiten begründet keinen Verfolgungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Es fehlt an einer Verfolgungshandlung mit asylrelevanten Merkmalen. Nur wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Wesentlichen auf die asylrelevanten Merkmale (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politische Überzeugung) zurückzuführen ist, begründet sie Verfolgungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG. Wenn keiner dieser fünf Gründe in einem engen Zusammenhang zu der Furcht vor Verfolgung steht, ist stattdessen allenfalls der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen. Die Mitgliedschaft zur Gruppe der Schiiten im Irak ist nicht geeignet, eine Gruppenverfolgung durch den Staat oder Sunniten zu begründen. Die Sunniten stehen in Auseinandersetzung mit der größten konfessionellen Gruppe im Irak, den Schiiten, die die Mehrheit der irakischen Bevölkerung ausmachen und in den vergangenen politischen Systemen dieses Landes kaum an der Macht beteiligt waren. Die Schiiten streben aber nach dem Machtwechsel die Vorherrschaft im Staat an. Die Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten im Irak sind somit Ausdruck eines Kampfes um die Vorherrschaft im Staat. Dieser Machtkampf innerhalb der muslimischen Mehrheitsgesellschaft kann nicht mit der ausgrenzenden Verfolgung religiöser Minderheiten gleichgesetzt werden (vgl. Tiedemann, Asylmagazin 11/2007, S. 12 ff.). Selbst wenn man das anders sehen würde (vgl. BayVGH vom 14.11.2007 Az. 23 B 07.30496, der für die Gruppe der Sunniten aus dem Zentralirak ohne Fluchtalternative im Nordirak, eine Gruppenverfolgung durch die Schiiten annimmt; VG Ansbach vom 19.4.2007 Az. AN 3 K 06.30312), so fehlt es angesichts der Größe der beiden Religionsgemeinschaften jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte. Diese wäre nur dann gegeben, wenn für jeden Angehörigen der jeweiligen Gruppe nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht. Auch insofern unterscheidet sich die Situation der Muslime im Irak, die regelmäßig auf den Rückhalt ihres Stammes zählen können, in qualitativ erheblicher Weise von der Lage der religiösen Minderheiten (vgl. Tiedemann, a.a.O., S. 13).

Außerdem hat sich die Lage der Sunniten und Schiiten seit dem Erkenntnisstand, der der oben genannten VGH-Entscheidung vom 14. November 2007 zugrunde lag, stark verbessert. [...]

Zusammengefasst lässt sich feststellen: Es gab im letzten Halbjahr 2007 einen Strategiewechsel der Amerikaner, der Wirkung zeigt. Die Bürgermilizen der Sunniten kontrollieren ihre Stadtviertel. Außerdem hat auch die Gewalt durch schiitische Milizen abgenommen, da diese ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen haben. Zudem hat der irakische Staat Maßnahmen ergriffen, um die Sunniten wieder im Staatsleben zu integrieren, wie das Amnestiegesetz und das so genannte Versöhnungsgesetz zeigen. Die Schiiten sind nach dem Sturz von Saddam Hussein im Staatsieben (Regierung, Parlament, Polizei, Militär) stärker vertreten als die Sunniten und damit mächtiger. Damit hat der irakische Staat geeignete Schritte eingeleitet, um die Verfolgung der Sunniten oder einen ernsthaften Schaden für diese Volksgruppe zu verhindern. Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (so genannte Qualifikationsrichtlinie) ist damit ein Schutz für beide Volksgruppen generell gewährleistet.

Weiter spielt eine Rolle, dass die Gewalt in vielen Städten in der Vergangenheit zu einer klaren Aufteilung schiitischer und sunnitischer Wohngebiete geführt hat. Wo es kaum mehr gemischte Siedlungen gibt, ist die Wahrscheinlichkeit konfessionell geführter Auseinandersetzungen gering (vgl. FAZ vom 5. Dezember 2007 "Rückgang der Gewalt").

Nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts fehlt es daher an einer gezielten Verfolgung der Gruppen der Schiiten und Sunniten aus asylrelevanten Verfolgungsgründen. Die Auswirkungen willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internen bewaffneten Konflikts begründen demgegenüber keinen primären Verfolgungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, sondern allenfalls sekundären Verfolgungsschutz nach Art. 15 Buchstabe c der Qualifikationsrichtlinie und nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG. Aufgrund des oben aufgezeigten Strategiewechsels, des Einsatzes von Bürgermilizen zur Sicherung der Stadtviertel und der Maßnahmen zur Versöhnung zwischen Sunniten und Schiiten kann auch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind, die Gruppen der Schiiten und Sunniten vor Verfolgung zu schützen.

Der Kläger kann seine Heimat auch erreichen. Nachdem die türkische Grenze zum Nordirak wieder geöffnet ist, besteht für irakische Staatsangehörige die grundsätzliche Möglichkeit der freiwilligen Rückreise über die Türkei in den Nordirak (vgl. BayVGH vom 21.9.2000 Az.: 23 B 00.30079). Problemlos ist die Einreise über Jordanien. Ersatzdokumente für freiwillige Rückkehrer werden von den deutschen Behörden ausgestellt (AA vom 7. Mai 2004, S. 13, 15).

2. Dem Kläger stehen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu. [...]

b. Der Kläger kann sich auch nicht auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG berufen. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Gefahren nach Satz 1 oder Satz 2, denen die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG.

Es ist bereits fraglich, ob im Irak ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist dieser Begriff völkerrechtlich zu verstehen und setzt eine gewisse Qualität eines Konfliktes voraus (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht stellt zur Präzisierung des Begriffs auf Artikel 1 Ziffer 1 des am 8. Juni 1977 abgeschlossenen Zusatzprotokolls II (ZP II) zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte ab (BGBl 1990 II S. 1637). Danach findet das Protokoll auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.

Das Bundesverwaltungsgericht folgert hieraus, dass ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts dann nicht vorliege, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt seien, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handele wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Der Konflikt müsse ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele seien Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liege auch dann vor, wenn die oben genannten Voraussetzungen nur in einem Teil des Staatsgebiets erfüllt seien. Ein aus seinem Herkunftsstaat Geflohener könne nur dann auf eine landesinterne Schutzalternative verwiesen werden, wenn diese außerhalb des Gebietes eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikt liege. Damit werde anerkannt, dass sich ein innerstaatlicher Konflikt nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken müsse.

Auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts war der Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes auf solche ernsthaften Schäden begrenzt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang zu bewaffneten Konflikten und kriegsgleichen Zuständen ab einer bestimmten Größenordnung hinsichtlich Intensität und Dauer stehen, wie etwa Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen, während die mit solchen Konflikten allgemein für die Bevölkerung mittelbar verbundenen nachteiligen Konsequenzen, wie etwa eine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage, jedenfalls hinsichtlich ihrer nachträglichen Auswirkungen nicht darunter fallen (so Hess. VGH vom 26.6.2007 Az. 8 ZU 452/06.A, AuAS 2007, S. 202).

Wie bereits dargestellt, ist jedoch seit einiger Zeit eine wesentliche Verbesserung der Sicherheitslage im Irak zu verzeichnen. Zwar kommt es immer noch zu Übergriffen auf einzelne Personen und oder von Guerillakämpfen. Es ist eher von einem "low intensity war" auszugehen, der nicht zum Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts führt (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 24.6.2008 a.a.O.). Es ist ferner nicht ersichtlich, dass bestimmte Gruppen in relevanten Teilen des Staatsgebiets Kontrolle im Sinne des Art. 1 Nr. 1 Zusatzprotokoll II ausüben. Vor allem wurde durch den "Surge" und die Umsetzung des "Modells Anbar" der Einfluss von Al Kaida entscheidend eingedämmt.

Die Sicherheitslage im Irak hat sich - wie oben dargestellt - in den letzten Monaten verbessert. Zwar schätzt der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Oktober 2007 die Sicherheitslage nicht nur in Bagdad prekär und auch in den Städten wie Baquba, Fallutscha, Ramadi, Samarra, Tal Afar, Kirkuk, Mossul und Basra als sehr angespannt ein. In Teilen des Nordiraks ist hingegen die Sicherheitslage besser als in den vorgenannten Gebieten. Der schiitisch dominierte Südirak weist eine geringere Anschlagsdichte auf als der Zentralirak (s. dort 11.1). Danach überlagern sich mehrere ineinandergreifende Konflikte wie der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische, Terroranschläge zumeist sunnitischer Islamisten gegen die Zivilbevölkerung, konfessionell-ethnische Auseinandersetzungen zwischen den großen Bevölkerungsgruppen der arabischen Sunniten, arabischen Schiiten und Kurden, aber auch mit den Minderheiten sowie Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen. Seit diesem letzten Lagebericht des Auswärtigen Amtes hat sich aber die Lage im Irak deutlich verbessert, wie bereits oben ausgeführt wurde. Nach den dort angeführten Presseberichten gehen seit einem halben Jahr die Zahl der Anschläge und Opfer im ganzen Land stark zurück. Dies ist auf einem im letzten Halbjahr 2007 erfolgten Strategiewechsel der amerikanischen Armee und auf den verstärkten Einsatz der irakischen Armee sowie von sunnitischen Milizen zurückzuführen (vgl. dazu insbesondere Bericht der SZ vom 25.6.2008). Die verbesserte Sicherheitslage zeigt sich auch darin, dass die Zahl der Terror-Angriffe von monatlich 1.200 im Juni 2007 auf 200 im Juni 2008 zurückgegangen ist (vgl. SZ vom 25.6.2008). Zahlreiche Iraker, die in die Nachbarländer geflüchtet waren, sind zwischenzeitlich wieder zurückgekehrt. Auch die Kämpfe zwischen den Religionsgruppen der Sunniten und Schiiten sind abgeebbt.

Selbst wenn man jedoch vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgehen würde, bestünde für den Kläger als Angehörigen der Zivilbevölkerung keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG.

Art. 15 Buchstabe c der Richtlinie verlangt dem Wortlaut nach "eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts." Dies entspricht den Tatbestandsmerkmalen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Demnach lässt diese Vorschrift keine allgemeine Bedrohung genügen, sondern setzen eine individuelle Bedrohung voraus (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 a.a.O., vom 15.5.2007 Az. 1 B 217/06). Nach dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie stellen Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes habe ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt normalerweise nicht eine solche Gefahrendichte, dass alle Bewohner des betroffenen Gebiets ernsthaft persönlich betroffen sein werden (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 a.a.O.). Das ergebe sich unter anderem aus dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG. Eine allgemeine Gefahr könne sich aber insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände könnten sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Betroffene müssten allerdings stichhaltige Gründe dafür darlegen, dass sie bei einer Rückkehr in den Irak tatsächlich von einer solchen Gefahr betroffen wären.

Eine solche besondere Gefährdung lässt sich den Erkenntnisquellen nach der Rechtsprechung des Gerichts (vgl. hierzu u.a. AA vom 11. November 2007), etwa für Mitglieder der politischen Parteien im Irak, Journalisten sowie für die intellektuelle Elite des Iraks (z.B. Professoren, Ärzte, Künstler) entnehmen, so dass die Anwendung des Erwägungsgrunds Nr. 26 nicht zu einem Anwendungsausschluss oder Leerlaufen des Art. 15 Buchstabe c der Richtlinie führt (vgl. VGH Baden-Württemberg vom 8.8.2007 Az. A 2 S 229/07, Asylmagazin 2007, S. 21, 22). Zu einer dieser Gruppen gehört der Kläger, der nach seinen eigenen Angaben im Erstverfahren im Irak als Arbeiter tätig gewesen sein will, nicht. [...]

d. Dem Kläger steht auch kein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu. [...]

Zwar kann der Kläger nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht mehr auf den Erlass des Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 18. Dezember 2003 (Az. IA2-2084.20-13) verwiesen werden, wonach die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger ausgesetzt und verfügt wird, dass auslaufende Duldungen bis auf weiteres um sechs Monate zu verlängern sind. Mit IMS vom 24. November 2006 wurde diese Erlasslage mit Ausnahme für einen äußerst begrenzten Personenkreis (Straftäter und Vorgaben des UNHCR hinsichtlich Volkszugehörigkeit und Herkunft) verlängert. Nach dem Rundschreiben vom 17. April 2007 (Az. IA2-2082.40-72/Ri) ist eine Ausweitung der Rückführungen vorgesehen, die sich jedoch nur auf aus den autonomen Kurdengebieten (Kurdistan-Irak) stammende straffällig Gewordene und Sicherheitsgefährder bezieht.

Die Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass sie nicht die Fälle erfasse, in denen die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst, c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien (vgl. BVerwG vom 24.6.2008 a.a.O.). Es widerspräche den Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG, wenn einem Ausländer, der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 Buchst, c der Richtlinie habe und nicht den Ausschlusstatbestand des Art. 24 Abs. 2 Halbs. 2 erfülle, kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Duldung wegen Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG erteilt würde.

Allerdings verlangt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG das Bestehen einer konkreten Gefahr ohne Rücksicht darauf ab, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist. Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" genügt aber ebenso wenig wie im Asylrecht die theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Die Gefahr muss vielmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vorliegen, wobei das Element der "Konkretheit" der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert.

Eine Verdichtung allgemeiner Gefahren zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung liegt im Falle des Klägers bei einer Rückkehr in den Irak nicht vor. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. [...] Auch die Versorgungslage im Irak mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Stromversorgung ist nicht derartig schlecht, dass eine solche Gefährdung angenommen werden müsste. [...]