Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Vietnam wegen Hypertonie und Diabetes mellitus, da die erforderliche medizinische Behandlung nicht finanzierbar ist.
Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG nach Vietnam wegen Hypertonie und Diabetes mellitus, da die erforderliche medizinische Behandlung nicht finanzierbar ist.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und aufzuheben, da der Kläger einen Anspruch auf die ausgesprochene Feststellung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) hat. [...]
Bei einer Rückkehr nach Vietnam wäre ernstlich zu besorgen, dass sich die Gesundheitssituation des Klägers alsbald wesentlich verschlechtern würde und er binnen kurzer Zeit der Gefahr des Todes ausgesetzt wäre. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der nach den vorliegenden Attesten mit derzeit vier bis fünf verschiedenen Medikamenten nur aufwändig einzustellende Bluthochdruck sowie die gegenwärtig mit zwei täglich zu nehmenden Tabletten zu behandelnde Diabeteserkrankung des Klägers in Vietnam grundsätzlich behandelbar sind. Denn selbst wenn es so ist, wären die erforderliche Behandlung sowie die benötigten Medikamente für den Kläger mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht verfügbar. In Vietnam ist nicht selten bereits der Zugang, erst Recht aber die Qualität der ärztlichen Behandlung und auch die Versorgung mit Medikamenten unmittelbar von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen abhängig; eine Krankenversicherung zur medizinischen Behandlung auch der ärmeren Bevölkerung ist erst im Aufbau begriffen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 14.07.2008; vgl. ferner VG Göttingen, Urt. vom 10.06.2004 - 2 A 382/03 -, VG Meiningen, Urt. vom 12.03.2007 - 2 K 20160/05 Me). Die Behandlung einiger Krankheiten, zu denen u. a. auch die Diabeteserkrankung zählt, ist nur in größeren Städten möglich (Botschaftsbericht an das Bundesamt vom 27.12.2005 unter Bezugnahme auf das fachärztliche Gutachten von Dr. ...).
Nach wie vor wird demgemäß die in Vietnam kolportierte zynische Einschätzung zutreffen, dass Diabetes mellitus eine "Krankheit des reichen Mannes" sei, da es sich um eine chronische und unheilbare Krankheit handelt, die langfristig viel Geld kostet, das vom Patienten oder seinen Angehörigen aufzubringen ist, oder mit den dann eintretenden tödlichen Folgen nicht aufgebracht werden kann (vgl. dazu bereits Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30.03.1999 an das VG Braunschweig, ferner neben dem o.g. Botschaftsbericht vom 27.12.2005 auch den Bericht vom 14.08.2006 an das Bundesamt).
Ausreichende finanzielle Möglichkeiten stehen dem Kläger nicht mit der Wahrscheinlichkeit zur Verfügung, mit der seine Rückführung nach Vietnam verantwortet werden könnte. Die Chancen des Klägers, auf dem vietnamesischen Arbeitsmarkt alsbald eine so gut dotierte Anstellung zu finden, dass er sich die Unkosten für die vielen notwendigen Medikamente sowie die ärztliche Versorgung würde leisten können, sind schlecht. Er ist nunmehr über 40 Jahre alt, hat keinen Beruf erlernt und ist krank. Angesichts der auch in Vietnam bestehenden nicht geringen Arbeitslosigkeit und des dort ohnehin nur sehr geringen Lohnniveaus sieht das Gericht für ihn keine realistischen Möglichkeiten, rechtzeitig in ausreichendem Umfang durch Erwerbsarbeit die beträchtlichen Mittel zu verdienen, die er wegen seiner Krankheit benötigt. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, nicht auf die Unterstützung von Verwandten in Vietnam zählen zu können; seine Eltern sind verstorben und seine einzige Schwester lebt in Kambodscha, von wo aus sie ihn ebenfalls nicht würde unterstützen können. [...]