VG München

Merkliste
Zitieren als:
VG München, Urteil vom 08.10.2008 - M 17 K 08.50063 - asyl.net: M14667
https://www.asyl.net/rsdb/M14667
Leitsatz:
Schlagwörter: Kosovo, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, Depression, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, ernsthafter Schaden, bewaffneter Konflikt, KFOR, Unruhen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7; RL 2004/83/EG Art. 15 Bst. c
Auszüge:

[...]

Die auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG beschränkte Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. [...]

Letztendlich ist das Gericht vor dem Hintergrund der im vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse überzeugt, dass eine Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung mit schweren Depressionen im Kosovo sowohl im Rahmen der staatlichen Gesundheitsfürsorge als auch durch im Kosovo tätige Nichtregierungsorganisation jedenfalls insoweit möglich ist, dass eine zumindest in die Nähe der lebensbedrohlichen Gefährdung reichende Entwicklung der Krankheit im Falle einer Rückkehr des Klägers in den Kosovo nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist. Zwar entsprechen die Möglichkeiten der Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung im Kosovo nicht denjenigen in der Bundesrepublik Deutschland und im übrigen Westeuropa. Diesen Anspruch kann der Kläger jedoch nicht aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie oben bereits ausgeführt - ableiten, da wegen befürchteter Gesundheitsgefahren lediglich die von der Rechtsprechung als Voraussetzung entwickelte wesentliche Verschlimmerung der Krankheit steht, nicht aber die mögliche Erschwerung von Heilung oder Linderung der Krankheit, welche Aufgabe des Arztes oder Psychotherapeuten und Grundlage seiner Überlegungen ist. Dies muss auch der kritischen Stellungnahme von Gierlichs (vgl. Gierlichs, Zur psychiatrischen Versorgung im Kosovo, ZAR 2006, 277 und Gierlichs, Neue Erkenntnisse zur psychiatrischen Versorgung im Kosovo, ZAR 2008, 185) entgegengehalten werden. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes (vgl. Lagebericht vom 29.11.2007) bestehen Behandlungsmöglichkeiten im öffentlichen Gesundheitssektor in der Universitätsklinik in Pristina, primär medikamentös, aber auch auf psychotherapeutischer Grundlage. In den Zentren für geistige Gesundheit (Medical Health Centers) finden "individuelle Therapie", "Gesprächstherapie", "subpportive Gespräche", "Gruppentherapie" und "körperzentrierte Psychotherapie" Anwendung. Zwar gebe es Kapazitätsengpässe, es lägen allerdings keine Hinweise darauf vor, dass behandlungsbedürftige Personen aufgrund fehlender Therapieplätze tatsächlich nicht behandelt werden konnten. Darüber hinaus bieten die im Kosovo tätigen Nichtregierungsorganisationen, wie etwa das "Kosova Rehabiliationscentre for Torture Victims" und die Organisation "Medica Kosova" auch Behandlungsmethoden in Form von Psychotherapie an. Die Behandlung und die Therapie in den Mental Health Centers sind kostenfrei, gleichfalls die Angebote der genannten Nichtregierungsorganisationen. Darüber hinaus sind, was die medikamentöse Behandlung anbelangt, die in der "essential drugs list" aufgeführten Psychotherapeutik im Kosovo kostenlos erhältlich. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass bei einer Abschiebung des Klägers sich sein Gesundheitszustand alsbald in der o.g. Intensität gravierend verschlechtern könnte.

Auch besteht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, der die Tatbestandsmerkmale des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie umfasst und der die subsidiäre Schutzgewährung in Fällen willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten regelt. Für innerstaatliche bewaffnete Konflikte ist ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit erforderlich. Allgemeine, mit dem bewaffneten Konflikt im Zusammenhang stehende Gefahren, allein genügen nicht. Es muss für den Betroffenen eine ernsthafte und individuelle Bedrohung für Leib oder Leben gegeben sein. Eine Verletzung der genannten Rechtsgüter muss gleichsam unausweichlich sein (vgl. BT-Drs. 16/5065 (187) zu Abs. 7 in ab 28.8.2007 gültigen Fassung, abgedr. im Gemeinschaftskomm. zum AufenthG, §60 S. 13). Eine derartige Gefahr besteht für den Kläger nicht. Die Situation nach den Unruhen im Norden des Kosovo im März 2008 ist zwar weiterhin labil, zu größeren Unruhen kam es jedoch nicht mehr, nachdem die internationale Schutztruppe KFOR das Kommando dort übernommen hat (vgl. Zeit online vom 17.3.2008). Am 5. Juni 2008 hat sich der deutsche Bundestag für eine Verlängerung des Einsatzes deutscher Soldaten im Kosovo um weitere zwölf Monate ausgesprochen (vgl. www.einsatz.bundeswehr.de).